Moers/Mallorca. Holmfried Braun und Martje Mechels sind seit August als Pfarrer auf Mallorca im Einsatz. Weihnachten wird auch für sie ganz anders.

Es ist früh am Morgen an einem Dezembertag und schon 15 Grad warm, der Himmel über S'Arenal ist wolkenlos, die Sonne scheint: „Wir bekommen heute noch über 20 Grad", kündigt Holmfried Braun gut gelaunt an. Auch Ehefrau Martje Mechels freut sich über das „Pulli-Wetter" auf Mallorca. Sie schmunzelt ein wenig bei der Formulierung, wohl wissend, dass am Niederrhein 1400 Kilometer weiter nördlich, wo das Paar bis vor ein paar Monaten gelebt und gearbeitet hat, jetzt niemand mehr das Haus ohne dicken Mantel verlässt.

Die beiden waren Pfarrerin und Pfarrer in Moers. Im August sind sie mit Tochter Mia und Labrador-Hündin Trudi ans Mittelmeer übergesiedelt. Dort teilen sie sich die Pfarrstelle der Deutschsprachigen Evangelischen Gemeinde der Balearen. Die Familie erlebt nun Weihnachten mit Tannenbaum und Gottesdienst, mit Palmen und dem Blick aufs Mittelmeer.

Die Stelle auf Mallorca kam wie gerufen

Sieben Jahre hatten Martje Mechels (51) und Holmfried Braun (52) zunächst gemeinsam die Pfarrstelle bei der Gemeinde in Asberg. 2015 wechselte Mechels zum Gemeindedienst für Mission und Ökumene am Niederrhein, war viel unterwegs. Braun füllte die Pfarrerstelle in Asberg von da an alleine aus.

Irgendwann habe die Work-Life-Ballance nicht mehr gestimmt, sagt der Theologe. Zu dem Wunsch, sich wieder eine Stelle zu teilen, kam der Reiz, im Ausland zu arbeiten, zumal vier der fünf Kinder des Ehepaars erwachsen und längst aus dem Haus sind und Tochter Mia (16) am neuen Wirkungsort eine deutsche Schule besuchen kann. Im Übrigen, so Martje Mechels, sei Wechsel grundsätzlich etwas Positives. Die Stelle auf Mallorca kam wie gerufen.

Die Vorfreude war groß

Zwei Mal waren Mechels und Braun seit Jahresanfang auf der Insel, stellten sich der Gemeinde vor, hielten erste Gottesdienste. „Wir sind sehr offen und freundlich aufgenommen worden", erzählt Holmfried Braun. „Die Chemie stimmte sofort."

Eine deutliche Mehrheit der rund 350 Gemeindemitglieder gab schließlich den beiden gegenüber einem Mitbewerber den Vorzug. Es folgten Ausreisekurse zur Vorbereitung auf den Auslandsaufenthalt, ihr Spanisch brachte die Familie per Zoom-Kurs mit einem Lehrer in Madrid auf Vordermann. Ende August ging es mit einem vollgepackten Auto und viel Vorfreude von Moers nach Barcelona und von dort per Fähre nach Palma de Mallorca. Am 31. Oktober, dem Reformationstag, wurden Mechels und Braun in S'Arenal feierlich in das Pfarramt der Balearen-Gemeinde eingeführt, auf deren Inseln sie deutschsprachige Touristen und Residenten seelsorgerlich betreuen.

Die gemeinsame Sprache verbindet

Im Gespräch ist schnell zu spüren, wie wohl sich das Ehepaar auf Mallorca fühlt. „Wir erleben so viel Gastfreundschaft und Miteinander", berichtet Martje Mechels. Die Gottesdienste, die in Peguera, Cala Ratjada, Cala Murada und in der Seniorenresidenz Es Castellot sowie einmal monatlich auf Ibiza gehalten werden, seien noch stärker als in Deutschland Zusammenkünfte der Gemeinde.

Die gemeinsame Muttersprache, die gemeinsame Heimat - all das verbinde die Mitglieder, das Bedürfnis sei groß, sich zu treffen und sich auszutauschen. „Wir sitzen nach dem Gottesdienst immer für ein paar Stunden zusammen, wenn auch im Moment mit Corona-Abstand. Es wird geredet, es gibt zu essen und zu trinken", erklärt Mechels und fasst das schmunzelnd so zusammen: „Bei uns dauern die Gottesdienste von elf bis drei."

Evangelische Gotteshäuser gibt es auf den Balearen übrigens nicht: „Wir sind zu Gast in katholischen Kirchen", sagt Holmfried Braun. „Die Ökumene wird hier großartig gelebt." Beide haben schon Gottesdienste mit dem Priester der deutschen Katholischen Gemeinde gefeiert und sich mehrfach mit dem Bischof von Mallorca, Sebastià Taltavull ausgetauscht: „Er interessiert sich sehr für unsere Arbeit und die Gemeinde", so Braun, der sich darüber freut, dass seine Sprachkenntnisse diese Unterhaltung schon auf Spanisch möglich machen.

