Moers/Neukirchen-Vluyn/Kamp-Lintfort. Erzieherinnen kommen krank zur Arbeit, viele sind ausgebrannt. Die Kita-Situation in Moers und Umgebung ist dramatisch. Eine Erzieherin spricht.
Die Situation in etlichen Kindergärten in Moers und Umgebung ist verheerend. Bedingt durch Personalmangel fallen immer wieder Gruppenbetreuungen aus. Oftmals erfahren die Eltern fünf Minuten vor Abfahrt zur Kita, dass die Betreuung in der Gruppe, in der ihr Kind untergebracht ist, an jenem Tag wieder einmal nicht gewährleistet werden kann. Nun hat unlängst NRW-Familienministerin Josefine Paul ins Gespräch gebracht, dass man den Personalschlüssel in Kitas übergangsweise lockern könnte. Dass eine Erzieherin in Ausnahmefällen bis zu 60 Kinder betreuen soll, stößt aber nicht nur bei vielen Eltern auf Entsetzen.
Auch eine Erzieherin aus Moers und Umgebung äußerte jetzt im Gespräch mit der Redaktion ihre deutliche Kritik an diesem Plan. In einem solchen Fall könne von Betreuung keine Rede mehr sein, so der Tenor. „Wir können nur noch unter unserem Anspruch arbeiten“, sagt Carola (richtiger Name ist der Redaktion bekannt) schon über die aktuelle Situation. „Das ist total frustrierend.“ Aus ihren Worten wird deutlich, dass die Erzieherinnen ihren pädagogischen Anspruch häufig ausblenden müssen, damit der Kita-Betrieb über den Tag hinweg irgendwie funktioniert. Von einer „besseren Aufbewahrung“ ist da die Rede für solche besonders schlimmen Fälle, in denen an verschiedenen Stellen zu viele Erzieherinnen oder Ergänzungskräfte ausfallen und deren Aufgaben verteilt werden müssen.
Erzieherinnen in Kitas stehen unter Druck
Viele Erzieherinnen stehen enorm unter Strom. „Es ist ein sehr hoher Druck“, sagt Carola. Sie spricht weiter von Erzieherinnen, die krank seien und vollgepumpt mit Antibiotika zur Arbeit kommen, damit überhaupt jemand da ist. Andere nehmen demnach wochenlang erkältungshemmende Mittel, um arbeiten zu können. Wieder andere werfen vor der Arbeit Beruhigungsmittel ein, um den Tag zu überstehen. In einer Fernsehdokumentation ist kürzlich über die hohe Quote psychischer Belastungen beim Kita-Personal berichtet worden.
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Es sei ein Dilemma, ein Spagat, sagt Carola. Man möchte die Kinder vernünftig betreuen, den Wünschen der Eltern gerecht werden. Deren Nöte sieht sie natürlich auch. Nur: „Wenn die Eltern Druck machen, werden wir verletzt.“ Dass die allermeisten Eltern diejenigen Erzieherinnen und Ergänzungskräfte in höchsten Tönen loben, die in den Einrichtungen die Stellung halten, ist tröstlich.
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Für die Fachkraft steht an allererster Stelle das Kindeswohl. Nur: Wie soll man den Kindern gerecht werden, wenn in den Kindertageseinrichtungen zu wenig Personal da ist? Streng genommen dürften Ergänzungskräfte in U3-Gruppen nicht einmal eingenässte Kinder wickeln, wenn sonst keine Fachkraft mehr im Raum ist, heißt es im Gespräch. Einmal ganz abgesehen davon, dass die Entwicklungsfortschritte der Kinder in den verschiedenen Bereichen kontinuierlich gefördert, beobachtet und regelmäßig dokumentiert werden müssten.
In den Kitas sind alle Verlierer
Routinen und Regeln seien wichtig für die Kinder. Wenn eine Kindergartengruppe zu lange geschlossen bleibe, müsse man die Kinder oft wieder an die Regeln und die Gruppe gewöhnen. „Es ist auch für die Kinder anstrengend“, sagt Carola. Das gleiche gelte bei zu häufigen Personalwechseln. Dabei sei eine Kontinuität gerade für die Kita-Kinder wichtig, die eben das von Zuhause nicht kennen. Je nach Einzugsbereich der Kita ist das ein kleineres oder größeres Problem.
Carola: „Es geht so lange gut, wie nichts passiert.“ Nach einer Lösung klingt das nicht. In dieser Gemengelage sind derzeit offenkundig alle Verlierer: Eltern, Erzieherinnen – und Kinder.