Mülheim. In einem bekannten Mülheimer Hochhaus übernachten immer mehr Kurzzeitgäste. Bewohner beklagen Lärm und Vandalismus. Andere finden‘s halb so wild.
In den vergangenen Monaten hat Bernd Koslowski sich zu oft geärgert. Ihm reicht‘s. Seit etwa 13 Jahren lebt er im Forum Tower am Hans-Böckler-Platz 1 in Mülheim, wo ihm eine der insgesamt 242 Wohnungen gehört. Lange sei alles „super“ gewesen, sagt er.
Das ehemalige Iduna-Hochhaus, 1972 eröffnet und als wegweisend modern beworben, liegt absolut zentral, über dem Forum. Geschäfte des täglichen Bedarfs könnten kaum näher sein. Viele Menschen, die über 22 Etagen verteilt leben, schätzen die gute Nahversorgung, genießen die großartige Aussicht, loben die angenehme Nachbarschaft. Bis vor Kurzem sah Bernd Koslowski das genauso.
Mülheimer beklagt sich über Vorfälle im Forum Tower
Die Hausgemeinschaft sei intakt gewesen, sagt der Wohnungseigentümer. Eine alte Dame hebt er besonders hervor, sie sei die „gute Seele“ des Forum Towers gewesen. Als sie hochbetagt starb, kaufte eine Firma die leerstehende Wohnung auf. Das Unternehmen bietet Ferien- und Monteurwohnungen an. Statt altbekannter Nachbarn begegne er jetzt fremden Gästen im Flur, sagt Koslowski. Doch das sei noch nicht alles.
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Er zeigt Handyvideos, die er aufgenommen hat, teils zu nachtschlafender Stunde. 3. August 2024: In der Wohnung gegenüber läuft laute Musik. Auf sein energisches Klingeln hin öffnet eine Frau und sagt, es sei ihre Geburtstagsparty. Dafür habe sie die Wohnung gemietet, die „Hausmeister“ wüssten Bescheid. „Aber gucken Sie mal“, sagt Koslowski im Video, „die Nachbarn über Ihnen klopfen!“
Fußboden im Flur voller Ketchupflecken: Streit eskalierte
Auf anderen Videos wanken Männer in kurzen Hosen über den Flur. Einer reckt einen Stinkefinger in Richtung Kamera. Es sind Arbeiter oder Handwerker auf Montage, die dort im Sommer einquartiert waren. Einiges sei dabei kaputt gegangen, sagt Koslowski. Er lädt ein in das Hochhaus, auf seine Etage.
Wer den Aufzug verlässt, auf die Glastür zuläuft, sieht große Flecken und Kleckse. Bräunlich beschmutzt und verschmiert ist der blaugraue Teppichboden. Blut? „Ketchup“, erklärt Koslowsi. Ein Streit in einer Nachbarwohnung sei eskaliert. Ein Lampenschirm steht auf dem Boden. Bilder sind von der Wand gefallen. Das hätten die Betrunkenen angerichtet, sagt Koslowski. Ein junger Nachbar erscheint, der auf dem selben Flur wohnt. Er erinnert sich noch gut an die Ketchup-Attacke und an die nächtliche Fete. „Es war laut“, bestätigt er.
Viele Appartements sind kurzzeitvermietet, etwa über Airbnb
An etlichen Türrahmen im Forum Tower hängen Schlüsselboxen, die man mit einem Zahlencode öffnet. Typisch für Appartements, die Menschen nur kurzzeitig mieten, etwa über Airbnb. Das Innenleben des 81 Meter hohen Hauses ist zunehmend anonym. Schon die großflächige Klingelanlage am Eingang: Jeweils elf Schilder gibt es dort für jede der 22 Etagen. Etliche tragen keinen Familiennamen mehr. Nur Appartmentnummern.
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Viele Fäden laufen im Forum Tower bei Axel Schulze zusammen, dem Vorsitzenden des Eigentümerbeirates. Er lebt selber im Haus und besitzt nach eigenen Angaben acht weitere Wohnungen, die er über die Plattform Airbnb gewerbsmäßig an Kurzzeitgäste vermietet. Darunter ein Ein-Personen-Appartement im 21. Stock - „mit einem unvergesslichen Ausblick“, wie es im Inserat vielversprechend heißt.
Gastgeber: Je zur Hälfte Feriengäste und Geschäftsreisende
Laut Airbnb ist Schulze seit elf Jahren als Gastgeber registriert. Er selber und seine Wohnungen bekommen im Schnitt gute Bewertungen: 4,6 oder 4,7 von fünf Sternen. Je zur Hälfte kämen Feriengäste und Geschäftsreisende, sagt Schulze. Die Leute verhielten sich in der Regel ruhig. „Ich habe fast nie Probleme mit meinen Mietern.“ Schulze ist auch Eigentümer des Appartements im sechsten Stock, von dem der Ketchup-Vorfall ausging. Dies habe jedoch mit Kurzzeitvermietung nichts zu tun, sagt er, die Wohnung sei regulär vermietet. Es handele sich um „Sachbeschädigung nach einem Beziehungsstreit“.
