Mülheim. Eigentlich sollten die Michels keine Kinder bekommen können. Das aber passte nicht in ihren Lebensplan. Wie sie trotzdem zur Großfamilie wurden.
Es gab eine Zeit im Leben von Kira und Daniel Michels, da musste das Ehepaar davon ausgehen, kinderlos zu bleiben. „Auf natürlichem Wege würde es wohl nicht klappen, haben die Ärzte gesagt“, erinnert sich Kira Michels (34). Auch eine kräftezehrende Kinderwunschbehandlung brachte nicht das ersehnte Familienglück.
Etwa zehn Jahre ist das nun her. Heute haben die Michels ein turbulentes Familienleben mit vier Kindern und vier Hunden und wer an ihrem Küchentisch Platz nimmt, hat das Gefühl, dass das kleine Zechenhaus in der Mausegatt-Siedlung in Heißen bis zum Dach mit Liebe gefüllt ist.
Als Erster kam Fynn in die Mülheimer Familie
Wie es zur Großfamilie kam? Die Michels sind Pflegeeltern für Kinder, die dauerhaft, also bis zu ihrem 18. Geburtstag in einer Familie aufwachsen. Den Anfang machte im Jahr 2016 der damals sieben Monate alte Fynn. Die Michels hatten zuvor ein Bewerbungsverfahren als Pflegeeltern durchlaufen, mehrere Gespräche mit dem Jugendamt sowie Abendtermine zu pädagogischen Fragen absolviert und hatten einen Lebensbericht über ihre eigene Kindheit, die Partnerschaft und ihren Kinderwunsch verfasst. „Dann bekommt man einen Kindervorschlag und lernt das Kind kennen. Wobei ich mir nie vorstellen konnte, nein zu einem Kind zu sagen“, erinnert sich Kira Michels.
Fynn lebte zu dem Zeitpunkt bei einer Bereitschaftspflegefamilie. Über seine Herkunftsfamilie wissen die Michels wenig. Inzwischen ist er acht Jahre alt und ein Adoptionsverfahren läuft. Etwas mehr als ein Jahr später geschah dann ein kleines Wunder. Kira Michels wurde doch noch schwanger und brachte einen gesunden Sohn zur Welt. Colin ist heute sechs Jahre alt. „Aber die Schwangerschaft war schwer, ich war viel im Krankenhaus.“
Drei Kinder waren der Plan - dann wurden es vier
Ein drittes Kind war immer ihr Wunsch, aber auch da war sich das Paar einig: „Wir geben einem weiteren Pflegekind ein Zuhause.“ So kam Silvan in die Familie, der heute zwei Jahre alt ist. Eigentlich war damit die Familienplanung abgeschlossen. Doch als die Michels erfuhren, dass Silvans Mutter erneut ein Kind bekommen hat, konnten sie einfach nicht ablehnen. „Silvan hätte uns sicherlich irgendwann gefragt, warum wir seine Schwester nicht aufgenommen haben“, sagt Kira Michels, während die kleine Lia auf ihrem Arm an den Händchen lutscht und immer wieder ihr erstes Wort zum Besten gibt: „Mama.“ Sie wird in wenigen Tagen ein Jahr alt und kam im Januar in die Familie.
„Aber der Sprung war nicht ohne. Mit vier Kindern fällt man wirklich aus jedem Raster raus“, sagt Daniel Michels (38) lachend. Unter anderem hat er das Wohnmobil der Familie umgerüstet und einen sechsten Platz mit Anschnallgurt installiert und durch den Tüv gebracht.
Nur ein Kind hat Kontakt zu seiner Herkunftsfamilie
Silvan ist das einzige Pflegekind, das Kontakt zu seiner Herkunftsfamilie hat. Sein Vater besucht ihn alle sechs Wochen unter Aufsicht. Kira Michels sagt, dass sie relativ wenig über die Herkunft ihrer Kinder nachdenkt. „Ich empfinde auch keinen Unterschied zwischen leiblichem und Pflegekind. Das fühlt sich nicht anders an.“
Sie würde sich wünschen, dass sich viel mehr Familien trauen, ein Kind aufzunehmen. „Viele glauben, dass das Kind jederzeit wieder aus der Familie genommen werden kann, aber das ist so nicht. Das Sorgerecht liegt nicht mehr bei den leiblichen Eltern.“ Die Kinder bekommen jeweils einen amtlichen Vormund, der in regelmäßigen Abständen nach dem Kind sieht. Nach einer gewissen Zeit sei es üblich, dass die Vormundschaft auf die Pflegeeltern übertragen werde.
Auch die vier Hunde sind Findelkinder
Kira Michels sieht einen weiteren Vorteil als Pflegemutter. Das monatliche Pflegegeld ermögliche ihr, länger zu Hause bei den Kindern zu bleiben. „Ich genieße es, dass ich mich voll und ganz den Kindern widmen kann.“ Ehrenamtlich leitet sie eine Spielgruppe in der Erlöserkirche. Ihr Mann ist beruflich flexibel, hinzu kommt ein festes Netzwerk in der Familie und die enge Nachbarschaft in der Mausegatt-Siedlung. Aufwachsen wie in Bullerbü - hier scheint das möglich.
Und was ist mit den Hunden? Rocky, Dory, Lord Helmchen und Poppi sind Findelkinder aus Griechenland. Den heute 16 Jahre alten Rocky brachte Kira Michaels noch selbst von einem Urlaub auf Kreta mit. Seitdem setzt sie sich im Vorstand des Vereins Chalkidikis Schattentiere für die Vermittlung von Hunden in Not ein. Auch sie wirken so dermaßen entspannt im Familienalltag, dass man sich kaum vorstellen kann, dass hier auch mal stressige Phasen herrschen. „Man muss wissen, wie viel man sich zumuten kann und den Stresspegel im Blick haben“, sagt die Familienchefin.
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