Oberhausen. Historischer Tag: Erstmals seit 27 Jahren hat Oberhausen eine neue Schule gegründet. Die Schulleiterin erklärt das einmalige Unterrichts-Konzept.
Dass ein Regierungspräsident in offizieller Funktion Oberhausen besucht, kommt eher selten vor. Vielleicht liegt es auch daran, dass noch seltener neue Schulen gegründet werden. An diesem Mittwoch, 22. August 2024, war es so weit: Thomas Schürmann schnitt mit Oberbürgermeister Daniel Schranz das rote Band durch, das die Türen symbolisch verschloss. Erstmals seit 27 Jahren strömten Schülerinnen und Schüler in eine völlig neue Schule. Wobei: Das Gebäude ist alles andere als neu.
Neben Schranz und Schürmann stand auf den Bannern „Gesamtschule an der Knappenstraße“. Für Außenstehende wäre das sicher verwirrend, weil die 123 Kinder und ihre Eltern auf dem Hof des ehemaligen Niederrhein-Kollegs an der Wehrstraße saßen - anderthalb Kilometer von der Knappenstraße entfernt. Aber selbst Schürmann aus dem fernen Düsseldorf war bestens im Bilde: Der Neubau an der Knappenstraße lässt noch bis 2028 auf sich warten. Doch die Zeit drängt, Oberhausens Schulen platzen aus allen Nähten. Die Stadt kaufte deshalb die seit 2023 leerstehende Schule für 4,6 Millionen Euro und richtete in ihren Räumen übergangsweise die Gesamtschule ein: Die „Gesamtschule an der Knappenstraße“ an der Wehrstraße. Sozusagen.
Neue Gesamtschule in Oberhausen: Akuter Platzmangel zwingt Stadt zum Handeln
Gesamtschule an der Knappenstraße in Oberhausen: Die Bilder
Zum Schmunzeln ist die Lage jedoch nicht. Oberhausen scheint bei jungen Familien hoch im Kurs zu stehen, das sorgt für Probleme an den Schulen. Die Zahlen der Neuanmeldungen an den weiterführenden Schulen und den Grundschulen steigen rasant. Klassenstärken von 30 Kindern und mehr sind die Regel. Weil an den Grundschulen ähnliche Not herrscht, wird der Raumdruck über Jahre groß bleiben. Zwar hat Oberhausen diverse Projekte angestoßen, deren Fertigstellung dauert allerdings.
Schürmann und Schranz lobten daher ausführlich die Übergangslösung. „Eine neue Schule machen wir nicht jedes Jahr auf“, sagte Schranz. „Das letzte Mal vor 27 Jahren mit der Gesamtschule Weierheide.“ Der letzte Neubau einer weiterführenden Schule liegt sogar noch länger zurück: In den 1970er Jahren wurde das Hans-Sachs-Berufskolleg gebaut.. Schürmann streicht daher den Kraftakt hervor und beteuert die Rückendeckung der Bezirksregierung Düsseldorf: „Hier wird eine Schule mit einem ganz innovativen Konzept gegründet.“
Gesamtschule an der Knappenstraße: Kinder lernen in offenen Strukturen
Die Eltern mussten nicht mehr überzeugt werden. Rund 170 Bewerbungen gingen für die neue Gesamtschule ein, etwas mehr als 100 Schülerinnen und Schüler wurden auserkoren. Dazu kommen geflüchtete Kinder. Mit elf Lehrkräften und einem Schulsozialarbeiter sieht die Bezirksregierung die neue Schule fürs Erste gut aufgestellt. Der Eindruck auf dem Gruppenfoto: überwiegend junge Lehrkräfte, die Lust auf Neues haben.
Tatsächlich passt das junge Team zu dem besonderen Konzept, mit dem die Gesamtschule an den Start geht. Denn Direktorin Petra Krüger-Hufmann (54) betritt mit der Schule zumindest in Oberhausen Neuland. Das Schlagwort lautet „Clusterschule“ und dahinter verbirgt sich, dass alte Strukturen aufgebrochen werden und individuelles Lernen in den Vordergrund gerückt wird. Statt in Klassen lernen die Kinder in Gruppen oder alleine. „Die Klassen gibt es nur noch in organisatorischer Hinsicht“, sagt die frühere Lehrerin der Osterfelder Gesamtschule, Krüger-Hufmann.
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Kam es einst vor, dass Lehrer ganze Schulstunden Vorträge hielten, wird es an der neuen Gesamtschule nur „Inputs“ geben. Zehn bis 15 Minuten stellen die Lehrkräfte das Thema vor, danach können die Kinder individuell die Aufgaben bearbeiten. Das ändert auch den Stundenplan. Nach einem offenen Ankommen startet um 8.15 Uhr der Tag mit einer halbstündigen Teamrunde. Nach dem sozialen Austausch geht es in sogenannten „Lernbüroblöcken“ zu 90 Minuten weiter. Im Neubau wird sich das offene Lernen auch räumlich darstellen. Die Kinder lernen und arbeiten auf den Fluren, können ihre Ergebnisse in kleineren Räumen präsentieren.
Gesamtschule an der Knappenstraße: Eltern mussten iPads für 600 Euro anschaffen
Ein Pfeiler dieses Konzeptes ist die Digitalisierung. Erstmals in Oberhausen kam die Idee des „Bring your own device“ zum Tragen. Per Sammelbestellung konnten Eltern privat iPads erwerben. Diese dürfen mit nach Hause und dort benutzt werden. Alternativ ist auch das Mieten möglich. Der Clou: Wenn die Kinder mit ihren iPads das Schulgelände betreten, wird per Bluetooth das Profil umgeschaltet. Fortan können die Kinder nur unterrichtsrelevante Apps nutzen. Beim Verlassen schaltet das iPad wieder in den privaten Modus. „Eigentlich macht Schule, wie wir sie bisher gemacht haben, nur noch begrenzt Sinn“, sagt Krüger-Hufmann, die im Fach Philosophie promoviert hat. Künstliche Intelligenz würde auch die Lehrerschaft vor große Herausforderungen stellen. Mit ihrem Ansatz will ihr Team die Kinder besser auf das Leben nach der Schule vorbereiten.
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Die Eltern sind gespannt, wie das neue Konzept wirkt. Die Anfangsinvestition von rund 600 Euro für ein iPad sei „schon ein Pfund“ gewesen, sagt ein Vater. Die „familiäre Atmosphäre“ einer neu gegründeten Schule sei allerdings eine besondere Chance. Eine Mutter allerdings bezeichneten die Bewerbung als „alternativlos“. Es habe schlicht keine andere Möglichkeit in Oberhausen gegeben.
Der Oberhausener Schuldezernent Jürgen Schmidt hofft, dass sich durch die Neugründung die Lage etwas entspannt. In den kommenden vier Jahren könnte die Schule auf über 400 Schülerinnen und Schüler wachsen. „Wir sind derzeit damit beschäftigt, den Schulentwicklungsplan anzupassen. Dann werden wir sehen, ob noch weitere Schulen nötig sind.“
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