Oberhausen. Fachleute entdecken eine kleine Sensation in einer alten Synagoge in Oberhausen. Nun plant die Stadt ein Millionen-Projekt zur Aufwertung.
- Historischer Schatz in Oberhausen: Fachleute entdecken Relikte des jüdischen Lebens in Oberhausen
- Eine ehemalige Synagoge soll nun in einen kulturellen Ort der Begegnung verwandelt werden
- Die Stadt will das Projekt unbedingt stemmen und zur Not aus eigener Tasche finanzieren
Es ist eine kleine Sensation: In einer ehemaligen Synagoge im Oberhausener Stadtteil Holten, die jahrzehntelang als Wohnhaus genutzt wurde, haben von der Stadt beauftragte Fachleute bedeutende Relikte entdeckt. Bei den Restaurationsarbeiten kam unter anderem eine Mikwe zum Vorschein, ein Tauchbad zur rituellen Reinigung.
„Es ist viel mehr erhalten, als wir erhofft haben“, freute sich Oberbürgermeister Daniel Schranz bei der Vorstellung des historischen Schatzes. Der Verantwortung, die diese Überbleibsel vergangenen jüdischen Lebens in Oberhausen mit sich bringen, wolle man sich als Stadt stellen. Ein Stuttgarter Architekturbüro wurde nicht nur für eine behutsame Instandsetzung des Sakralbaus beauftragt, sondern auch für das Schaffen eines Ortes für Konzerte, Ausstellungen und Aufführungen. Kostenpunkt: 1,7 bis 1,9 Millionen Euro.
Noch hat der Rat der Stadt den Plänen nicht zugestimmt, doch Schranz ist sicher, dass die Kommunalpolitiker den Weg für das Projekt in der nächsten Ratssitzung freimachen werden. Gleichzeitig bemühe man sich um Fördergelder von Land und Bund. Doch Schranz macht auch klar: Die Synagoge wird restauriert, notfalls auch finanziert aus der eigenen Stadtkasse. Zu besonders sei diese Chance, „das auszubauen, was Oberhausen auszeichnet: unseren Umgang mit Geschichte“. Ein Gutachten des LVR-Amtes für Denkmalpflege im Rheinland gibt seiner Einschätzung recht: Die Funde in der ehemaligen Synagoge seien „bundesweit von großem Seltenheitswert“.
„Synagogen, die vor 1933 erbaut wurden, sind selten in Deutschland.“
Erbaut wurde die Holtener Synagoge 1858 von der damals kleinen jüdischen Gemeinde, zu der sieben Familien mit etwa 35 Personen gehörten. Das eingeschossige Gebäude mit Satteldach und neugotischen Zierformen wurde bis 1927 als Gebets- und Versammlungsraum genutzt. Bis die geschrumpfte Gemeinde es nicht mehr schaffte, die Mindestzahl von zehn religionsmündigen Mitgliedern aufzubringen. 1936, zwei Jahre vor der Reichspogromnacht, wurde es in ein Wohnhaus umgebaut. Der Zeitpunkt war traurigerweise gut gewählt: So konnten die Nazis das Gebäude nicht mehr als Synagoge identifizieren und zerstören.
„Wir sind sehr glücklich“, sagt deshalb auch Alexander Drehmann, Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde Duisburg/Mülheim/Oberhausen, der ebenfalls zur Präsentation gekommen ist: „Synagogen, die vor 1933 erbaut wurden, sind selten in Deutschland.“ Er sei der Stadt Oberhausen dankbar dafür, dass sie die Geschichte dieses Nachlasses seiner Gemeinde bewahren will. Erneut einen religiöse Stätte daraus zu machen, verlangt er jedoch nicht. „Hier leben kaum oder gar keine Juden“, sagt Drehmann. „Und eine Synagoge muss leben.“
Gelebt haben Menschen in der ehemaligen Synagoge noch bis in die 2010er-Jahre hinein. Davon zeugen zahlreiche Spuren, die im Gutachten des LVR aufgeführt werden: Neue Fensteröffnungen wurden eingebrochen, Deckenbalken eingezogen, Wasserleitungen verlegt, ein Kamin eingebaut und ein Zement-Estrich gegossen. Im ersten Schritt haben die Stuttgarter Architekten deshalb die zwischenzeitliche Wohnhaus-Nutzung zurückgebaut – ohne die dahinterliegenden historischen Relikte zu beschädigen.
Doch die Geschichte soll nicht ausradiert werden: Das künftige Konzept sieht vor, einige Spuren der Nutzung als Wohnhaus ebenfalls sichtbar zu machen. Sie können dann von den künftigen Besucherinnen und Besuchern ebenso entdeckt werden wie die dekorativ geschnitzten Balkenköpfe an der Frauenempore im Obergeschoss, die originale Holztreppe mit geschnitztem Handlauf, die Grundwasser-Mikwe mitsamt Treppenstufen, die freigelegten historischen Farbfassungen an den Wänden sowie den noch erkennbaren Schriftzug „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“.
„Minarette“ und Bogenfenster: Die ehemalige Oberhausener Synagoge soll wieder strahlen
Trotz der vielen Veränderungen hat die Stadt den Bau 1991 in ihre Denkmalliste eintragen lassen. 2019 dann erwarb sie ihn. Nach den Plänen des „Atelier Bruckner“, renommiert für die Umnutzung geschichtsträchtiger Orte, soll die alte Synagoge nicht nur im Inneren wieder strahlen. Von außen wird sich das zurzeit unscheinbare mausgraue Häuschen, das geduckt zwischen anderen, sehr eng aneinandergebauten Grundstücken liegt, ebenfalls stark wandeln: Die minarettartigen Eckbekrönungen aus der Bauzeit sollen ebenso wieder hergestellt werden wie die Spitzbogenfenster.
Das Konzept der Stuttgarter Architekten, das nicht umsonst mit „XL-Version“ betitelt ist und Favorit von Oberbürgermeister Schranz, sieht zudem eine Parkanlage vor, die aufgrund der Lage nur schwer zu verwirklichen sein dürfte. Dass sie jedoch ein Raum wird, in dem nicht nur die Holtenerinnen und Holtener Geschichte einatmen und sich bilden können, dürfte außer Frage stehen. Flucht, Vertreibung, Migration als universelles Thema der ganzen Stadt hier zum Greifen nah.