Mülheim. Schon wieder gibt ein Traditionsgeschäft in Mülheim auf, auch aus privaten Gründen. Die langjährige Inhaberin wagt anderswo einen Neustart.
„Mein Herz ist voller Trauer und Dankbarkeit.“ Dieser Satz, den man eher in einer Todesanzeige vermuten würde, ist an einer Mülheimer Ladentür zu lesen. An der Glastür von Blumen Baldus an der Kaiserstraße, die sich nicht mehr für Kundinnen und Kunden öffnen wird. Das Geschäft ist geschlossen - „für immer“, steht dort.
Zwei weiße Din A-4-Blätter mit schwarzer Schrift, die hinter der Glasscheibe hängen, sind ein Abschiedsbrief. Unterzeichnet hat ihn Christina Terschüren, die langjährige Inhaberin. Floristin mit ganzem Herzen, aber nicht unendlicher Energie. Sie schreibt, leider hätten sich „verschiedene Umstände“ so entwickelt, dass es ihr nicht mehr möglich sei, das Geschäft in ihrem Sinne weiterzuführen. Am Sonntag, 20. Oktober, löschte sie das Licht.
Blumen Baldus an der Kaiserstraße in Mülheim ist geschlossen
Leicht war schon lange nicht mehr. Vermutlich nie. An sieben Tagen pro Woche stand Christina Terschüren im Geschäft, teilweise in 15-Stunden-Schichten. Unterstützt wurde sie von ihrer Mutter, Brunhilde Beldzik, die dort vor vielen Jahren als Lehrmädchen begonnen und den Laden 1988 mit ihrem Mann übernommen hatte. Seit der Jahrtausendwende führte die Tochter Blumen Baldus.
Nun ziehen die beiden Frauen, 54 und 83 Jahre alt, die Reißleine. Ihre Mutter habe zuletzt nicht mehr aushelfen können, schreibt Christina Terschüren, „und der bescheidene Gewinn des Lädchens lässt keine qualifizierte Aushilfe zu“. Im Gespräch mit dieser Redaktion erklärt die Geschäftsfrau, aus gesundheitlichen Gründen habe ihre Mutter die Arbeit komplett aufgeben müssen. Und alleine sei es nicht zu schaffen. „Von morgens halb sechs bis abends halb sieben im Laden - irgendwann macht der eigene Körper nicht mehr mit.“
Preise steigen, Kunden sparen an Blumensträußen
Schon vor knapp zwei Jahren hatte Christina Terschüren uns die schwierige Situation geschildert. Steigende Einkaufspreise auf dem Großmarkt, steigende Energiekosten, höherer Spardruck bei Kundinnen und Kunden, weniger Bereitschaft, Geld in einen frisch gebundenen Blumenstrauß zu investieren, wenn sie beispielsweise jemanden im nahe gelegenen St. Marien-Hospital besuchen. Damals klang die Floristin aber noch entschlossen, bis zur Rente durchzuhalten.
Es hat nicht gereicht. Als Gründe für die Aufgabe des alteingesessenen Geschäftes nennt die Floristin jetzt in ihrem Abschiedsschreiben, insbesondere „enorme Preisvorstellungen“ im Großhandel, die sie nicht komplett habe weitergeben können.
Traditionsgeschäft bestand über 70 Jahre
Man spürt, wie schwer Christina Terschüren die Entscheidung gefallen ist. Sie dankt allen „herzensguten Menschen“, die sie in den vergangenen 35 Jahren kennenlernen durfte. Sie hatte seit den späten achtziger Jahren im Geschäft gearbeitet, zunächst als frisch ausgebildete Floristin im elterlichen Betrieb, dann als Chefin.
Jetzt sind die Schaufenster des Ladenlokals mit Packpapier zugeklebt, darüber hängt noch der alte, geschwungene Schriftzug: Baldus Blumen. Mülheim hat wieder ein Traditionsgeschäft weniger und verliert einen weiteren Blumenladen. Er bestand über 70 Jahre. Am Montag habe die Entrümpelung stattgefunden, sagt Christina Terschüren, und ist den Tränen nahe. „Es war sehr schlimm für mich, zu sehen, wie alles rausgerissen wird.“
Mülheimer Floristin hat schon eine neue Stelle
Was mit dem leeren Ladenlokal passiert, ist noch offen. Das Haus gehöre seit einigen Jahren einer Wohnungsgesellschaft mit Sitz in Düsseldorf, berichtet Christina Terschüren. Ehe die Räume neu vermietet werden können, müssen sie grundlegend renoviert werden. Auch dafür reichte der Umsatz nicht mehr, den treue Stammkundschaft dem Blumengeschäft bescherte.
Am letzten Verkaufswochenende habe sie sich von vielen, die jahrzehntelang kamen, persönlich verabschiedet, erzählt die Floristin und muss wieder fast weinen. Doch zum Trauern bleibt gar nicht viel Zeit. Bereits im November beginnt Christina Terschüren als angestellte Floristin im Geschäft einer Kollegin in Essen, die sie seit Ausbildungszeiten kennt. „Sie hat mich schon im Sommer gefragt, ob ich bei ihr anfangen möchte. Erst konnte ich mir noch nicht vorstellen, den Laden aufzugeben. Dann habe ich gemerkt, dass ich es nicht mehr schaffe.“
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