Moers. Über 85 Unternehmen haben bei einer großen Ausbildungsmesse in Moers um Nachwuchs gekämpft – und gingen dabei ungewöhnliche Wege, um aufzufallen.

Stand an Stand reihen sich Ausbildungsbetriebe, Verbände und Hochschulen. Für die fünfte Ausbildungsbörse auf dem Schulgelände des Mercator Berufskollegs sind über 85 Austeller aus Moers und Umgebung angereist, um junge Erwachsene zu beraten und, so die Hoffnung, das ein oder andere Nachwuchstalent für sich gewinnen zu können. Der Fach- und Arbeitskräftemangel macht sich inzwischen in vielen Branchen bemerkbar. Auch auf der Moerser Berufs- und Ausbildungsmesse legen die Ausstellenden sich ins Zeug, um das junge Publikum auf sich aufmerksam zu machen, Kontakte zu knüpfen und in Erinnerung zu bleiben.

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Große Plakate zieren die Aufbauten – darauf: Informationen und kreative Werbeslogans. Schlüsselbänder, Einkaufschips, Kugelschreiber und Jutebeutel mit dem Namen des jeweiligen Unternehmens liegen an den meisten Ständen aus. Auch Süßigkeiten wie Gummibärchen und Lollies zum Mitnehmen sind keine Seltenheit, um die Messebesucher anzulocken. Moers Frischeprodukte hat als Arbeitsprobe den Paula Kuhfleckenpudding von Dr. Oetker mitgebracht, um mit allen Sinnen erfahrbar zu machen, was im Unternehmen produziert wird – und der kostenlose Snack scheint bei den jungen Messebesuchern gut anzukommen.

„Das ist natürlich schon ein Lockmittel. Man versucht, sich ansprechend zu präsentieren“

Rebecca Smejkal, Ausbildungsbeauftragte der Bäckerei Büsch, wirbt mit Schokocroissants um Nachwuchs

Büsch fährt eine ähnliche Strategie: Bei der Verkostung hauseigener Schokobrötchen und -croissants versucht Rebecca Smejkal, Ausbildungsbeauftragte der Bäckerei Büsch, mit den Besuchern ins Gespräch über die Ausbildungsmöglichkeiten zu kommen. „Das ist natürlich schon ein Lockmittel“, gesteht sie, während sich zwei Jugendliche an den Croissants bedienen, „man versucht, sich ansprechend zu präsentieren.“ Darüber hinaus hat man sich bei Büsch eine weitere Strategie überlegt: „Um die Hemmschwelle herunterzusetzen, haben wir Postkarten für Kurzbewerbungen“, erklärt Smejkal. Lange Bewerbungsanschreiben und Lebensläufe würden viele potenzielle Bewerber heute abschrecken. Für die Kurzbewerbung müsse lediglich die Postkarte mit den Kontaktdaten ausgefüllt und in einer der Büsch-Filialen eingereicht werden.

Auf der Ausbildungsbörse in Moers serviert ein Roboter Slush-Eis

Die Hemmschwelle möchten auch Florian Otter und seine Kollegen von IMI Norgren herabsetzten. Das Unternehmen für Antriebs- und Fluidtechnik bietet vier verschiedene Ausbildungen, zum Beispiel zum Industriemechaniker, im Werk in Alpen an. Am komplett in Violett gehaltenen Stand können die Messebesucher zunächst ein Quiz über das Unternehmen absolvieren, wodurch sie sich automatisch über IMI informieren. „Manche sind da ja sonst zu schüchtern, uns anzusprechen“, hat Otter die Erfahrung gemacht. Wird das Quiz erfolgreich abgeschlossen, zapft ein Roboterarm automatisch ein ebenfalls violettes Slush-Eis. „Unser Stand ist ein berufsübergreifendes Projekt all unserer aktuellen Azubis“, erklärt Otter stolz.

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Die Bundesagentur für Arbeit setzt ebenfalls auf technische Raffinessen. Mittels einer VR-Brille haben all diejenigen, die noch unsicher über ihre berufliche Zukunft sind, die Möglichkeit, aus rund hundert 360-Grad-Videos zu wählen. Die fünf- bis zehnminütigen Videos geben kurze Einblicke in diverse Berufsbilder. „Gerade für Messen ist das ein bisschen interaktiver – man muss sich ja auch ein wenig abheben“, meint Daniel Kulins von der Agentur für Arbeit Moers. Durch auffällige Spielereien oder Gewinnspiele ins Gespräch zu kommen, scheint sich als beliebte und effektive Taktik erwiesen zu haben. Einen Stand weiter hat sich eine kleine Schlange gebildet. Die Versicherungsgesellschaft IKK classic hat sogenannte Blazepods – ein Reaktionsspiel – mitgebracht. Vier „Pods“ leuchten dazu eine Minute lang in zufälliger Reihenfolge auf. Die Spieler müssen schnellstmöglich auf das jeweils leuchtende Feld hauen, damit das nächste aufleuchtet. Anschließend können sie zusätzlich an einem Gewinnspiel der IKK teilnehmen, für das die Kontaktdaten der jungen Erwachsenen mit ihrer Zustimmung aufgenommen werden.

Moerser Gesundheitsschule kämpft mit neuem Konzept gegen den Fachkräftemangel

Überdies versuchen viele Ausbildende, sich in Service und Inhalt von konkurrierenden Unternehmen abzuheben. So bietet Ornua Deutschland, Produzent der Kerrygold-Produkte, Tagespraktika an. Die Präha Gesundheitschulen Moers setzen finanzielle Anreize: Im Gegensatz zu vielen anderen Physiotherapie-Ausbildungen erhalten Auszubildende von Beginn an ein Ausbildungsgehalt, das mit jedem Ausbildungsjahr ansteigt. Zudem gestalte man die Ausbildung nicht im Blocksystem mit isolierten Schul- und Praxisphasen, sondern praxisintegriert mit Praxispartnern am gesamten Niederrhein, „um auch einfach dem Fachkräftemangel am Niederrhein entgegenzuwirken“, wie Jessica König, Schulleiterin für Physiotherapie und Massage erklärt.

Der „War for Talents“, also der Kampf der Unternehmen um geeignete Nachwuchskräfte, hat auch auf der Ausbildungsbörse in Moers Einzug erhalten. Wie die einzelnen Aussteller mit dem Fachkräftemangel umgehen, unterscheidet sich von Unternehmen zu Unternehmen und Verband zu Verband. Die Hoffnung, dass nicht allein das verzehrte Schokobrötchen oder der lilafarbene Slushy dem Gedächtnis anhaften, bleibt.