Am Niederrhein. Bereits als Jugendlicher spielt Marko an Automaten. Die Sucht wächst, der Schuldenberg steigt – bis er seiner Frau die bittere Wahrheit beichtet.
- Wie schnell man in eine Spielsucht abrutschen kann, weiß Marko (Name geändert) vom Niederrhein genau.
- Der 59-Jährige baute über Jahre von Familie und Freunden unerkannt einen riesigen Schuldenberg auf.
- Erst die Beichte bei seiner Frau markiert einen Wendepunkt in seinem Leben.
Sein großes Geheimnis kennen nicht einmal seine engsten Freunde. Und doch will Marko, wie wir ihn in diesem Text nennen werden, anonym mit seinem Leidensweg an die Öffentlichkeit gehen. „Ich will anderen mit meiner Geschichte helfen“, sagt der 59-Jährige. Andere, damit meint er Menschen, die wie er von einer Glücksspielsucht betroffen sind. Fünf Jahre lang sah er keinen Ausweg aus der täglichen Jagd nach dem Jackpot – und baute gleichermaßen einen immensen Schuldenberg sowie ein Lügenkonstrukt auf. „Ich war besessen vom Spielen“, sagt er heute, am Ende seiner Therapie.
Weitere aktuelle Nachrichten aus Moers, Kamp-Lintfort und Neukirchen-Vluyn:
- Moers: Neuer Mietspiegel 2025 – Wo die Mieten am höchsten ansteigen
- Bahnhof in Moers: Zwei Neuerungen – so profitieren Pendler
- Adventskranz selber machen: Floristin verrät Tricks und Trends
- Events 2025 in Neukirchen-Vluyn: Termine stehen - das ist neu
- Und hier bekommen Sie alle News im Überblick.
Das Glücksspiel begleitet den Niederrheiner bereits sein gesamtes Leben. „In meinem Freundeskreis haben wir mit 14 schon Markstücke in den Daddelautomaten an der Pommesbude geworfen.“ Über die Jahrzehnte habe Marko zwar viel Geld verloren, aber nie so viel, dass es zum Problem wurde. „Ich habe nur von dem gespielt, was ich auch zur Verfügung hatte.“ Bis ein Schicksalsschlag vor sechs Jahren einen Wendepunkt markierte.
Schicksalsschlag treibt Marko immer tiefer in die Glücksspielsucht
Eine schwere Krankheit riss den damaligen Mittfünfziger aus seinem Alltag. Acht Operationen unter Vollnarkose, 19 Monate Krankenschein, ob er seine Arbeit als Maschinist im Schichtdienst je wieder aufnehmen könnte? Unklar. „Ich wusste nicht, was aus mir wird“, erinnert sich Marko. „Und so habe ich mir eine andere Welt aufgebaut.“ Diese neue Welt bestand aus blinkenden Automatendisplays und Lottoscheinen. Den täglichen Wettstreit zwischen ihm und seinem vermeintlichen Glück sollte Markos langjährige Ehefrau nicht bemerken. „Ich konnte es kaum abwarten, dass sie morgens aus dem Haus geht.“ Sie fuhr Richtung Arbeit, er Richtung Spielothek.
Die Heimlichtuerei blieb über Jahre unerkannt. Marko hielt immer so viel Geld in der Hinterhand, dass es dem Doppelverdiener-Haushalt an nichts fehlte. „Wir mussten nie hungern und konnten jedes Jahr in den Urlaub fahren.“ Bevor es auf die Reise ging, gab er einen 100-Euro-Lottoschein über mehrere Wochen ab. So konnte er den Spieldruck in der Urlaubszeit beruhigen.
Nach fünf Jahren exzessiver Spielsucht: Bis zu 60.000 Euro Schulden
„Schlimm wurde es, als ich nicht mehr von meinem eigenen Geld gespielt habe.“ Am Flughafen ließ sich Marko überreden, eine Visakarte zu beantragen. Den regelmäßigen Briefen mit der Aufforderung, sich doch mal etwas zu gönnen und den Kreditrahmen zu erhöhen, folgte er ebenso. Dazu nahm er ohne das Wissen seiner Frau einen Kredit auf seinen Namen auf. Getrieben wurde er von dem Gedanken, das verlorene Geld des heutigen Tages morgen bestimmt zurückzugewinnen. Ein Trugschluss, dem viele Spielsüchtige erliegen, wie Marko durch seine Gruppentherapiesitzungen weiß.
