Oberhausen. Während der EM 2024 wollte die italienische Mannschaft in Oberhausen übernachten. Sie überlegte es sich anders und hinterließ enttäuschte Fans.
Vor dem Parkhotel auf der Teutoburger Straße herrschte am lauen Mittwochsommerabend eine eigentümliche Mischung aus Erwartung und Enttäuschung. Ein Hauch von Euphorie lag zunächst in der Luft, die sich jäh in geplatzte Hoffnungen verwandelte. 30 tapfere italienische Fans hatten sich eingefunden, um ihre Helden der Fußball-Europameisterschaft in Empfang zu nehmen. Die kleine Menge vor dem Hotel war grün-weiß-rot geschminkt, mit Fahnen ausgestattet, und die Jüngeren trugen die Trikots ihrer Lieblingsspieler. Vergebens, denn die italienische Nationalmannschaft kam nicht.
Wie kam es dazu? Ursprünglich sollte die Squadra Azzurra vor ihrem zweiten Vorrundenspiel wegen der Nähe zu Gelsenkirchen in Oberhausen übernachten. Doch kurz zuvor wurde die Planung geändert – die Italiener wollten lieber von ihrem Base Camp in Iserlohn aus anreisen. Der plötzliche Wechsel der Unterkunft war ein herber Schlag für die treuen Anhänger, die bereits Stunden vorher auf der gegenüberliegenden Straßenseite die Tricolore schwenkten.
Oberhausen: Mariella aus der 6. Klasse wartet im Italien-Trikot
So wie Mariella, die in die 6. Klasse geht und in der Nähe wohnt. Schade, sagt sie und benutzt ein anderes Wort, das auch mit „SCH“ beginnt. Traurig blickt sie auf ihr himmelblaues Trikot. Ihre Mutter hatte es ihr vor zwei Wochen geschenkt, rechtzeitig vor Beginn der EM. Mariella hatte so gehofft, einen Blick auf den Kapitän, Torwart „Gigio“ Donnarumma zu erhaschen. Ein Selfie oder ein Autogramm und das Fanglück wäre vollkommen gewesen. Wäre, denn es passierte – nichts.
Das musste auch Nicolo Costa (45) erleben. Dabei hatte der Oberhausener einen kleinen Arbeitskampf hinter sich. Sein Chef war so gar nicht davon überzeugt, ihn zwei Stunden eher gehen zu lassen, damit er rechtzeitig nach Osterfeld gelangen konnte. Die Auseinandersetzung im Job habe er gewonnen, sagt er, doch zwei Arbeitsstunden verloren. Und das umsonst, denn schließlich konnte er seine Mannschaft nicht sehen.
So tief enttäuscht wie er war seine Frau Alexandra (41). Sie ist qua Geburt Deutsche, aber seit 26 Jahren nicht nur in ihren Italiener, sondern auch in das Land verliebt. Ein kleines Trostpflaster verabreichten sich die Costas selbst: Direkt nach der Meldung über das Ausbleiben ihrer Stars machten sie sich die 80 Kilometer auf nach Iserlohn, dem Quartier der italienischen Mannschaft.
EM 2024: Italien-Fans trösten sich - Fußball nicht alles im Leben
Alessio Renzi, ein junger Mann von 21 Jahren, drückte seine Frustration deutlich aus: „Ich liebe mein Land, aber nun bin ich tief enttäuscht“, sagte er mit Blick auf die Uhr, die mittlerweile 17.30 Uhr anzeigte. Warum die Eile? Als Fußballfan wollte er das Deutschlandspiel am Abend nicht verpassen.
Elia, 12 Jahre alt, ist auf dem Platz linker Außenstürmer. Er wartete mit „Mamma“ Maria Altomare und Padre Enzo Lattuca erfolglos zwei Stunden und ließ dafür sein eigenes Fußballtraining sausen. Woher wusste die Familie vom Kommen der italienischen Fußballnationalmannschaft? Enzo Lattuca erfuhr es per Zufall in der vergangenen Woche an der Tankstelle gegenüber. In diesem Augenblick stand für ihn fest, dass er dem Junior sein Idol zeigen wollte. Elia ist Fan des Stürmers Federico Chiesa, außerhalb der Nationalmannschaft in Diensten von Juventus Turin. Der Schüler besitzt beide Staatsangehörigkeiten, typisch für die Italiener der dritten Generation in Oberhausen. Aber sein Herz, il Cuore, schlägt fußballerisch eindeutig für Italien.
Elias Freund trägt den wunderbaren italienischen Namen Samuele Micacchioni. Der Elfjährige spielt mit Leidenschaft Fußball beim VfB Bottrop. Seinem Gesicht ist der Missmut über das Ausbleiben der Profikicker anzusehen, hatte er sich doch seit Tagen darauf gefreut. Trotzdem ist er gefasst, denn Fußball sei nicht alles im Leben, sagt der junge Mann. Was könnte für einen echten Tifoso wichtiger sein? „La Famiglia!“, natürlich!
EM 2024: Italien-Fans glauben an Final-Einzug
Die Fans zeigten trotz viel Amore ein erstaunlich gutes Erwartungsmanagement. Eine spontane Umfrage dieser Redaktion unter den Beteiligten ergab - unerwartet - keine eindeutige Meinung darüber, dass der alte Europameister auch der neue sein wird. Viele sahen Italien durchaus im Endspiel. Schön und gut, doch wer geht als Sieger vom Platz? Die DFB- Elf? Nein, eher England oder Spanien, war die einhellige Meinung der Expertinnen und Experten.
Die Nachricht von der geänderten Hotelreservierung verbreitete sich schließlich, und langsam begann die Menge sich aufzulösen. Die Fans verabschiedeten sich mit schwerem Herzen und trösteten sich mit Fußball-Methadon: dem Spiel der deutschen Nationalmannschaft.
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