Oberhausen. Die Macher der Oberhausener Volkshochschule entdecken einen besonderen Nach-Corona-Trend: Viele wollen mehr auf sich achten. Sind sie egoistisch?

  • Trends zu beachten ist für die Volkshochschulen extrem wichtig, sonst purzeln die Teilnehmerzahlen ins Bodenlose
  • Nach Corona verlangen viele Bürger nach Kursen zur Selbstfürsorge, Achtsamkeit, Entspannung vom Alltagsstress.
  • Dieser Trend wird von Kritikern als egoistische Nabelschau abgekanzelt. Doch gegen solche Vorurteile wehrt sich die Oberhausener VHS-Leiterin.

Die gut 20 Macherinnen und Macher der über 900 Veranstaltungen der Volkshochschule Oberhausen unterliegen stets einer großen Herausforderung: Sie müssen gesellschaftliche Trends erspüren und in spannenden Kursen umsetzen - sonst ist die kommunale Bildungseinrichtung für Erwachsene und Jugendliche schnell Vergangenheit. Denn schließlich ist der Besuch und die Bezahlung der Kurse, Workshops und Ausflüge im Gegensatz zu einer echten Schule völlig freiwillig. Liegen die VHS-Teams beim aktuellen Angebot neben den Interessen der Bürger einer Stadt, dann macht sich die Volkshochschule schnell überflüssig.

So finden sich im neuen 200-Seiten-Programm für das neue Bildungsjahr 2024/25 unter dem Titel „Echt jetzt? Sei schlau. Sei echt. Komm zur VHS“ neben den üblichen Sprachkursen eben auch die Mega-Trends der Zukunft: Workshops über die Künstliche Intelligenz in der Arbeitswelt, Tipps zur Gesundheit, Stressabbau und Achtsamkeit. Durch Befragungen ermitteln die Volkshochschulen, was die Bürger an Weiterbildung wünschen. „Dabei zeigt sich nach der Pandemie eine klare Betonung auf die Themen der Selbstfürsorgen, auf Entspannung, Bewegung, Gesundheit und Ernährung. Die Menschen wollen achtsamer leben“, beobachtet die Oberhausener VHS-Leiterin Gesa Reisz. „Vor Corona lagen Veranstaltungen zum Spracherwerb, zur IT und zur Kreativität vorne.“

Gesellschaftlicher Trend zu mehr Achtsamkeit und Selbstfürsorge

Die Politikwissenschaftlerin erklärt sich diesen Trend zur Selbstfürsorge mit dem hohen Stress der Corona-Zeit. „Viele mussten ihren Alltag komplett alleine organisieren und hatten kaum soziale Kontakte, um sich mal auszusprechen.“ Den Trend zu Achtsamkeitskursen dürfe man aber nicht missverstehen, dies sei kein Trend zu mehr Egoismus und zur Einstellung, man wolle sich nur noch um sich selbst kümmern und andere ignorieren. „Es geht bei Achtsamkeit darum, dass man sich stärker auf den Moment konzentriert - gerade auch im Gespräch mit anderen. Achtsamkeit bedeutet nicht nur mehr Rücksichtnahme auf sich selbst, sondern auf alle anderen Menschen ebenfalls.“

Mit einem Titelbild, das auch durch Künstliche Intelligenz (KI) generiert worden ist, fällt das neue Programm der Volkshochschule Oberhausen zum neuen Bildungsjahr 2024/25 besonders auf. VHS-Leiterin Gesa Reisz präsentiert das 200-Seiten-starke Heft mit rund 900 Veranstaltungen, Kursen und Workshops. Der neue Marketingspruch der altgedienten Bildungseinrichtung für Erwachsene und Jugendliche: „Sei schlau. Sei echt. Komm zur VHS.“
Mit einem Titelbild, das auch durch Künstliche Intelligenz (KI) generiert worden ist, fällt das neue Programm der Volkshochschule Oberhausen zum neuen Bildungsjahr 2024/25 besonders auf. VHS-Leiterin Gesa Reisz präsentiert das 200-Seiten-starke Heft mit rund 900 Veranstaltungen, Kursen und Workshops. Der neue Marketingspruch der altgedienten Bildungseinrichtung für Erwachsene und Jugendliche: „Sei schlau. Sei echt. Komm zur VHS.“ © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Die Oberhausener Volkshochschule versteht sich besonders auch als Debatten- und Bildungsort für Beschäftigte - angesichts einer Arbeitswelt, deren Entwicklung kaum noch kalkulierbar erscheint. „Der Umbruch durch die Künstliche Intelligenz wird schneller verlaufen als die Computerisierung in den Betrieben. Damals hatten wir noch genug Zeit, die Beschäftigten zu schulen“, erläutert Reisz im Gespräch mit der Redaktion. „Viele Arbeitnehmer haben nun Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, wenn sich die Hilfen durch KI in der Wirtschaft immer weiter durchsetzen.“ Tatsächlich ergeben Studien, wie die vom Branchenverband Bitkom: 77 Prozent der befragten Arbeitnehmer befürchten, dass durch KI Arbeitsplätze wegfallen. Nur ein Prozent sieht keine Nachteile beim KI-Einsatz.