Einige weitere Problemfälle im Hochhaus erwähnt er, etwa in der 15. Etage. „Da haben alkoholisierte Besucher einer Mieterin auf dem Flur Randale gemacht. Die Bewohner dort fühlen sich überhaupt nicht mehr wohl.“ Der Mieterin sei inzwischen gekündigt worden, wegen ihrer Schwerbehinderung bekomme man sie aber nicht so einfach aus dem Haus.
Großeigentümer vermietet 43 Wohnungen im Forum Tower
Wie viele Eigentümer hinter den 242 Wohnungen im Forum Tower stecken, sei ihm nicht bekannt, ergänzt der Beiratsvorsitzende - „weil es auch Großeigentümer gibt“. Dazu gehört die Felde & Felde SLP GmbH, die ihren Sitz am Hans-Böckler-Platz 3 hat. Die Firma vermietet Ferien- und Monteurwohnungen in zahlreichen NRW-Städten - laut eigener Website mehr als 150 Wohnungen.
Im Forum Tower betreue man insgesamt 43 Wohnungen, teilen Felde & Felde auf Anfrage mit. Der Großteil sei dauerhaft vermietet, zwölf würden zur Kurzzeitvermietung angeboten, davon vier Monteur- und acht Ferienwohnungen. Bei Problemen sei man rund um die Uhr erreichbar, es gebe auch Ansprechpartner, die im Haus wohnen, sie könnten „bei jeder Gelegenheit kurzfristig reagieren“, heißt es weiter.
„Monteure sind meist nur zum Schlafen da“
Selbstverständlich seien schon Beschwerden über Ruhestörungen oder andere Vorfälle eingegangen. „Diese bezogen sich jedoch zu 98 Prozent auf Dauermieter und hatten nur sehr selten etwas mit der Kurzzeitvermietung zu tun. Die Monteure sind meist nur zum Schlafen in den Wohnungen und werden kaum zur Kenntnis genommen.“
Die Ferienwohnungen würden häufig von Personen gebucht, die in der Nähe etwa Familienfeste oder ärztliche Termine hätten, eine Messe oder ein Event besuchen möchten. „Die Wohnungen werden nicht für Feiern vermietet“, ergänzt die Firma. Bei Verstößen gegen die Hausordnung reagiere man sehr schnell.
Bei der Stadt Mülheim beschwert - Verstöße gegen das Meldegesetz?
Bernd Koslowski reicht das nicht. Er hat sich schriftlich bei mehreren Stellen der Stadt Mülheim beschwert. Er prangert etwa Verstöße gegen das Meldegesetz an, er behauptet, niemand kontrolliere, wie viele Personen in den Airbnbs unterkommen. Beim Ordnungsamt zeigte er Anfang Juli Ruhestörungen an. Im Antwortschreiben rät man ihm, „zu allererst das Gespräch mit dem Nachbarn zu suchen“, in akuten Fällen die Polizei zu rufen.
Zur generellen Kontrolle von Airbnbs teilt die Stadt Mülheim auf Anfrage mit: „Bei Kurzzeitvermietungen kann und darf die Wohnungsaufsicht nicht tätig werden.“ Denn auch hier sei es erlaubt, etwa bei Familienbesuch, mehr Bewohner zu beherbergen. „Überbelegung“ liege per Gesetz erst dann vor, wenn pro Person weniger als zehn Quadratmeter der Gesamtwohnfläche zur Verfügung stehen.
Kurzzeitvermietung: Gekündigt und innerhalb einer Woche weg
Während Bernd Koslowski mit den Veränderungen im Forum Tower hadert, fällt Axel Schulze, Airbnb-Gastgeber, auch ein Vorteil von Kurzzeitvermietungen ein. Er kommt auf die betrunkenen Monteure zurück. Dort habe der Vermieter sofort reagiert: „Die haben die Kündigung bekommen und waren innerhalb einer Woche weg.“ Man könne vieles klären, wenn man miteinander rede, auch im Forum Tower. Unterm Strich kämen aus der Nachbarschaft fast nie Beschwerden. Nur Herr Koslowski mache „alle rebellisch“.
Doch ein anderer langjähriger Bewohner des Forum Towers, der seinen Namen nicht veröffentlicht sehen möchte, bestätigt die Schilderungen von Bernd Koslowski. Auch er berichtet im Gespräch mit dieser Redaktion von nächtlichen Ruhestörungen durch Kurzzeitgäste. Zwei Airbnbs grenzten direkt an seinen Balkon. Sein Eindruck: Der Eigentümerbeirat kümmere sich zu wenig darum, dass die Hausordnung eingehalten wird. Er selber habe schon mehrfach die Polizei alarmiert: „Das ist das Einzige, was wirklich hilft.“
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