Mülheim. Ratten sind jetzt also auch im schönen Selbeck: Offenbar kämpft man schon seit Monaten gegen die Population. Warum Mülheim nur hinterherhinkt.
Ratten leben am liebsten im dunklen Kanalsystem, sind schmutzig und fressen unsere Abfälle. Von wegen. „Sie sind sehr schlau“, klärt Andreas Preußner, Betriebsleiter des Mülheimer Stadtentwässerungsbetriebs SEM, auf - deshalb lieben sie sonnige Wiesen, schattige Rückzugsorte und frisches Essen. „Im Grunde wie wir Menschen auch“, meint Preußner - mit einem Augenzwinkern.
Kein Wunder also, dass Ratten - oberirdisch - in Bildungseinrichtungen, in Siedlungen und Geschäften die Mülheimer und die Stadt in diesem Jahr besonders beschäftigen. Nach massiven Vorfällen in Styrum und Saarn meldet nun auch das beschauliche Selbeck einen „erhöhten Befall im öffentlichen Raum“. Doch wie geht man den intelligenten Nagern auf den Grund?
Ratten in Mülheim: Verdrängt sie der viele Regen aus dem Kanal an die Oberfläche?
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Das wollte Susanne Dodd, SPD-Fraktionssprecherin in der Bezirksvertretung 3, von der Verwaltung wissen. Denn der Selbecker Bürgerverein hatte sie und die Stadt schon vor einiger Zeit auf steigende Populationen unter anderem im Umfeld der Kirche aufmerksam gemacht.
Den Ursprung vermutet Tobias Kmiecik vom Selbecker Bürgerverein jedoch an der Kölner Straße. Dort habe eine Eigentümerin gemeldet, dass sie inzwischen permanent einen Kammerjäger engagiert hat, um der Lage Herr werden zu können. Hat die Stadt, hat der SEM etwa die Beköderung ‚schleifen‘ lassen?, so die Gerüchteküche in der Bürgerschaft.
Die zweite Vermutung ist die: „Der viele Regen hat wohl die Tiere aus ihren Habitaten in der Kanalisation herausgetrieben“, mutmaßt Dodd. Deshalb sollen sie an die Oberfläche gekommen sein. Und das nicht erst seit gestern: Bereits Mitte März schritt die Mülheimer Stadtentwässerung zur Tat, um die Kanalisation auf der Kölner Straße zwischen Stockweg und Markscheiderhof zu kontrollieren und zu beködern.
Helfen die Maßnahmen? Lage in Mülheim-Selbeck noch nicht geklärt
Doch das reichte nicht aus, wie man einen Monat später feststellte. Denn auch an der Karl-Forst-Straße und der Kastanienallee tauchten Ratten auf. Die Stadt erweiterte das Beköderungsgebiet. Nur um Mitte Mai erkennen zu müssen: Die Tiere tauchten ebenfalls tiefer in der Siedlung, an der Kirchwiese, in Büschen und am Container an der Glück-auf-Straße auf. Auch hier rückte die Stadt mit Köderboxen nach.
Doch eine Entwarnung will der Bürgerverein noch nicht aussprechen - „bisher habe ich noch nicht gehört, dass sich die Situation gebessert hat“, meint Kmiecik. Für eine Verschlechterung gibt es aber ebenso wenig Anzeichen. Bislang. Der Kommunale Ordnungsdienst wolle die Umsetzung der Maßnahmen und ihre Wirksamkeit kontrollieren, versprach die Verwaltung in der Bezirksvertretung.
SEM-Betriebsleiter: „Der Kanal ist nur die Autobahn für Ratten“
Die Entwicklung in Selbeck, aber auch in Saarn und Styrum ist aus Sicht des SEM-Betriebsleiters nicht untypisch: „Denn eigentlich halten sich Ratten viel lieber oberirdisch auf, wenn sie Büsche, Bodendecker oder Keller als Rückzugsräume haben und an Containern, im Obst- und Gemüsegarten, im falsch gelagerten Kompost, an Vogelfutterstellen genügend Nahrung finden“, sagt Andreas Preußner.
Oft sei es deshalb umgekehrt: Ratten zögen sich, wenn sie müssen, von der Oberfläche zurück in den Kanal. Denn auch sie würden nicht gerne nass. Und bevorzugten frische Essensreste gegenüber dem, was sie in der Kanalisation aus Mülheimer Toiletten landet. „Die Mülheimer Kanalsysteme sind deshalb eher vergleichbar mit einer Autobahn für Ratten“, meint Preußner. So kämen sie schnell von einer Ecke zur anderen. Doch selbst Ratten leben nicht ständig auf der Überholspur.
Warum nicht ständig Köder in der Kanalisation hängen
Seit gut 60 Jahren werden die Tiere flächendeckend im Mülheimer Kanalsystem bekämpft. Allerdings nicht kompromisslos. Spätestens seit Rodentizide - also Rattengift - im Wasser nachgewiesen werden konnten, gelten Beschränkungen. Alle zwei Wochen müssen die Köder, die meist an einem Draht im Schacht herabhängen, kontrolliert werden.
Dort, wo Ratten sie nicht anknabbern, müssen sie entfernt werden. Denn stiege das Wasser im Kanal, könnte es in Kontakt mit dem Gift kommen. Ohne sichtbare Not also keine Köder. Erst wenn Ratten erneut gesichtet werden, hängen die Drähte auch wieder.
Smarte Köderboxen: Eine Lösung, aber teuer
Etwas anders sei es bei Köderboxen, erläutert Preußner. Denn die verschließen sich bei Kontakt mit Wasser. Zudem haben sie einen Sender, der mitteilt, ob die Köderbox Besuch hatte. „Wie viele Ratten drin von dem Gift gefressen haben, können wir allerdings nicht sagen“, so der SEM-Betriebsleiter. Denn es könnte auch mehrfach dieselbe Ratte vorbeischauen.
Doch die smarten Giftfallen sind teuer. Nur 70 sind derzeit an ausgewählten Schwerpunkten im Einsatz, 30 weitere gekauft. Ob es darüber hinaus noch welche geben wird, ist auch eine Frage der Stadtfinanzen. Ob unsichtbar im Kanal oder oberirdisch sichtbar, ist Preußner jedoch bewusst: „Ratten gab es immer.“
So werden sich die Mülheimer vermutlich auch in Zukunft und in bestimmten Grenzen mit den schlauen Nagern abfinden müssen. Wer aber Ratten im öffentlichen Raum sichtet, sollte sie der Stadt oder dem SEM melden. Zum Beispiel online unter www.muelheim-ruhr.de/cms/thema_ratten1.html
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