Mülheim. 65.000 Quadratmeter galt es in der alten Tengelmann-Zentrale in Mülheim zu revitalisieren, als der Handelsgigant fortzog. Wie weit man ist.

Als vorerst letzte Mieterin ist im Juni ein Forschungslabor des GEA-Konzerns in Betrieb gegangen: Die Revitalisierung der ehemaligen Tengelmann-Zentrale läuft seit drei Jahren. Zeit für ein Zwischenfazit für Teil 1 des ehrgeizigen Parkstadt-Projektes von Investor Soravia.

65.000 Quadratmeter sanierungsbedürftige Fläche hatte der österreichische Investor vor Jahren von Tengelmann übernommen. Ein gutes Stück der Revitalisierung ist geschafft. Laut Tobias Altenbeck aus der Geschäftsführung vom Essener Maklerunternehmen Brockhoff und Soravia-Projektleiter Lorenz Tragatschnig sind mittlerweile 74 Prozent des wuchtigen Baus wieder vermietet, exakt 48.210 Quadratmeter.

Investor will „Parkstadt Mülheim“ als Standort für Bildung und Forschung etablieren

Ein Blick in das Contilia-Institut für Pflege in der „Parkstadt Mülheim“, die auf altem Tengelmann-Terrain entstehen soll.
Ein Blick in das Contilia-Institut für Pflege in der „Parkstadt Mülheim“, die auf altem Tengelmann-Terrain entstehen soll. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Die GEA-Ansiedlung sei „etwas, was uns besonders freut“, sagt Tragatschnig. Die Parkstadt als Standort für Bildung und Forschung etablieren zu können, ist im Sinne der Entwickler. In diesem Herbst ist auch der 6000 Quadratmeter große Filialstandort der Hochschule Ruhr West (HRW) in der Parkstadt in den vollen Lehr- und Forschungsbetrieb gegangen; das HRW-Präsidium hat seine Büros hierhin verlegt.

Noch ein Fingerzeig könnte der Einzug einer neuen weiterführenden Schule, der geplanten Kaleidoskop-Schule, sein. Es gab zuletzt positive Signale für die in Privatinitiative geplante Schulneugründung. Für sie ist eine Fläche über mehrere Stockwerke im ehemaligen Verwaltungsbau von Kaiser‘s Kaffee reserviert. Dort, wo die Rettungsdienstschule der Feuerwehr schon länger beheimatet ist, ebenso der Tierfutterhersteller Petcom mit seiner Vertriebsabteilung. 3000 Quadratmeter zwischen den anderen Mietparteien sind noch frei für die Schule. Der Mietvertrag ist seit Oktober unterzeichnet, die Schule soll schon im August 2025 in Betrieb gehen. Der Umbau der Fläche starte in Kürze, heißt es seitens Soravia.

Das ehemalige Verwaltungsgebäude von Kaiser‘s Kaffee (links) könnte bald eine neue Mülheimer Schule beherbergen.
Das ehemalige Verwaltungsgebäude von Kaiser‘s Kaffee (links) könnte bald eine neue Mülheimer Schule beherbergen. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Zuletzt zurückhaltende Nachfrage - trotzdem: „Das Produkt funktioniert“

Weitere 3000 Quadratmeter für eine Modernisierung in Angriff zu nehmen, ist natürlich nach dem Geschmack des österreichischen Investors Soravia. Der konnte in der jüngeren Zeit etwas Luft holen auf der Großbaustelle; die Nachfrage hatte zuletzt nachgelassen für die noch verfügbaren Flächen. Das sei das aktuelle Marktgeschehen auch anderswo, so Altenbeck mit Blick auf die allgemeine wirtschaftliche Lage. Zahlreiche Arbeitgeber prüften intensiver, wie viel Fläche sie tatsächlich benötigen. Das verlängere den Prozess. „Der Trend zum Home Office ist in Deutschland angekommen, entwickelt sich aber wieder rückläufig“, so Altenbeck.

