Mülheim. Der Mülheimer Politiker Alexander von Wrese verlässt die AfD. Er erhebt schwere Vorwürfe, spricht von einem Klima der Angst. Wie es nun weitergeht.

„Liebe Wählerinnen und Wähler“, richtet Alexander von Wrese (45) mit festem Blick das Wort in die Kamera. In einem knapp dreiminütigen Video verkündet der Kreisvorsitzende der Mülheimer AfD seinen Austritt aus der Partei und übt harte Kritik, vor allem am AfD-Landesverband Nordrhein-Westfalen und am AfD-Bezirksvorstand Düsseldorf. Wie es scheint, ist das nur die Spitze des Eisbergs. Neben von Wrese sind mindestens zehn weitere Parteimitglieder aus dem Kreisverband ausgetreten, heißt es aus informierten Kreisen. Die Fronten zwischen Kreis-, Bezirks- und Landesverband sind offenbar mehr als nur verhärtet.

„Ich bin 2017 in die AfD eingetreten, weil ich der festen Überzeugung war, dass wir eine Reformpartei, eine Reformbewegung brauchen, die die dringenden Probleme in unserem Land anpackt und löst.“ Nun, sieben Jahre später, ist Schluss. Wieso? Die Begründung von Wreses fußt auf schweren Vorwürfen. So spricht er von einer diktatorischen Führung mit „einer Gutsherrenart“, die ihre ehrenamtlichen Mitglieder an der Basis gängele, bevormunde oder mit Parteiausschlussverfahren und anderen Ordnungsmaßnahmen drangsaliere.

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Mülheimer Politiker und Ex-AfD-Mitglied spricht von Klima der Angst

Konkreter möchte er nicht werden, auch, um sich juristisch nicht zu belasten. Der 45-Jährige spricht aber von einem Klima der Angst und einer Maulkorb-Mentalität, die dem Wahlerfolg in Ostdeutschland diametral gegenüber stehe. So würden Parteiausschlussverfahren als bewusstes Mittel genutzt, um Stimmrechte zu entziehen - „und das ohne schiedsgerichtlichen Beschluss, ein Riesen-Manko in der Satzung.“

Der AfD-Landesverband erklärt auf Nachfrage, vorab nicht über von Wreses Austritt informiert worden zu sein. Ein internes Parteiausschlussverfahren habe es gegen ihn nicht gegeben. „Aus Herrn von Wrese spricht die Enttäuschung über sein Scheitern, dies wird in seiner haltlosen Kritik deutlich. Er hatte zuvor mehrfach vergeblich versucht, für höhere Mandate auf verschiedensten Ebenen zu kandidieren. Die AfD ist auch nicht die erste Partei, in der er dies versuchte und hinterher enttäuscht austrat“, so AfD-Pressesprecher Kris Schnappertz. „Wir fordern Herrn von Wrese auf, sein Stadtratsmandat, welches er durch die AfD gewonnen hat, niederzulegen.“

Was passiert mit dem Mülheimer Ratsmandat von Wreses?

Diese Vorwürfe weist Alexander von Wrese zurück. „Ich habe 2021 zuletzt kandidiert. Ich denke, das sagt alles.“ Sein Mandat im Stadtrat wolle der 45-Jährige behalten, „selbstverständlich“, sagt er entschieden. Dominic Fiedler, Vorsitzender der AfD-Ratsfraktion, ist vom Ausstieg überrascht, „damit habe ich nicht gerechnet.“ Einen Verbleib von Wreses im Stadtrat sieht er durchaus kritisch. „Das muss er mit sich und seinem Gewissen ausmachen. Gewählt worden ist er damals aber als AfD-Mitglied.“

Dominic Fiedler, Vorsitzender der AfD-Ratsfraktion.

„„Das muss er mit sich und seinem Gewissen ausmachen. Gewählt worden ist er damals aber als AfD-Mitglied.““

Dominic Fiedler

Ob von Wrese nun parteilos, in einer bestehenden Partei oder in einem neuen Zusammenschluss im Stadtrat bleibt, lässt der Jurist offen. „Es laufen Gespräche in mehrere Richtungen.“ Zur Erinnerung: In der Vergangenheit hatte Alexander von Wrese bereits andere Parteiämter inne, so war er von 2006 bis 2007 Bundesvorsitzender der Jungen Arbeitnehmerschaft in der CDU (Mitgliedschaft von 2002 bis 2012) und fungierte anschließend als Bundesvorstand bei der CDA. Anschließend schloss sich von Wrese für ein Jahr der FDP an, als „passives Mitglied“, wie er sagt, ehe er zur AfD wechselte.

Mülheimer AfD-Kreisverband: mehr als zehn Mitglieder sind gegangen

Nun ist auch dort Schluss. Der Weggang des Kreisvorsitzenden scheint in Verbindung zu weiteren Austritten zu stehen. Wie es aus dem Inneren des Kreisverbandes heißt, seien mehr als zehn Mitglieder in den vergangenen drei Tagen ausgetreten, darunter auch drei Vorstandmitglieder. „Das hat es noch nie gegeben“, sagt Michael Schweer. Er ist stellvertretender Kreisverbandsvorsitzender. Seine Schilderungen lassen durchscheinen, dass es zwischen Kreis-, Bezirks- und Landesverband rumort und es nur noch eine Frage der Zeit sei, bis es weitere Austritte geben wird.

Die AfD-Ratsfraktion bei der Ratssitzung Mitte Dezember 2023. In dieser Konstellation wird es das nicht mehr geben.
Die AfD-Ratsfraktion bei der Ratssitzung Mitte Dezember 2023. In dieser Konstellation wird es das nicht mehr geben. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Was aber bedeutet das für die AfD in Mülheim? „Das wird sich noch zeigen“, sagt der Fraktionsvorsitzende Fiedler. Im Zweifel müsse es eine Nachwahl für den Kreisverband geben. „Aber noch ist alles sehr frisch.“ Alexander von Wrese spricht indes von ersten „Hahnenkämpfen“, die sich um seinen ehemaligen Posten herum entwickelten. „Hier in NRW geht es aber schon lange nicht mehr um Leistung. Da werden in Duisburger Hinterzimmern am Reißbrett die Kandidaten für die Landesliste nach Gehorsam ausgewählt, wie Marionetten.“

Demnach sei seine Entscheidung kein Schnellschuss. „Mein Unmut ist über Monate gewachsen, die Entscheidung war längst überfällig.“ Er plane, auch weiterhin politisch aktiv zu bleiben, „nur, die Energie ist besser kanalisiert, außerhalb des Landesverbandes der AfD NRW als innerhalb“.

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