Die Oberhausener VHS-Leiterin hält die gesellschaftliche Debatte über die Regeln für den Einsatz der KI genauso für erforderlich wie das Engagement jeden Bürgers. „Man kann Betrieben, aber auch jeden einzelnen Arbeitnehmer nur raten, sich damit auseinanderzusetzen, wie man KI einsetzen kann.“ Reisz ist der Auffassung, dass man seiner Sorge um den Arbeitsplatz besser begegnen kann, wenn man weiß, was KI leisten kann - und was nicht. „Die Arbeit wird sich verändern, aber die Arbeit wird nicht ausgehen.“

Was leisten Programme der Künstlichen Intelligenz (KI), wie beispielsweise ChatGTP - und was nicht? Dieser Frage geht die VHS Oberhausen in Kursen nach, auch um Ängste von Beschäftigten abzubauen.
Was leisten Programme der Künstlichen Intelligenz (KI), wie beispielsweise ChatGTP - und was nicht? Dieser Frage geht die VHS Oberhausen in Kursen nach, auch um Ängste von Beschäftigten abzubauen. © dpa | Frank Rumpenhorst

Die VHS hat deshalb Kurse im Programm, die nicht allzu viel Computerwissen voraussetzen: Man lernt exakte Eingaben für ChatGPT und Co zu formulieren oder wie man Texte und Briefe leichter erstellen kann. Das sei für jeden Bürger hilfreich, auch gerade für diejenigen, die sich im städtischen Alltag einmischen wollen. „Wenn man beispielsweise nicht möchte, dass die Blumenwiese vor Ort gemäht wird, dann kann man ein KI-Programm nutzen, das sehr leicht einen Brief ans Rathaus fertigen kann.“ Wer technische Fähigkeiten benötigt, Webseiten im Internet zu gestalten oder Inhalte für soziale Medien zu fabrizieren, kann sich bei der VHS Video-, Grafik- und Bildbearbeitungswissen aneignen.

Selbst im Wirrwarr der Apps fürs Handy, versucht die VHS mit ihren Dozenten, eine Schneise zu schlagen. „Auch im hohen Alter sollte man sich mit den neuen Techniken beschäftigen, denn sonst wird man von der Teilhabe am Leben ausgeschlossen, man kann etwa kein Online-Banking betreiben oder erhält Arzt-Termine nur schwierig.“ Wenn Betriebe oder Gruppen auf die VHS mit Kurswünschen zukommen, dann will das Team auch solche Bildungsgänge neu schnüren.

VHS Oberhausen bietet mehrere Anmeldemöglichkeiten für ihre 900 Veranstaltungen

Rund 15.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zählt die Oberhausener VHS inklusive Integrations- und Schulabschlusskurse Jahr für Jahr. Sie finanziert sich nur zu einem Drittel durch Kurs- und Workshop-Gebühren. Den Rest zahlen Land und Kommune. Im Vergleich zu privaten Anbietern auf dem Bildungsmarkt ist die VHS trotz leicht gestiegener Preise für ihre Veranstaltungen nach eigenem Bekunden deshalb immer noch unschlagbar billig. Mit dem Oberhausen-Pass gibt es für Ärmere sogar bis zu 75 Prozent Ermäßigung auf den Kurspreis.

Wer viele Textberge bearbeiten muss, kann diese dank Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz schneller durchforsten und zusammenfassen als früher. Die Entlastung von Routinearbeiten kann theoretisch das Arbeiten für viele Beschäftigte erleichtern und interessanter machen.
Wer viele Textberge bearbeiten muss, kann diese dank Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz schneller durchforsten und zusammenfassen als früher. Die Entlastung von Routinearbeiten kann theoretisch das Arbeiten für viele Beschäftigte erleichtern und interessanter machen. © dpa | Bernd Weißbrod

Das neue Programm der VHS Oberhausen ist nun digital und auf Papier veröffentlicht, die 900 Veranstaltungen sind in den sieben Themenbereichen Gesellschaft/Politik, Sprachen, Gesundheit/Psychologie, Beruf und IT, Kultur/Musik, Grundbildung (Integration/Schulabschlüsse) sowie Bildungsurlaub unterteilt.

Wer sich anmelden möchte, hat dazu viele Möglichkeiten: Auf der Webseite https://www.vhs-oberhausen.de/programm, persönlich vor Ort an der Kasse der Volkshochschule, Langemarkstraße 19-21 (Bert-Brecht-Haus), Raum 316 (montags bis donnerstags von 9 bis 12 Uhr und 13.30 bis 15 Uhr, freitags von 9 bis 12 Uhr), per Mail an vhs@oberhausen.de, per Fax 0208-825-5411 oder auf dem Postweg: VHS, Langemarkstraße 19-21, 46045 Oberhausen.