Folgt der Redaktion Moers auch auf Social Media:
- Ihr wollt keine Nachrichten mehr verpassen? Folgt der Redaktion Moers bei WhatsApp: Hier kostenlos den Kanal abonnieren.
- Uns gibt es auch bei Instagram. Mit einem Follow bleibt Ihr immer auf dem neuesten Stand.
Auf 50 bis 60 Tausend Euro summiert sich der Schuldenberg, vor dem der Mann vom Niederrhein nach fünf Jahren exzessiven Spielens heute steht. „In meinem ganzen Leben habe ich bestimmt weit über 200.000 Euro verspielt“, schätzt er.
Frau entlarvt Spielsucht-Geheimnis: „Mir ist eine schwere Last vom Herzen gefallen“
Es war ein Tag im November letzten Jahres, an dem Markos mit Bedacht gebautes Kartenhaus aus Lügen endlich zusammenbrach. Als seine Ehefrau die nicht enden wollenden Abbuchungen der Kreditkarte ihres Mannes hinterfragte, beichtete Marko ihr alles. „Mir ist eine schwere Last vom Herzen gefallen“, sagt er. „Es tut mir wahnsinnig leid, dass ich sie belogen habe.“
Seine große Angst, seine Frau würde sich nach 35 Jahren Ehe von ihm trennen, sobald sie von seiner Glücksspielsucht erfährt, bewahrheitete sich nicht. Stattdessen erwies sich seine Ehegattin als großer Anker in den schweren, zurückliegenden Monaten. Gemeinsam besuchte das Paar eine offene Sprechstunde der Caritas in Moers. Das Team des Wohlfahrtsverbandes vermittelte Marko in ein Orientierungsprogramm, an das eine ambulante Therapie mit Einzel- und Gruppengesprächen sowie mehrere Besuche bei Ärzten und Psychologen anschlossen. Seine Frau nimmt an einem Programm für Angehörige von Suchtkranken teil.
Heute ist Marko seit zehn Monaten spielfrei. Seinen Ausweis hat er bundesweit sperren lassen – wobei er ohnehin niemals wieder das Bedürfnis hatte, ein Casino oder eine Spielothek zu besuchen. Sein nächster Schritt ist der Gang zur Schuldnerberatung. Denn sein Ziel hat Marko fest vor Augen: „Ich habe noch sechs Jahre bis zur Rente. Bis dahin will ich schuldenfrei sein.“
Hohe Dunkelziffer unter Spielsüchtigen
Der Caritasverband Moers-Xanten e.V. ist im linksrheinischen Teil des Kreises Wesel für die Beratung für legale Suchtmittel zuständig. Dazu zählt auch Glücksspiel. Als Anlaufstelle bietet der Wohlfahrtsverband Präventionsprogramme, Gesprächsgruppen für Betroffene und Angehörige, Orientierung, ambulante Reha und Nachsorge an. Aus seiner Erfahrung weiß der Fachdienstleiter Florian Nick: „Die Dunkelziffer bei den Themen problematisches Glücksspiel und Glücksspielsucht sind sehr hoch und es gibt nur wenige Menschen die den Weg in Beratungs- und Hilfsangebote wahrnehmen.“ Häufig seien Scham und fehlendes Problembewusstsein der Grund.
Bei anderen Suchterkrankungen sei häufig das soziale Umfeld ausschlaggebend dafür, dass Betroffene Hilfsangebote in Anspruch nehmen. „Diese Kontrolle ist bei Glücksspielsucht deutlich schwerer herzustellen, da sie sich meistens in der finanziellen Situation wiederspiegelt und diese nicht immer durch das soziale Umfeld eingesehen werden kann“, berichtet Nick und ergänzt: „Weiterhin wird der Zugang zu angesprochenen Angeboten durch die gesellschaftliche Akzeptanz von Glücksspiel erschwert.“