Mülheim. Ein Grundsteuer-Ranking zeigt: Nur zwei deutsche Städte sind teurer als Mülheim. Verband klagt: „Hauseigentümer sind an der Belastungsgrenze“.
Keine drei Monate mehr, dann tritt die seit Jahren fällige Grundsteuerreform in Kraft. Doch Mülheimer Hauseigentümer und Mieter wissen immer noch nicht, welche finanziellen Belastungen auf sie zukommen werden. Bei „Haus & Grund“ in Mülheim schrillen die Alarmglocken.
„Haus & Grund Deutschland“, der Spitzenverband der privaten Wohnungswirtschaft, hat dieser Tage mit dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln besagtes Ranking veröffentlicht, das für 100 deutsche Großstädte auflistet, wie hoch die Grundsteuerbelastung dort jeweils ist. Der Befund, wenig überraschend: Die jährliche Grundsteuerlast für Eigentümer und Mieter eines typischen Einfamilienhauses ist sehr unterschiedlich: Während in Regensburg, wo die Stadt den örtlichen Hebesatz auf 395 Prozent festgesetzt hat, nur 335 Euro fällig werden, sind es für ein vergleichbares Haus in Witten stolze 771 Euro.
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Witten führt das Ranking auf der Negativseite an. In der Stadt im Osten des Ruhrgebiets liegt der Grundsteuer-Hebesatz bei 910 Prozent. Nur knapp besser als Witten: Mülheim mit seinem Hebesatz von 890 Prozent. Hier werden für das besagte Musterhaus demnach 754 Euro fällig. Neben Witten ist die Grundsteuerbelastung der Bürgerinnen und Bürger nur noch in Offenbach höher als in Mülheim.
Grundsteuerreform bereitet vielen Hausbesitzern in Mülheim Sorgen
In 26 der 100 untersuchten Städte sind die Hebesätze seit 2021 noch erhöht worden, nur Duisburg hat den Satz leicht gesenkt. „Der durchschnittliche Hebesatz in den 100 größten Städten liegt nun bei 589 Prozent, ein Plus von 25 Prozentpunkten im Vergleich zu 2021“, stellt „Haus & Grund“ fest. „Es kann nicht sein, dass Politiker landauf, landab steigende Wohnkosten beklagen und dann die Grundsteuerschraube immer fester anziehen. Die aktuell in allen Bundesländern laufende Umstellung der Grundsteuer auf ein neues Berechnungsverfahren darf nicht dazu genutzt werden, die kommunalen Kassen zu füllen“, mahnte zuletzt Verbandschef Kai Warnecke.
An seinem Versprechen, dies nicht zu tun, wird sich auch Mülheims Stadtkämmerer messen lassen müssen. Bei „Haus & Grund“ in Mülheim ist die Grundsteuerreform in Beratungen jedenfalls wie im vergangenen Jahr neben dem Gebäudeenergiegesetz das Hauptthema, das viele der rund 3500 Mitglieder umtreibt - und Sorgen macht, wie Geschäftsführer Christian Reiff und Vorstandsvorsitzender Thomas Michael Wessel feststellen.
„Eine verfehlte Steuerpolitik auf dem Rücken von Eigentümern und Vermietern“
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Seit 2018 sei klar, dass es zu einer Reform kommen müsse, verweist Reiff auf das damalige Verfassungsgerichtsurteil zur Grundsteuer. Nun sei man im Oktober 2024 und keine drei Monate mehr vor der Umsetzung der Reform - und weiter wüssten Eigentümer und Mieter nicht, was für Mehrbelastungen auf sie zukämen, beklagt Reiff neben Reforminhalten insbesondere auch die Umsetzung im Land Nordrhein-Westfalen. Hier scheut die Landesregierung eine eigene gesetzliche Regelung, um eine enorme Umverteilung der Lasten von Gewerbe- auf Wohngrundstücke zu vermeiden. Sie will dies durch jede Kommune einzeln geregelt sehen.
