Oberhausen. Eine Reform der Grundsteuer steht an. Das Land und die Finanzämter legen Rechenmodelle vor. Was das für Hausbesitzer und Unternehmer bedeutet.
Grundsteuerreform und kein Ende: Die Finanzämter des Landes haben jetzt den Städten und Gemeinden jeweils zwei Berechnungsmodelle zukommen lassen, wie es weitergehen kann. Beide Varianten dürften für politischen Zündstoff sorgen.
Oberhausener Eigentümer haben neue Grundsteuerbescheide bekommen
Zur Erinnerung: Eine Reform der Grundsteuer wurde erforderlich, weil das Bundesverfassungsgericht die jetzige Handhabe als verfassungswidrig erklärt hat. Eine veraltete Wertermittlung von Grundstücken und Gebäuden führte dazu, dass beispielsweise für ein neues Haus eine höhere Grundsteuer anfiel als für ein vergleichbares älteres Haus, ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz.
In einem ersten Schritt waren 2022 und 2023 die Eigentümer aufgefordert, eine Grundsteuererklärung zu ihrem Haus und Grund beim Finanzamt abzugeben. Daraufhin erhielten sie eine Neubewertung des Bestandes. Dieser Wert für sich allein betrachtet sagt aber noch überhaupt nichts darüber aus, wie die Steuer künftig ausfällt. Doch nun haben die Finanzämter Modelle zu einem dieser maßgeblichen Faktoren vorgelegt, gemeint ist der sogenannte Hebesatz. Berücksichtigt haben die Finanzbehörden dabei, dass eine Stadt künftig genau so viel an Grundsteuer einnimmt wie derzeit. In Oberhausen sind das etwa 46 Millionen Euro im Jahr.
Modell hat massive Steuererhöhung für Eigenheimbesitzer zur Folge
Momentan liegt der Hebesatz noch bei 670 v.H. und soll in der einer Modellrechnung auf 870 v.H. steigen. Den Satz hatte auch Oberhausens Kämmerer Apostolos Tsalastras schon ermittelt, bevor sich das Finanzamt zu Wort meldete. Denn er wollte wissen, nachdem schon ein großer Teil der Grundsteuerbescheide ausgestellt war, was die Neubewertungen wohl für Folgen haben. Danach ergibt sich folgendes Bild: Besitzer von Ein- und Zweifamilienhäusern müssten mit einer deutlichen Steigerung rechnen, im Durchschnitt um 40 Prozent. Mehrfamilienhaus-Besitzer zahlen etwas mehr als bisher und Eigentümer von Gewerbegrundstücken, Hallen oder Ladenlokalen stehen sich deutlich günstiger.
Die andere Variante, die die beiden Oberhausener Finanzämter durchgerechnet haben, ist ein Novum. Sie sieht nämlich zwei Hebesätze vor: einen für Hausbesitzer, den anderen für Gewerbeflächen. Bei 706 v.H. soll danach der Satz für Wohngebäude liegen und bei 1324 v.H. für Firmen, Ladenlokalen oder Werkshallen.
Getrennte Hebesätze sieht Oberhausens Kämmerer sehr skeptisch
Mit dem Modell, die Hebesätze zu differenzieren, will das Land nach offizieller Lesart den Städten und Gemeinden die Möglichkeit verschaffen, eine übermäßige Belastung von Hauseigentümern zu vermeiden. Wie sich in dieser Variante die genannten Hebesätze konkret in Oberhausen auswirken würden, will Kämmerer Tsalastras in den nächsten Tagen errechnen. Die Tendenz ist aber eindeutig: Hausbesitzer würden weniger stark belastet, dafür aber heimische Unternehmer.
Das Vorgehen des Landes stößt beim Kämmerer auf heftige Kritik und er bekommt dabei Rückendeckung von verschiedenen Kommunalverbänden.
Kritik aus Oberhausen am Vorgehen des Landes
Dass Hausbesitzer stark belastet würden, habe sich schon sehr früh während des gesamten Verfahrens abgezeichnet, hebt Tsalastras hervor. Das Land hätte schon damals an Stellschrauben bei der Bewertung von Wohnhäusern drehen können, dann wäre eine derartige Belastung erst gar nicht zustande gekommen.
Äußerst skeptisch beurteilt der Finanzexperte den Vorschlag, unterschiedliche Hebesätze einzuführen. Zunächst einmal steht aus seiner Sicht das Konzept rechtlich auf tönernen Füßen, verstoße es doch beispielsweise gegen den Gleichheitsgrundsatz. Denn wie will man rechtlich einwandfrei begründen, dass für eine Gewerbeimmobilie ein anderer Hebesatz gilt als für ein Wohnhaus? Somit könnte auf die Stadt eine Klagewelle mit der fatalen Folge zurollen, dass eine der wichtigen Einnahmequellen der Stadt gefährdet wird, befürchtet der Kämmerer.
Oberhausen will zusätzliche Belastung für Unternehmer vermeiden
Würde Oberhausen sich allerdings nach besagtem Modell richten, bekommen Unternehmen die Konsequenzen zu spüren. Sie müssten vermutlich eine erheblich höhere Grundsteuer als derzeit aufbringen. Aber gerade eine Stadt wie Oberhausen sollte den örtlichen Firmen nicht noch eine zusätzliche Last aufbürden, betont der Kämmerer. Ohnehin hat die Stadt schon bei der Gewerbesteuer einen der höchsten Hebesätze in NRW und würde dann die höhere Grundsteuer noch oben drauf satteln.
Schließlich sieht Tsalastras auch noch eine ganz praktische Hürde für eine Aufteilung der Hebesätze: Die gesamte Software für die Grundsteuer müsste komplett neu programmiert werden, um zwei verschiedene Sätze überhaupt erheben zu können. „Das braucht Zeit und kostet auch Geld“.
Die Würfel fallen nun im Oberhausener Rat
Wie geht es nun weiter? Die Zahlenwerke der Finanzämter sind frisch im Rathaus eingetroffen. Der Kämmerer will in den nächsten Wochen die beiden Berechnungsmodelle entsprechend aufbereiten. Die Würfel fallen am Ende im Rat der Stadt. Die Hoheit über die Hebesätze behalten weiterhin die Kommunen, betonen daher auch die beiden Finanzämter. Ihre Berechnungen seien als „Referenzwert“ zu verstehen, die Entscheidung bleibe dem Rat vorbehalten, heißt es in einer Erklärung. Wann die Ratsvertreter das Thema auf der Tagesordnung haben, ist momentan noch vollkommen offen. Vor der Sommerpause, so viel steht aber fest, wird das nicht mehr der Fall sein, erklärt der Kämmerer, die nächste Sitzung ist am 1. Juli.
Derweil die Kalkulationen im Rathaus laufen, haben auch die Finanzämter landauf, landab noch mit einer großen Zahl an Widersprüchen gegen die Grundsteuerbescheide zu tun. Allein in den beiden Oberhausener Finanzbehörden sind rund 11.000 Einsprüche eingegangen. Ferner haben landes- und bundesweit sowohl der Verband von Haus- und Grundstückseigentümern (Haus & Grund) als auch der Steuerzahlerbund Musterklagen gegen die Grundsteuerreform angestrengt. Die Verfahren dauern noch an.
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