Der Bischof feiert zwei Gottesdienste

Üblicherweise feiert der Bischof an Heiligabend zwei Weihnachtsgottesdienste gemeinsam mit den deutschsprachigen Gemeinden und jeweils 2500 Gläubigen in der großen Kathedrale von Palma: „Das ist ein starkes Zeichen von Bischof Taltavull." Die Coronakrise lässt dies zu Brauns und Mechels Bedauern in diesem Jahr nicht zu.

Anders als in Deutschland bekommen die Kirchen in Spanien keine staatliche Zuwendung. So lebt auch die Balearen-Gemeinde von den Spenden ihrer Mitglieder. Ein wichtiger Faktor bei der Finanzierung sind die Trauungen, die neben dem Pfarrerehepaar eine Prädikantin und ein Ruhestandspfarrer vornehmen. 50 bis 70 Hochzeiten sind es üblicherweise im Jahr, sogar am Strand oder auf Fincas werden sie gefeiert, was in Spanien möglich ist. Eine Hälfte der Stelle, die Touristenseelsorge, finanziert freilich die Evangelische Kirche in Deutschland. Zum Job von Martje Mechels und Holmfried Braun gehört darüber hinaus die Betreuung deutschsprachiger Patienten in den Krankenhäusern und deutscher Gefängnisinsassen.

Die Tochter telefoniert häufig mit Freunden in Moers

Dass die Familie mit ihrem Wechsel ans Mittelmeer die richtige Entscheidung getroffen hat, findet auch Tochter Mia. Die 16-Jährige telefoniert und chattet häufig mit ihren Freunden in Moers. Dennoch fühlt sie sich in der neuen Heimat wohl, genießt das Klima, die Spaziergänge mit den Eltern und Hündin Trudi am Strand. Zur deutschen Schule in S'Arenal fährt sie ein paar Minuten mit dem Fahrrad, „vom Klassenzimmer aus sehen wir das Meer, das ist herrlich."

Bei den Mitschülern Anschluss und Freunde zu finden, sei am Anfang nicht immer nur leicht gewesen. In ihrer Klasse auf dem Moerser Gymnasium Adolfinum hatte die Jugendliche fast 30 Mitschüler, in S'Arenal sind es sechs: „Da können auch die Lehrer ganz anders auf uns eingehen." Das Pfarrhaus, in dem die Familie lebt, ist nur 15 Minuten zu Fuß vom Strand entfernt. Im Innenhof wachsen Palmen und Oleander, es gibt sogar einen Pool.

Das Ehepaar hat einen Film produziert

In Paguera hält das Pfarrerehepaar zwei Weihnachtsgottesdienst, am 27.
Dezember ist jeweils ein „musikalischer Christbaum" in Cala Ratjada
und in Paguera geplant. Darüber hinaus feiert die Familie daheim im
Pfarrhaus mit Geschenken und Weihnachtsbaum und wird zusammen kochen,
wie Mia ankündigt. „Es war gut, etwas Neues zu wagen", sagt Holmfried
Braun. „Wir sind froh, dass wir hier sind."

Das Ehepaar hat einen Film mit einem Online-Weihnachtsgottesdienst
produziert. Ab Heiligabend wird er auf der Homepage der Gemeinde,
www.kirche-balearen.net verlinkt sein.

⇒ Die Corona-Pandemie auf Mallorca ⇐

Die Corona-Pandemie, wissen die Eheleute Mechels und Braun zu berichten, hat das Leben auf Mallorca stark verändert. Der Grund ist, dass der Tourismus eine extrem große Bedeutung für die Wirtschaft der Ferieninsel hat. Die Arbeitslosigkeit ist stark gestiegen, „das bekommen wir hautnah zu spüren“, sagt Holmfried Braun. Ein Nachbar der Familien in S‘Arenal hat soeben seinen Taxi-Betrieb schließen müssen. Dessen Frau hat als Schmuckverkäuferin in den Geschäften rund um die Kathedrale von Palma gearbeitet: „Die sind alle geschlossen. Jetzt ist auch sie arbeitslos.“

Die mallorquinischen Familien hielten zwar gut zusammen, erklärt Martje Mechels. Aber die Armut wachse unübersehbar, übrigens auch unter den deutschen Residenten. Mechels weiß von Leuten, die ihre Wohnung verloren und nun in ihrem Wohnmobil lebten. Die Tafeln hätten starken Zulauf, sagt Mechels: Es ist bedrückend, das zu erleben.“