Oberhausen. Der tödliche Anschlag von Solingen entfacht erneut eine Debatte um gescheiterte Abschiebungen. Auch in Oberhausen tauchen Asylbewerber unter.

Diese Zahlen fallen auf: 2023 schob Oberhausen zwölf abgelehnte Asylbewerber ab, so wenige wie seit sieben Jahren nicht mehr. Zeitgleich tauchten 20 Flüchtlinge, die sich zuvor in unserer Stadt aufgehalten hatten, spurlos unter. Woran liegt das? Eine Bestandsaufnahme nach dem Messerattentat in Solingen.

Drei Menschen starben am Freitagabend, 23. August 2024, bei dieser brutalen Attacke, weitere Opfer wurden teils schwer verletzt. Der tatverdächtige Syrer hatte sich seiner drohenden Abschiebung entzogen. Zuvor hatte er gegen seine Rückführung nach Bulgarien eine Klage eingereicht. Das EU-Land ist als erstes Ankunftsland in Europa rechtlich für sein Asylverfahren zuständig. Entsprechend schnell wurden jetzt Forderungen nach härteren Abschieberegeln laut.

Asylanträge: Zahl in Oberhausen sinkt

Selbst vor dem Hintergrund insgesamt wieder sinkender Asylanträge bleibt auch in Oberhausen auffällig: Im Corona-Jahr 2020 wurden noch 30 Personen in ihr Heimatland zurückgebracht. 2019 hatten 50 Personen das Land verlassen müssen. 2018 waren es 129 und 2017 sogar 143 Geflüchtete. In diesem Jahr schob Oberhausen bislang nur elf abgelehnte Asylbewerber ab, 16 entzogen sich ihrer Abschiebung. Aufenthaltsort: „Unbekannt“, räumt Stadtsprecher Frank Helling auf Nachfrage dieser Redaktion ein. Erstmals seit 2016 überstieg die Anzahl der untergetauchten Flüchtlinge damit 2023 und 2024 die Anzahl der abgeschobenen.

Der Rückgang der Abschiebungen hat laut der Experten im Rathaus mehrere Gründe: So sei etwa im Jahr 2015 die Anzahl der Asylanträge stark angestiegen. Bei der Bearbeitung durch das Bundesamt Migration und Flüchtlinge (BAMF) hätten sich erhebliche Rückstände ergeben. Die Anzahl der abgelehnten Asylanträge sank – und dadurch auch die Anzahl der Abschiebungen.

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In der Zeit von März 2020 bis ins Jahr 2023 habe dann die Corona-Pandemie Abschiebungen stark erschwert. Zeitweise waren Flugverbindungen eingestellt worden, dann fehlten einzelne Flugverbindungen und somit war die Anzahl zur Verfügung stehender Plätze in den Flugzeugen deutlich gesunken. Zudem hatten oftmals gebuchte Flüge aufgrund eines positiven Covid-Testergebnisses der Menschen, die zurückgeführt werden sollten, nicht angetreten werden können.

Asylverfahren: Die Regeln sind kompliziert

Außerdem hatten sich die rechtlichen Rahmenbedingungen im Aufenthaltsgesetz geändert, so dass neue Zugänge zu einem Aufenthaltstitel für bisher geduldete, ausreisepflichtige Personen ermöglicht wurden, etwa für beruflich qualifiziere Geduldete zum Zweck der Beschäftigung. Ausreisepflichtige Personen können aber auch zu Zwecken der Berufsausbildung einen Aufenthaltstitel erhalten. Und auch das am 31.12.2022 in Kraft getretene Chancenaufenthaltsgesetz beschreibt neue Wege von einem geduldeten Aufenthalt in einen rechtmäßigen Aufenthalt.

Dazu kommt: Menschen zum Beispiel aus Syrien oder Afghanistan durften bislang aufgrund der Verhältnisse in ihrem Heimatland nicht abgeschoben werden. Denn für Personen aus diesen und anderen als unsicher geltenden Ländern hatte die Bundesregierung ein Abschiebungsverbot verfügt.

Asylverfahren haben grundsätzlich komplizierte Regeln. Dazu gehört die sogenannte Dublin-III-Verordnung, die seit 2013 die Zuständigkeit für das Asylverfahren regelt. Das bedeutet: In dem EU-Land, das ein Flüchtling als erstes betritt, muss das Asylverfahren durchgeführt werden. Knackpunkte aber gibt es reichlich. So setzen aktuell einige Gerichte etwa Überstellungen nach Ungarn oder Bulgarien aus, weil es dort Zweifel an der Durchführung fairer Verfahren gibt und Asylanten etwa in Bulgarien sogar die Obdachlosigkeit droht.

Nach dem Ablauf der Fristen ist Deutschland automatisch für das Asylverfahren zuständig

Asylbewerber haben die Möglichkeit, einen Eilantrag gegen ihre Abschiebung in diese Länder zu stellen. Selbst wenn sie dies nicht tun oder dieser abgelehnt wird, bleiben genügend Schlupflöcher. So muss die Überstellung in den für das Asylverfahren zuständigen Staat innerhalb von sechs Monaten erfolgen. Taucht ein Flüchtling unter, verlängert sich diese Frist auf 18 Monate. Nach dem Ablauf dieser Fristen aber wird automatisch Deutschland für das Asylverfahren zuständig. Anreiz genug also, um sich einer Abschiebung zu entziehen?

Insgesamt kommen derzeit deutlich weniger Asylsuchende nach Oberhausen als noch vor wenigen Jahren. Stadtsprecher Helling: „Der aktuelle Auslastungsgrad der Flüchtlingsunterkünfte erlaubt es uns, den laufenden Betrieb am Standort an der Ruhrorter Straße ab November 2024 vorläufig einzustellen und den Standort als Reserve vorzuhalten.“

Die Stadt unterhält für die Flüchtlingsbetreuung folgende Gemeinschaftsunterkünfte: am Louise-Schroeder-Heim, an der Kapellenstraße, der Bahnstraße, der Erlenstraße, der Duisburger Straße sowie eben an der Ruhrorter Straße. Neben dem Einsatz von Sicherungspersonal seien bauliche Vorkehrungen wie eine Videoüberwachung und Zäune zum Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner, der Einrichtung selbst und des unmittelbaren Umfelds getroffen worden.

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Die Gemeinschaftsunterkünfte werden 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche in Präsenz begleitet, führt Helling aus. Dafür seien die haustechnischen Dienste der SBO im Wechsel mit eingesetzten Sicherheitsdiensten zuständig. „Die soziale Betreuung und Unterstützung der Bewohnerinnen und Bewohner erfolgt durch Betreuungsverbände wie das Deutsche Rote Kreuz, das Diakoniewerk Oberhausen und Terre des hommes sowie das kommunale Integrationszentrum der Stadt.“

Neben der hauptamtlichen Betreuung seien zahlreiche ehrenamtliche Helferinnen und Helfer mit großem Engagement in der Flüchtlingsbetreuung aktiv, auch, um geflüchteten Menschen in Krisensituationen beistehen zu können.

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