Mülheim. Ein Parkplatz-Kassenhaus in Mülheims Innenstadt ist im Fokus eines Gerichtsprozesses: Rentner sollen sich hier auf dreiste Art bereichert haben.
Eine Gruppe von Rentnern, der jüngste 63, der älteste 84 Jahre alt, beschäftigt aktuell das Amtsgericht. Der Tatort: das Kassenhäuschen auf dem Parkplatz an der Delle in der Innenstadt. Viele Mülheimer kennen es als Kunden. Was wohl die wenigsten wussten: Dort sollen Parkwächter ein betrügerisches System entwickelt haben, das ihnen jahrelang sprudelnde Einnahmen beschert haben soll.
Angeklagt sind nun zwei der zahlreichen Männer, die offenbar bei diesen Betrügereien mitgemischt haben: ein Mülheimer (70) und ein Oberhausener (63). Die Tatvorwürfe lauten auf Erpressung, Nötigung, Urkundenfälschung, gewerbsmäßigen Betrug und Veruntreuung. Der in Rede stehende Tatzeitraum: Dezember 2017 bis Oktober 2020. Der Schaden des Parkplatzbesitzers beträgt laut Staatsanwaltschaft mindestens 64.000 Euro.
Mittels gefälschter Parkscheine sollen sich die Mülheimer Minijobber den Zugewinn verschafft haben
Folgendes hat sich laut Anklage auf dem Schotterplatz ereignet, auf dem die Wärter auch gern mal ein Schwätzchen mit den Kunden hielten: Schon vor 2017 waren Mitarbeiter der Betreibergesellschaft offenbar auf die Idee gekommen, dass man mittels Kopierer Fälschungen der Parkscheine herstellen kann, die den echten Parkscheinen täuschend ähnlich sehen. Schnell hätten einige der Senioren, die überwiegend Minijobs nachgingen, die Erfahrung gemacht, dass sich prima in die eigene Tasche wirtschaften lässt, wenn man einem Teil der Parkplatzbenutzer nicht die echten Tickets ihres Chefs, sondern die eigenen gefälschten aushändigt - und die Einnahmen aus diesen Parkvorgängen einfach für sich behält.
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In der kleinen Szene der Parkplatzwächter liefen die gefälschten Tickets unter der Bezeichnung „Strichzettel“. Hauptmatador der Rentnergemeinschaft war gemäß Anklage der 63-Jährige, der als eine Art Vorarbeiter fungierte. Während die Mehrzahl der Angestellten „nur“ auf die beschriebene Art und Weise abkassierten, hat er sich offenbar eine weitere Einnahme verschafft, in dem er eifrig am Kopierer die Fälschungen herstellte und diese an die Kollegen verkaufte. Fünf Euro war der Preis für einen Papierbogen voller Tickets. Wenn er die „Strichzettel“ auch noch aus den Bögen herausschnippelte, nahm er dafür zehn Euro. Vor Gericht sprach er von „einer Art Aufwandsentschädigung“.
Die alte Hasen weihten neue Parkplatz-Aufseher offenbar sofort in das krumme Geschäft ein
Das Geschäft florierte offenbar. Und wenn neue Parkplatz-Aufseher mit dem Job begannen, sollen sie von den alten Hasen sofort in die Zugewinnmöglichkeit eingeweiht worden sein. Einige lehnten eine Einstellung mit dem Hinweis „das ist mir zu heiß, da mach‘ ich nicht mit“ ab. Die meisten Bewerber aber, so ein Zeuge, seien vorbehaltlos in das kriminelle Geschäft eingestiegen.
Die Gelder, die über die offiziellen Tickets eingenommen wurden, händigte man samstags einer Angehörigen der Betreiberfamilie aus - von den florierenden Zusatzeinnahmen der Angestellten ahnte diese nichts. Die Sache flog erst auf, als der Vorarbeiter an einem Tag in Rage zum Hausmeister der Parkplatzbetreiber gesagt haben soll: „Ich bescheiße die sowieso.“ Dies meldete der Hausmeister den Vorgesetzten - eine Untersuchung lief an, das System war am Ende.
Zwei der Parkplatzwächter sind angeklagt - etliche andere traten jetzt als Zeugen auf
Obwohl nach Aussagen der Beteiligten bis auf einen Parkplatzwächter alle bei den jahrelangen Betrügereien mitgemischt haben, sitzen nur zwei von ihnen auf der Anklagebank. Vier andere, unter anderem der 84-Jährige, waren lediglich als Zeugen geladen. Die Männer erzählten unumwunden und offenbar ohne großes Unrechtsbewusstsein, wie sie das Geld, das eigentlich ihr Chef hätte bekommen müssen, in die eigene Tasche umleiteten.
Trotz stundenlanger Hauptverhandlung kam es noch nicht zur Verurteilung, im November soll weiterverhandelt werden. Einige Anklagepunkte - darunter der Vorwurf, die beiden Angeklagten hätten andere Wächter im Wege der Erpressung zum Mitmachen gezwungen - wurden durch die Zeugen bis jetzt noch nicht zweifelsfrei bestätigt.
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