Hier werde „eine verfehlte Steuerpolitik auf dem Rücken von Eigentümern und Vermietern“ ausgetragen, so Reiff, der das Beispiel einer Eigentümerin bringt. Sie besitzt ein Haus älteren Baujahrs an der Eduardstraße und hätte gemäß dem neu festgelegten Messbetrag allein schon bei gleichbleibendem Mülheimer Hebesatz künftig 1290 statt 544 Euro Grundsteuer zu entrichten. Erhöhe die Stadt den Hebesatz gar nach der Maßgabe einer Modellrechnung des Landes, drohe gar eine Verdreifachung der Steuerlast, so Reiff.
Haus & Grund Mülheim: Nicht die Vermieter sind die Preistreiber
Vielen privaten Hausbesitzern stehe das Wasser aufgrund der gestiegenen Wohnnebenkosten bis zum Hals, sagt Vorstandsvorsitzender Wessel. „An der Belastungsgrenze“ seien viele, auch die Mieter. Dabei sei festzuhalten, dass oft allein die Nebenkosten zur Mietsteigerung führten, private Vermieter ihre Kaltmieten oft stabil hielten und den Mülheimer Mietspiegel nicht ausreizten, so Wessel. „Vielen liegt mehr am Herzen, ein gedeihliches Miteinander mit ihren Mietern zu haben, als 50 Euro mehr Miete zu kassieren. Ein unzufriedener Mieter ist für sie da schlimmer.“
„Vielen liegt mehr am Herzen, ein gedeihliches Miteinander mit ihren Mietern zu haben, als 50 Euro mehr Miete zu kassieren. Ein unzufriedener Mieter ist für sie da schlimmer.“
Das aber hat laut „Haus & Grund“ zur Folge, dass eine Vermietung für viele zur Last werde. In der Beratung, so Reiff, habe er es mit vielen, gerade älteren Eigentümern zu tun, „die gesagt haben: Dann verkaufe ich lieber!“ Es stelle sich für viele Vermieter die Frage, ob sich „das ganze noch lohnt“. Die Wohnnebenkosten gering zu halten, sei eine dringende Aufgabe, ergänzt Wessel. Die kleinen Eigentümer mit drei, fünf oder acht Mieteinheiten seien jedenfalls „nicht die Preistreiber“. Sonst wäre Mülheims Mietspiegel nicht nur moderat, sondern stärker gestiegen.
Mülheims Stadtkämmerer hat drei Hebesatz-Optionen: Eine schließt er schon jetzt aus
Die Verantwortlichen bei „Haus & Grund“ sehen die finanzielle Not der überschuldeten Stadt, blicken aber auch kritisch darauf zurück, dass Mülheim mit vielen Fehlentscheidungen, vom Desaster mit Wetten auf Zinsen bis hin zum Feuerwachen-Deal, selbst auch große Verantwortung für seine missliche Lage trage. Besser, als das Wohnen steuerlich zu verteuern, sei Sparen, sagt Wessel. Auch könne die Stadt versuchen, über mehr Wohnungsbau und Zuzüge ein Einnahmen-Plus zu erzielen.
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Verunsicherung, Sorgen, Unmut - so lässt sich laut „Haus & Grund“ die Stimmung unter Mülheimer Hausbesitzern zusammenfassen angesichts der unklaren Auswirkungen der Grundsteuerreform. Stadtkämmerer Frank Mendack will der Politik zur Ratssitzung im Dezember eine neue Satzung vorlegen, mit der der Grundsteuer-Hebesatz für 2025 festgelegt wird. Jetzt ist klar, was er nicht machen wird: Wegen großer Zweifel an der Rechtssicherheit werde er nicht, wie vom Land vorgesehen, differenzierte Hebesätze für Wohn- und Gewerbegrundstücke festlegen, so Mendack auf Anfrage dieser Redaktion.
Was genau er machen wird, ist wohl noch Verhandlungssache mit der Politik. Es bleiben zwei Optionen, um auf ein zehn Millionen Euro taxiertes Loch bei den Steuereinnahmen für Gewerbegrundstücke zu reagieren: Um es vollends zu kompensieren, müsste der Hebesatz laut neuester Berechnung des Landes in Mülheim von 890 auf 1063 Prozent angehoben werden. Möglich wäre aber auch, dass Mendack und Politik zumindest im kommenden Jahr Mindereinnahmen bei der Grundsteuer anderweitig kompensieren. Hausbesitzer und Mieter werden gespannt darauf blicken, was der Kämmerer zum Dezember vorlegt.
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