Tobias Altenbeck (Geschäftsführer Brockhoff)

„Das Produkt funktioniert.“

Tobias Altenbeck

Auch Soravia-Projektleiter Tragatschnig vernimmt einen Gegentrend zum Home Office: „Viele Firmen merken, dass kreative Ideen ausgehen, wenn Mitarbeiter nicht vor Ort zusammenkommen.“ So sieht er laufenden Gesprächen mit Mietinteressenten etwa für die loftartigen Flächen in der alten Wissoll-Schokoladenfabrik hoffnungsfroh entgegen. „Das Produkt funktioniert“, sagt auch Altenbeck. Insbesondere punkte man damit, dass man - je nach Investitionsaufwand - auch noch mit Quadratmeterpreisen unterhalb von 10 Euro in der Vermarktung sei.

Modernisierung der alten Tengelmann-Zentrale: „Operation am offen Herzen“

Das Contilia-Institut für Pflege ist eines von vielen Einrichtungen aus der Gesundheitsbranche, die auf modernisierten Flächen in der „Parkstadt Mülheim“ ein Zuhause gefunden haben.
Das Contilia-Institut für Pflege ist eines von vielen Einrichtungen aus der Gesundheitsbranche, die auf modernisierten Flächen in der „Parkstadt Mülheim“ ein Zuhause gefunden haben. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller
So lässt es sich lernen im neuen Contilia Institut für Pflege in Mülheim.
So lässt es sich lernen im neuen Contilia Institut für Pflege in Mülheim. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Dass im vergangenen Jahr weniger Mietabschlüsse gelangen als zuvor, kann Tragatschnig nach eigenem Bekunden verschmerzen. Die Abschlüsse zuvor hätten viel Druck auf die Dauerbaustelle gebracht, als noch um jeden Handwerker zu kämpfen war. „Wir haben bis Juni gebraucht, um alles fertigzubekommen“, schildert er etwa die Herausforderung, für jeden neuen Mieter eine komplett neue Haustechnik installieren zu müssen oder spezielle Wünsche, etwa die Laboreinrichtung von GEA, zu erfüllen. Immer mal wieder gibt es im alten, verschachtelten Gebäudekomplex auch böse Überraschungen. Probleme, die bislang zu lösen waren. Tragatschnig lobt da das Team aus Architekten und Ingenieuren für ihr Mittun bei der „Operation am offenen Herzen“, wie er es nennt.

Noch immer stehe das Reaktivierungsprojekt im alten Tengelmann-Bau ruhrgebietsweit als außerordentlicher Erfolg da, sagt Altenbeck. In Essen seien im ersten Halbjahr 2024 lediglich knapp 35.000 Quadratmeter Bürofläche neu vermietet worden. Allein am Standort der Parkstadt sei es binnen drei Jahren gelungen, auf mehr Fläche neues Leben zu entfachen. Man punkte mit dem Versprechen eines individuellen Ausbaus für Mieter. In Essen stünden 200.000 Quadratmeter Fläche leer. Hier, wo sich der Eigentümer investitionsbereit und pragmatisch agiere, sei es gelungen, mit der Altbau-Reaktivierung ein Produkt zu bieten, das man zuvor nicht gehabt habe. Dies könne Blaupause für viele andere Projekte sein.

Ende 2025 will Soravia den Tengelmann-Altbau in Mülheim komplett vermietet haben

Ein Blick ins Foyer der Hochschule Ruhr West, die in der „Parkstadt Mülheim“ einen Filialstandort bezogen hat.
Ein Blick ins Foyer der Hochschule Ruhr West, die in der „Parkstadt Mülheim“ einen Filialstandort bezogen hat. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Für 6- bis 7000 Quadratmeter Mietfläche sei man im Moment in Gesprächen mit einer Handvoll möglicher Mieter, sagt Tragatschnig. Weitere potenzielle Neuansiedlungen seien da möglich, aktuell spreche man aber auch mit Bestandsmietern schon über Erweiterungen. Wenn bis Weihnachten die Hälfte der in Rede stehenden Fläche vermietet sei, so der Soravia-Mann, „wäre das ein schöner Erfolg“. Bis zu 5500 Quadratmeter zusammenhängende Fläche auf einer Ebene in der alten Schokoladenfabrik könnten noch im Paket vermietet werden, die kleinstmögliche Einheit misst 230 Quadratmeter. Soravia hat das Ziel; Ende 2025 alles vermarktet zu haben.

