Mülheim. Der Angriff auf einen Mülheimer Schüler hat eine politische Debatte ausgelöst. Laut Polizei gibt es immer mehr Fälle von Jugendkriminalität.
Anfang Mai ist ein zwölfjähriger Schüler der Karl-Ziegler-Schule auf dem Nachhauseweg von einer Gruppe von vier Jugendlichen im Alter zwischen elf und 14 Jahren angegriffen worden. In einer Bahn der Linie 102 forderten die Tatverdächtigen den Zwölfjährigen zunächst auf, eine Tüte Chips herauszugeben. Weil er dieser Forderung nicht sofort nachkam, setzte es für den Jungen noch in der Bahn Schläge. Was damals noch keiner wusste: Der Angriff sollte hohe Wellen schlagen. Er ist nur einer von zahlreichen vergleichbaren Fällen, Tendenz steigend.
Als der Zwölfjährige die Bahn schließlich verließ, stieg die gewaltbereite Gruppe von Kindern und Jugendlichen ebenfalls aus und trat und schlug noch gemeinschaftlich auf den Schüler ein, als er schon am Boden lag. Auch Tritte gegen den Kopf gab es, so die Schilderungen. Die Truppe bot dem Jungen an, dass sein Martyrium gegen Geld enden könnte. Erst als ein Lieferwagen hielt und der Fahrer einschritt, endete die Attacke. Erhebliche Prellungen und Verstauchungen am ganzen Körper und ein vorübergehender Hörschaden waren laut Berichten des Betroffenen und seiner Mutter die Folge. Strafanzeige wurde erstattet, allerdings ist ein Teil der Tatverdächtigen noch nicht einmal strafmündig.
Gewaltkriminalität unter jugendlichen Mülheimern um 21 Prozent gestiegen
Der Vorfall setzte dem Jungen und seiner Mutter so sehr zu, dass sie sich nun an den Mülheimer SPD-Landtagsabgeordneten Rodion Bakum wandten, der zusammen mit seiner Landtagskollegin Elisabeth Müller-Witt eine Kleine Anfrage an Innenminister Herbert Reul leitete, um zu klären, welche Hilfe der Familie und auch allgemein den Opfern von Angriffen im schulischen Kontext geboten wird.
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Rodion Bakum erklärt: „Die zunehmende Kinder- und Jugendkriminalität bereitet uns allen große Sorgen. Im Zehn-Jahres-Vergleich ist die Gewaltkriminalität um 21 Prozent gestiegen, auch hier in Mülheim kennen wir zahlreiche Fälle. Der Sheriff-Stern von Innenminister Reul hat Rost angesetzt.“ Auch der Stadtverwaltung Mülheim und deren Jugenddezernenten sei die Jugendkriminalität entglitten, klagt der Abgeordnete. Er sieht die Notwendigkeit einer Task-Force, die sich in der Stadt, aber auch im Land des Problems annimmt.
Nach Schlägerei: Mülheimer Schule steht mit Mutter im Austausch
Nach Auskunft des Innenministers, der die Anfrage der SPD-Abgeordneten jetzt beantwortete, erhielt die Schule des Jungen durch die Unfallanzeige, die die Mutter des Tatopfers dort einreichte, Kenntnis. Die Schule stünde mit der Mutter im Kontakt und es würden – wie es im Beamtendeutsch hieß – auch „externe Systeme“ bei den Gesprächen hinzugezogen.
Losgelöst von diesem Fall erklärte Herbert Reul, dass sich die Stärkung der Schulwegsicherheit des Landes zwar primär auf Verkehrssicherheit konzentriere, allerdings erziele die hierbei gezeigte Polizeipräsenz auch eine positive Wirkung auf potenzielle Gewalttäter. Wenn sich Deliktbrennpunkte herauskristallisierten, würden entsprechende Orte verstärkt von Polizeistreifen aufgesucht. Komme es doch zu Übergriffen, hätten die Opfer die Möglichkeit, die Hilfe der Opferschutzbeauftragten der Polizei in Anspruch zu nehmen, die die Betroffenen über Verfahrensfortschritte und Opferrechte informieren, die aber auch weiterführende Hilfe, etwa psychologischen Beistand, vermitteln. 300 Familienberatungsstellen in NRW bieten Hilfen zur akuten und langfristigen Bewältigung von Krisensituationen.
Junge Schläger in Mülheim: Jeder sechste davon war 13 Jahre alt oder jünger
Das Thema Jugendkriminalität – und hier insbesondere die Gewaltkriminalität – spielt nicht nur bundesweit, sondern speziell auch in Mülheim eine große Rolle. Kinder, Jugendliche und Heranwachsende waren in dieser Stadt schon 2021 als Tatverdächtige bei Gewaltdelikten mit knapp 28 Prozent in Bezug auf ihren Bevölkerungsanteil deutlich überrepräsentiert, wie die polizeiliche Kriminalstatistik belegt. Mittlerweile liegt der Anteil bei Schlägern im Kindes- und Jugendalter demnach schon bei fast 35 Prozent. Jeder sechste davon war laut Statistik sogar nur 13 Jahre alt oder jünger.
Wie weit die Gewaltbereitschaft unter Kindern und Jugendlichen geht, hat etwa ein Fall im letzten Oktober gezeigt, bei dem ein 17-Jähriger an der Karlsruher Straße mit zwei anderen Jugendlichen in einen Streit geriet und mit einem Messer lebensgefährlich verletzt wurde. Noch schlimmer endete ein gewalttätiger Angriff in Oberhausen, bei dem im Februar zwei ukrainische Jugendliche von vier Tatverdächtigen niedergestochen wurden. Die beiden jungen Opfer erlagen ihren schweren Verletzungen. Dieser Fall eines gemeinschaftlichen Mordes wird derzeit vor dem Landgericht Essen verhandelt. Die Tatverdächtigen: Gerade einmal zwischen 14 und 16 Jahren alt.
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