Oberhausen. Mitten in finanziellen Turbulenzen hat das den Vorstand von OQ Chemicals kalt erwischt: Plötzlich flattert ein unangenehmer Brief auf den Tisch.

Seit Ostern steckt das aus einem Teil der Hoechst AG hervorgegangene Chemieunternehmen OQ Chemicals (früher Oxea) in finanziellen Turbulenzen. Schuld daran hat bekanntlich der Eigentümer, das Sultanat Oman. Es hat über Ostern eine zugesagte Finanzspritze für ein ausgehandeltes neues, eine Milliarde Euro umfassendes Kreditpaket plötzlich zurückzogen. Nun steckt der mittlerweile dreiköpfige Vorstand des in Monheim sitzenden Unternehmens in neuen intensiven Verhandlungen: Kommt mit „Advent International“ (Boston) ein neuer Eigentümer? Wie viel Geld würde der neue Besitzer mitbringen? Zu welchem Preis verkaufen die jetzigen Eigentümer vom Golf? Wie bringen sich die Londoner Darlehensgeber ein?

Erwartungsfrohe, sehr optimistische Botschaften zugunsten von OQ Chemicals

Aus dem Unternehmen nahe stehenden Kreisen kommen nicht etwa schwache Durchhalteparolen, sondern im Gegenteil: Es gibt erwartungsfrohe, sehr optimistische Botschaften - angeblich kommen die Verhandlungen gut voran, mit Advent International steht der frühere Eigentümer von OQ Chemicals mit seinen heute weltweit 1400 Beschäftigten in den Startlöchern, den Chemieproduzenten mit Werken in den USA, in China, in Oberhausen und Marl-Hüls von den Omanis wieder abzukaufen.

Der Umsatz steigt nach dem Tief im vergangenen Jahr zudem wieder: Dank der weltweiten Erholung der Wirtschaft zieht die Nachfrage von Oxo-Chemikalien an, die das 800-Mann-Werk in Oberhausen produziert. Diese Chemikalien stecken in allen möglichen Allerweltsprodukten: in Wasch- und Putzmittel, in Shampoos und Parfüms, in Stromkabeln, Fußbällen, Turnschuhen und in Farben wie in Lacken.

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Und ein großes technisches Problem hat OQ Chemicals nach vielen Wochen überwunden: Durch den Brand auf dem Ruhrchemie-Gelände beim Partner „Air Liquide“ fiel die Lieferung von Synthesegas, dem Basisstoff für Oxo-Produkte von Ende Februar bis Anfang Mai 2024 aus - und damit die Oberhausener Produktion bei OQ. Erst jetzt kann OQ Chemicals wieder wie gewohnt die Wünsche seiner Kunden voll erfüllen, vorher mussten Produkte zugeteilt werden.

In diese Gemengelage semmelt ein Brief des Stromzulieferers RWE hinein - und sorgt für Nervosität: Denn die finanzielle Unruhe bei OQ Chemicals hat den Essener Energiekonzern nicht kaltgelassen. Von Kennern der internen Lage bei OQ in Monheim heißt es, dass RWE in diesem Schreiben plötzlich eine bisher noch nie notwendige Sicherheitsleistung verlangt.

Denn RWE stellt danach jährlich eine Leistung von 120 Megawattstunden bereit - und zwar dem gesamten Holtener Areal von Ruhrchemie. Darauf sitzt bekanntlich nicht nur OQ Chemicals mit seinem Werk als Chemiepark-Betreiber, sondern arbeiten auch sechs Partner: Air Liquide produziert Industriegase, Clariant Fließverbesserer für Treibstoffe, Johnson Matthey Chemie-Katalysatoren, Versalis per Hochdruckverfahren Polyethylen, Celanese das feinkörnige Pulver Polyethylen und Topas einen Spezial-Kunststoff.

Ruhrchemie: Ohne Sicherheitsleistung droht Ende der Stromzulieferung

Abnehmer und Vertragspartner von RWE ist allerdings OQ Chemicals, der den Strom nach Bedarf an die Standort-Partner verteilt. Nach eigenen offiziellen Angaben benötigt OQ Chemicals im jährlichen Schnitt nur 20 Megawattstunden Elektrizität von RWE, der Rest von rund 100 Megawattstunden steht den anderen Unternehmen auf dem Gelände zu Verfügung. Die benötigen mal mehr oder weniger Strom: So hat Celanese seit dem vergangenen Jahr einen Stromvertrag mit einem anderen Stromzulieferer von außerhalb geschlossen. Ähnlich agierte Air Liquide: Es gibt eigene Stromverträge für die neue Elektrolyse-Anlage genauso wie für die Luftzerlegungsanlagen. Nur für die Synthesegas-Produktion benötigt der Industriegase-Hersteller Strom von OQ.

Wie dem auch sei: RWE verlangt nach Darstellung unternehmensnaher Fachleute eine dicke Vorauszahlung, wenn OQ Chemicals in Oberhausen noch weiter Strom haben will - aus Sicherheitsgründen, um nicht im Nachhinein mit leeren Händen dazustehen. „Dabei hat OQ Chemicals seine Stromrechnungen immer pünktlich und akkurat bezahlt“, heißt es. Die Sicherheitsleistung soll auf Basis von 120 Megawattstunden berechnet sein - schließlich ist der Vertragspartner für RWE OQ Chemicals. Und es sind nicht die anderen Standortgesellschaften. Die verlangte Summe für die Vorkasse soll über eine Million Euro betragen.

Keine schöne Brief-Botschaft für das Chemieunternehmen OQ Chemicals

Keine schöne Brief-Botschaft für ein Unternehmen, das gerade über seine langfristige Finanzstruktur verhandelt. Denn RWE hat in seinem Brief angeblich eine Drohung in den Raum gestellt: Wenn das Geld als Sicherheitsleistung nicht fließen sollte, will man den Strom für das Ruhrchemie-Gelände abstellen. Und damit würde man nicht nur OQ Chemicals treffen, sondern alle Produktionsstätten.

Der RWE-Konzern beliefert tatsächlich nur noch wenige Industriekunden, darunter aber eben auch OQ Chemicals. Zu dem gesamten Vorgang will sich das Unternehmen aber lieber nicht äußern: „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir uns zu Details von Geschäftsbeziehungen mit unseren Kunden nicht äußern.“

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