Moers. Welche Methode verfolgt die „Freie Fraktion Moers“ in sozialen Netzwerken? Ein Kommunikationswissenschaftler gibt eine Einschätzung. Die Details.
Die Freie Fraktion Moers hat auf Facebook im Vergleich zu anderen Moerser Fraktionen eine deutlich höhere Reichweite. Rund 3270 Menschen folgen der Seite (Stand: 6. September 2024), die im Februar 2023 gegründet wurde. Zum Vergleich: Der Seite „CDU Moers“ folgen rund 900 Menschen, der Seite „SPD Moers“ rund 1200. Welche Themen bedient die Freie Fraktion Moers? Ist hierbei eine Methode zu erkennen? Dennis Frieß, Kommunikationswissenschaftler und wissenschaftlicher Koordinator beim Düsseldorfer Institut für Internet und Demokratie der Heinrich-Heine-Universität, hat sich die Seite auf Anfrage der Redaktion angeschaut. Sein Schwerpunkt liegt auf der politischen Onlinekommunikationsforschung.
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„Es handelt sich hierbei um einen ‚klassisch‘ populistischen Social-Media-Auftritt, wie wir sie seit einigen Jahren vermehrt wahrnehmen und auch untersuchen“, so seine grundsätzliche Einschätzung. Auf den ersten Blick seien „zahlreiche Indikatoren für Populismus“ zu erkennen. „Es wird stark mit Ängsten und Emotionen gespielt und eine simple Trennung zwischen ‚denen da Oben‘ und dem ‚guten Volk‘ bedient“, erklärt der Experte. Informationen seien dabei oft aus dem Kontext gerissen und hätten etwa „wenig bis nichts“ mit Moers zu tun. Zudem würde die Fraktion auf ihrer Seite auf große Fragen einfache Antworten liefern.
Freie Fraktion Moers auf Facebook: „Politische Eliten werden abgewertet“
„Politische Eliten werden abgewertet, ebenso wie alles Fremde, was nicht dem vermeintlichen Volk zugerechnet werden kann“, erklärt Frieß weiter. Und: „Man gibt sich betont bürgernah, auch gerne mal durch ein authentisches Video vor Ort und veröffentlichten Umfragen, die aus wissenschaftlicher Sicht mindestens fragwürdig sind. Das ist eine eindeutig populistische Klaviatur, die hier gespielt wird.“ Die Fraktion bediene nach Einschätzung des Experten Angstthemen, etwa Migration. Gewaltverbrechen würden aufgegriffen und so dargestellt, dass diese jeden überall treffen könnten. Frieß: „Viele Beiträge beginnen mit der rhetorischen Frage ‚demnächst auch in Moers?‘, um eine akute Angst im lokalen Nahraum zu triggern. Ängste werden also bewusst irrationalisiert, vom Einzelfall auf das Allgemeine geschlussfolgert, von der Ferne in die Nähe geholt.“
Beim Thema Glaubwürdigkeit und Seriösität sieht der Experte eine „relativ bunte Mischung“ aus Nachrichten von etablierten Qualitätsmedien und „alternativen Informationsquellen“. So würde die Fraktion die Qualitätsmedien nutzen, um objektive Fakten zu illustrieren. Ein Beispiel ist hier der Anschlag in Solingen, die Fraktion postete am 25. August einen Artikel der „Neuen Züricher Zeitung“ (NZZ). „Alternative Kanäle bieten dann meinungsstarke Bewertungen“, so Frieß.
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So sind unter anderem Artikel des Portals „Nius“ zu finden, bei dem Ex-Bild-Chefredakteur Julian Reichelt als Chefredakteur aktiv ist. „ Dieser Mix kann die Orientierung bei Nutzenden erschweren, die vielleicht eben noch einen Beitrag aus NZZ gesehen haben und dann mit Beiträgen von Julian Reichelt oder anderen meinungsstarken Youtubern konfrontiert werden. Problematisch ist allerdings, dass eigentlich immer schon eine Lesart durch die Seitenbetreiber gegeben wird.“
Rechtspopulistisch eingestellte Menschen sind sehr aktiv in sozialen Medien
Grundsätzlich sei bekannt, dass insbesondere rechtspopulistisch eingestellte Menschen sehr aktiv in sozialen Medien unterwegs sind, erklärt Dennis Frieß. Aus anderen Kontexten sei zudem bekannt, dass soziale Netzwerke ganz gezielt und strategisch organisiert genutzt werden, um Debattenräume zu vereinnahmen und zu manipulieren. „Man greift hier auch ganz bewusst auf lokale Netzwerke zurück und mobilisiert Mitglieder und bittet diese andere Menschen zu akquirieren, aber auch Fake-Accounts anzulegen, um den Anschein von Masse zu generieren“, so Frieß. Der Experte betont jedoch: „Ob das in Moers der Fall ist, kann hier schwer gesagt werden, aber es wäre nicht beispiellos.“ Andere Parteien hätten hier mehr Skrupel, „wobei es vor allem damit zu tun hat, dass extreme politische Einstellungen einen wesentlichen Faktor für politische Partizipation darstellen, und da sind soziale Medien als niedrigschwellige Partizipationsangebote ein Segen für populistische Parteien.“
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Renatus Rieger, Ratsherr und Fraktionsmitglied, erklärt auf Anfrage der Redaktion, dass die Fraktion bei Themen, die nicht nur Moers, sondern ganz Deutschland betreffen, gerne auf die NZZ zurückgreift. Die Zeitung eigne sich „sehr gut“, um einen „neutralen Blick von außen zu bekommen.“ Das Portal „Nius“ sei hingegen erst in den vergangenen Wochen auf der Facebook-Seite erschienen. Für Rieger habe es sich zu einer „neuen Bildzeitung“ gemausert, die „schnellstens auf tagesaktuelle Themen reagiert.“
„„Politische Eliten werden abgewertet, ebenso wie alles Fremde, was nicht dem vermeintlichen Volk zugerechnet werden kann.“
Dennis Frieß könne für Rieger zudem nicht als glaubhafte Quelle dienen. Der Ratsherr beruft sich auf den X-Account des Kommunikationswissenschaftlers, auf dem er im Januar 2024 Fotos einer Ukraine-Kundgebung in Düsseldorf teilte und unter anderem die Hashtags „#wirsindmehr“, „#Demokratie“ und „#fckafd“ verwendete. Rieger: „Als Kronzeuge gegen den uns vorgeworfenen Populismus kann aus unserer Sicht nur jemand dienen, der sich nicht selbst Populismus nachsagen lassen muss. Wir haben niemals das Wort ‚FCK‘ benutzt und sind in unseren Wertungen immer höflich.“