Blick in die modernen Büros, die die Contilia Akademie in der „Parkstadt Mülheim“ bezogen hat.
Blick in die modernen Büros, die die Contilia Akademie in der „Parkstadt Mülheim“ bezogen hat. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller
Modernes Lernen will die Contilia Akademie ermöglichen.
Modernes Lernen will die Contilia Akademie ermöglichen. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Es ist schon gut Leben drin im kolossalen alten Tengelmann-Gebäude. Ob nun beim Mieter der ersten Stunde, dem Unternehmen Standardkessel Baumgarte, oder aber bei der Contilia Akademie, die nach dem eng kooperierenden Institut für Pflege- und Gesundheitsberufe und der Katholischen Schule für Pflegeberufe als letzte Bildungseinrichtung in Speldorf neue Räume bezogen hat. Akademie-Leiter Florian Jeserich sagt, dass seine Einrichtung Dachmarke sein soll für ein umfassendes Angebot an Aus-, Fort- und Weiterbildung. Aktuell liege der Fokus dabei auf den Beschäftigten der Contilia. „Wir wollen uns strategisch auch nach außen öffnen“, so Jeserich.

Contilia Akademie bietet das ganze Spektrum an Aus- und Weiterbildung ab

Von Kommunikationstraining bis hin zu Fachseminaren für Technikerinnen und Techniker, Ärztinnen und Ärzte oder Pflegerinnen und Pfleger: Die Akademie will das Komplettpaket schnüren. „Wir haben uns inzwischen sehr gut eingelegt. Es gibt fast täglich Schulungen und es wird sehr gut angenommen“, sagt Jeserich, als er durch die modernen Räume führt, wo in der Seminar-Lounge mit Küche eine besondere Lernatmosphäre geschaffen ist.

Speziell eingerichtet ist auch ein Trainingsraum, der vielfältig zu nutzen ist. Am OP-Tisch üben OP- und Anästhesietechnische Assistenten etwa Lagerungstechniken, sie können sich hier auch mit den Gerätschaften vertraut machen. Das eigene Training etwa bei der Simulation eines Herzinfarktes kann videoaufgezeichnet werden. Chefärzte können hier eigene Schulungsideen realisieren. Der Raum ist wandelbar, auch Physio- und Ergotherapeuten können hier üben, ebenso Pflegekräfte. Jeserich sieht viel Potenzial, auch in der Kooperation mit den anderen Gesundheitseinrichtungen am Standort.

Ein alter Kaffeeröster zeugt von der Geschichte des Tengelmann-Imperiums in Mülheim.
Ein alter Kaffeeröster zeugt von der Geschichte des Tengelmann-Imperiums in Mülheim. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Viel Neues also im altehrwürdigen Tengelmann-Gebäude. Die Geschichte aber ist nicht vergessen. In Foyers, auch mal hier und dort lässt Soravia sie erzählen. Mit Exponaten aus der alten Zeit wie einem Kaffeeröster von 1969, der 4000 Kilo Kaffee pro Stunde rösten konnte. Oder durch eine mehr als 140 Jahre alte Verlesemaschine, mit der Wilhelm Schmitz-Scholl einst die Qualität seines Kaffees prüfen ließ, bevor er in die Verpackung gelangte. 1000 bis 1200 Menschen, die mittlerweile täglich das Areal beleben, stehen für das neue Kapitel Wirtschaftsgeschichte, das hier geschrieben werden soll.

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