Mülheim. Vor der Kommunalwahl 2025 ist Mülheims AfD am Boden. Vom Kreisvorstand ist kaum noch jemand da. Eine vorläufige Bilanz zur Selbstzerfleischung.
Noch jemand da? Seit fast zwei Jahren dauert der Selbstzerlegungsprozess der Mülheimer AfD nun schon an. Durch Rück- und Austritte ist der Kreisverbandsvorstand mittlerweile derart dezimiert, dass knapp ein Jahr vor der nächsten Kommunalwahl infrage steht, wie die Partei wieder auf die Beine kommen soll.
Die aktuelle Internetpräsenz des AfD-Kreisverbandes spricht Bände. Der aktuellste Beitrag datiert vom 17. Juni. Auf der Unterseite, auf der sich eigentlich der Vorstand präsentieren soll: gähnende Leere. Nicht ein einziges Vorstandmitglied ist hier aufgeführt. Angegebene Kontaktmöglichkeiten via Handy oder Festnetz: laufen ins Leere. Beziehungsweise auf einen Anrufbeantworter eines Vorstandsmitgliedes, das wie andere das Weite gesucht hat.
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Mülheims AfD-Vorsitzender tritt aus Partei aus und erhebt schwere Vorwürfe
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Schon Anfang September hatte der Kreisvorsitzende Alexander von Wrese nicht nur den Parteivorsitz niedergelegt, sondern gleich auch seinen Parteiaustritt erklärt. In einem knapp dreiminütigen Video erhob von Wrese schwere Vorwürfe gegen Landes- und Bezirksverband der AfD, sprach von einem Klima der Angst. Er beklagte eine Führung nach Gutsherrenart, die ihre ehrenamtlichen Mitglieder an der Basis gängele, bevormunde oder mit Parteiausschlussverfahren und anderen Ordnungsmaßnahmen drangsaliere. Es gehe führenden Kräften mehr um ihre „soziale Existenzsicherung“ denn um politische Themen.
Mächtigen Zoff hatte es schon Ende 2022 gegeben, als ein Trio aus der damals vierköpfigen AfD-Ratsfraktion mit einem Putsch von Wrese als Fraktionschef abgesetzt hatte. Auch Fraktionsgeschäftsführer Michael Schweer musste gehen, man traf sich unversöhnlich vor dem Arbeitsgericht wieder. Ein Jahr später setzte das Trio um den neuen AfD-Fraktionschef Dominic Fiedler noch einen drauf und schloss mit von Wrese ausgerechnet den örtlichen Parteichef aus der Fraktion aus.
Ausgetretener AfD-Vize: „Ich möchte mir diese Hexenjagd nicht mehr antun“
Von Wrese hatte noch vor nicht allzu langer Zeit mit voller Überzeugung kundgetan, den internen Machtkampf der Mülheimer AfD für sich und seine Getreuen entscheiden zu können. Das war im Mai dieses Jahres, nach den Vorstandswahlen im Kreisverband. Von Wrese wurde da mit über 80 Prozent der Stimmen als Kreisverbandsvorsitzender im Amt bestätigt, neben ihm rückte ausgerechnet auch der zuvor auch von der Fraktion abservierte Schweer als einer von zwei Stellvertretern in den Vorstand auf - es sollte ein Fingerzeig gegen die „Putschisten“ aus der Ratsfraktion sein. Es schien, als sei die aufmüpfige Ratsfraktion mit Fiedler, Karin Fiene und Tobias Laue isoliert und nicht mehr mit Aussicht, von der Partei noch einmal mit aussichtsreichen Plätzen auf der Ratsliste für die Kommunalwahl 2025 bedacht zu werden.
Es ist anders gekommen. Von Wrese hat aufgegeben, neben weiteren Parteiaustritten hat mittlerweile auch sein Vize Michael Schweer das Handtuch geworfen. Mitte September sei er aus der Partei ausgetreten, so Schweer. „Die Gründe sind weniger in der Partei zu suchen als in den Personen, die hier im Umfeld aktiv sind“, sagte er jetzt im Gespräch mit dieser Redaktion. Und: „Ich möchte mir diese Hexenjagd nicht mehr antun.“
Auch Mülheims AfD-Vize wirft hin: Es gehe nur um „Geld und Macht“
Immer wieder seien er und andere Mitstreiter in den vergangenen Monaten von höheren Parteigliederungen mit haltlosen Vorwürfen konfrontiert, es sei mit Parteiausschlussverfahren gedroht worden. Ihn und andere hätten, so Schweer, Vorwürfe erreicht, „die ich in fünf Minuten verbal zerreißen könnte“. Es seien dabei auch Behauptungen „zu Dingen aufgestellt worden, zu denen ich gar nichts weiß“. Jene Machenschaften des Bezirksverbandes würden „gedeckt bis hoch in den Landesverband“. Sieben Jahre sei er nun für die AfD aktiv gewesen, so Schweer, wohlgemerkt: ehrenamtlich. Jene „Hexenjagd“, in der es handelnden Personen „nur um Geld und Macht geht“, wolle er sich nicht länger antun.
Im AfD-Bezirksverband stellvertretender Vorsitzender: ausgerechnet Mülheims Fraktionschef Dominic Fiedler. Aus seiner Feder stammt ein „Anhörungsbogen“ mit geschwärzter Adresszeile, offensichtlich an ein Vorstandsmitglied der Mülheimer AfD adressiert. Das Schreiben liegt dieser Redaktion vor. Ausgerechnet Fiedler übernimmt hierin den Sachwalter mutmaßlich mehrerer Beschwerden über den Mülheimer Parteivorstand. Von Abmahnungen ist dort die Rede. Inhaltlich geht es um neun Vorwürfe: etwa um einen Streit über eine Telegram-Gruppe, angeblich vernachlässigtes Parteimanagement oder parteiinternen Ärger über die Einladung „einer Organisation mitsamt Gastredner, der aufgrund seiner Vergangenheit (...) zu einem massiven Schaden an der Reputation als AfD führen könnte“.
Letzter verbleibender Vorsitzender auf Tauchstation: Fiedler äußert sich in Partei-Nachrichten
Massiv Schaden genommen hat Mülheims AfD insbesondere durch die internen Machtkämpfe der vergangenen Jahre. Vom geschäftsführenden Vorstand, der laut Satzung befugt wäre, einen Parteitag mit Neuwahlen einzuberufen, ist nur noch der stellvertretende Vorsitzende Dominic Viertmann übrig. Seit dem 7. Oktober hat er eine Anfrage dieser Redaktion vorliegen, wie sich die AfD Mülheim neu aufzustellen gedenkt. Eine Reaktion Viertmanns blieb aus.
In einem Interview zum Rücktritt des AfD-Kreisvorsitzenden von Wrese mit den „Bezirks Nachrichten“ der Partei sieht AfD-Fraktionschef und Vize-Bezirksvorstand Fiedler allerdings keinen Grund zur Sorge um die Mülheimer AfD. Die anstehende Neuaufstellung sei „auch eine Chance für den Kreisverband. Jetzt liegt es an uns, in Mülheim unsere Basis wieder zum Mitwirken zu aktivieren“.
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