Oberhausen. Der Verein für aktuelle Kunst zeigt sich wieder in internationaler Topform: Die Gäste aus Budapest sehen sich in einer großen Tradition.
Das soll politisch sein? „Geometrie jetzt“ hieß in Budapest die jüngste Ausstellung der ungarischen Künstlergruppe „Osas“. Jetzt stellen sechs Kreative der Gruppe eine Hälfte der formidablen Ausstellung „Rheinland trifft Ungarn“ im Zentrum Altenberg beim Verein für aktuelle Kunst (VfaKR). Die Oberhausener Gastgeber als entschiedene Hüter der freien Farbmalerei agieren nun wahrlich nicht plakativ politisch. Doch in dem seit 14 Jahren vom Rechtspopulisten Viktor Orbán geführten Land kann selbst ein so unverfängliches Sujet wie die „Optical Art“ in der Tradition des großen Victor Vasarely (1906 bis 1997) zum Protestsignal werden: für Liberalität und eine nach Westen orientierte Moderne.
„Deutsche Künstler wollen ja lieber ‚raus aus Schubladen“, weiß Wilfried Darlath, der Vize-Vorsitzende des VfaKR. Die ungarischen Modernisten dagegen reihen sich stolz ein in die vom berühmten Op-Art-Magier aus Pécs begründete Tradition. Poster des später in Frankreich heimischen Victor Vasarely hingen während der 1960er und 70er Jahre in fast jedem „hip“ eingerichteten Wohnzimmer. Unter den zwölf Künstlerinnen und Künstlern mit über 50 Werken unter dem hohen Scheddach der einstigen Altenberger Klempnerei kommen nun die elegant-geometrischen Gemälde von Katalin Haasz der „Optical Art“ in ihrer swingenden Sixties-Ausprägung so nahe wie sonst nur noch die in Großbritannien verehrte Bridget Riley.
Immerhin verfügt die 2006 begründete „Osas“-Künstlergruppe dank eines Vertrages mit dem Budapester „Vasarely Muzeum“ über ein festes Domizil: „So brauchen wir kein staatliches Geld“, sagt Barna Benedek, „und leben etwas ruhiger“. Auch seine Kunst zwischen Malerei und Plastik entspricht dem munteren Motto „Geometrie jetzt“: Streifenmuster auf konvex und konkav gebogenen Bildflächen bitten vermeintlich starre Wände zum Tanz.
Ironische Kunst: Wo sind die Streichhölzer für den Zigarillo?
An „diesen ironischen Momenten“, wie Wilfried Darlath sagt, dürften nicht nur Kunstkenner ihr Vergnügen haben. Der Vereins-Aktivist verweist auf eine Arbeit von Martina Klein, die man neben ihren monochromen Farbtafeln in vergnüglicher Auf-und-ab-Hängung nicht übersehen sollte: Diesen Coup in Magenta, postiert auf einem kleinen Sockel, schmückt nicht nur ein schon reichlich verschrumpelter Zigarillo. Wer genau hinschaut, entdeckt auch die dazu passende Streichholzschachtel. Dabei ist das Genre der Farbmalerei sonst wahrlich keines der dicken Rauchwarenprotzer . . .
„Ich stelle nichts dar“, so zitiert Darlath die Düsseldorfer Japanerin Kumiko Kurachi, „ich erwarte Fragen, aber gebe keine Antworten“. Ihre schwarzen und weißen Wandobjekte wirken wie minimalistisch gestaltete Schreine. Die größeren Holzobjekte von Barbara Nagy dagegen, obwohl ebenfalls an den Wänden angebracht, scheinen dagegen keck in den Raum auszugreifen: Mit den passenden Werktiteln könnte man diese marionettenhaften Hölzer sogar zu Figuren deklarieren.
Kleine Verbeugungen vor dem Erfinder der abstrakten Kunst
Die filigran gerankten und wie aufwendige Ornamente ineinander greifenden Bleistift-Linien von Kamilla Szij dagegen bleiben stets Zeichnung - selbst dann, wenn ihre tropisch ausgreifenden Ranken und Muster auf transparenten Folien mitten im Ausstelllungsraum hängen.
Beim Düsseldorfer Detlef Funder schließlich besteht die Augentäuschung der „Optical Art“ im erstaunlich changierenden Mix der Materialien: Seine hochglänzenden, wie Airbrush-Kunst auf Metall wirkenden Farbflächen gründen tatsächlich auf den „stumpfen“ Bildträgern Beton und Kartonpappe. Und dann malt er auch noch einander so geometrisch umtanzende Kreise und Linien wie in den 1910er und 20er Jahren Wassily Kandinsky, der lange als Erfinder der abstrakten Kunst galt: Alleine für diese hinreißenden Hommagen im Kleinformat hätte der 65-jährige mal eine Einzelausstellung im Budapester Vasarely-Museum verdient.
Ungarn und Rheinländer im Künstler-Dialog
Zur Eröffnung der Ausstellung „Rheinland trifft Ungarn: ein konkreter Dialog“ am Sonntag, 14. Juli, um 11.30 Uhr erkundet Wilfried Darlath im Gespräch mit Dr. Barna Benedek auch die aktuelle politische Dimension der „Osas“-Kunst.
Zu sehen ist der Künstler-Dialog von zwölf Kreativen aus Köln, Düsseldorf und Budapest bis zum 18. August in der Halle des Vereins für aktuelle Kunst im Zentrum Altenberg, Hansastraße 20, geöffnet freitags 15 bis 17 Uhr, samstags 14 bis 17 Uhr und sonntags 11 bis 14 Uhr. Online informiert vfakr.de