Kamp-Lintfort. In einem Projekt des SCI und des Jobcenters im Kreis Wesel kultivieren Arbeitslose einen verwilderten Gemüsegarten in Kamp-Lintfort.
„Immer nur zu Hause sitzen, is’ nix.“ Die junge Frau weiß, wovon sie spricht. Trotz Schul- und Ausbildungsabschluss als Gärtnerin hat sie in der Berufswelt nie so recht Fuß gefasst. Dass sie nun zuversichtlicher in ihre Zukunft blickt, hat unter anderem mit einer Brachfläche in Dachsbruch zu tun, die sie und neun Mitstreiter kultiviert haben. Am Ende, so hoffen alle Beteiligten, werden sie dem ersten Arbeitsmarkt ein gutes Stück näher gekommen sein.
Betreut und bezahlt wird das Projekt vom Sozialverband SCI und dem Jobcenter Kreis Wesel. Für beide ist es in seiner Art Neuland. Die Idee dazu stammt von dem Sozialpädagogen Jörn Eichert. Der ehemalige Gemüsegarten in der Fossa Eugeniana in Dachsbruch, den sein Großvater hinterlassen hatte und der zunehmend verwilderte, wurde zum „Arbeitsplatz“.
Zehn Frauen und Männer erscheinen hier täglich um kurz nach neun. Seit Mitte Mai haben sie die gut 600 Quadratmeter so hergerichtet, dass man die Fläche wieder als Obst- und Gemüsegarten nutzen kann. Jetzt gedeihen hier Tomaten, Zucchini, Auberginen, Bohnen, Kürbisse und Kartoffeln. Aus Minze wird Tee – in diesen Tagen Eistee – gemacht. Vom Bauern eines Nachbarfeldes erhält die Gruppe immer mal wieder Milch, die ein Mitglied der Gruppe für die Herstellung von Käse nutzt. Die Akteure nutzen die Früchte ihrer Arbeit selbst. Was tagsüber nicht verbraucht wird, wird aufgeteilt und mit nach Hause genommen.
Teamarbeit ist wichtig
Betreut werden sie von Jörn Eichert und einem so genannten „Anleiter“. Alwan Omar ist sein Name. Vor vier Jahren flüchtete der Maschinenbauingenieur aus Syrien nach Deutschland, er beherrscht längst die Sprache seines Gastlandes und dolmetscht für diejenigen in der Gruppe, die sie nicht so gut sprechen. Eichert und Omar entwickeln mit den Teilnehmern Ideen für den gemeinsam bewirtschafteten Garten, die sie dann versuchen umzusetzen.
Teamarbeit ist wichtig, betonen SCI und Jobcenter. Wer Kirschen pflückt, hat den gleichen Anteil am Erfolg wie derjenige, der sie entkernt, kocht und abfüllt. Obendrein diene sie der Sprachförderung und der Integration, weil es die Mitglieder der Gruppe aus der Isolation hole und sie soziale Kontakte aufbauen können.
Ebenso wichtig ist, dass die Frauen und Männer nicht mehr einfach in den Tag hinein leben, sondern dieser Tag eine Struktur bekommt. Nicht zuletzt deshalb beginnt der Tag im Garten jeden Morgen um 9.15 Uhr und endet um 15 Uhr. Nicht zuletzt deshalb setzt das Jobcenter darauf, dass die Teilnehmer wieder Anschluss an Berufsstrukturen finden und vielleicht sogar einen regulären Arbeitsplatz finden.
Das Projekt ist befristet
Das Projekt von SCI und Jobcenter ist bis Ende 2019 befristet. Allerdings müsse dies nicht bedeuten, dass es anschließend nicht neue Maßnahmen dieser Art geben wird, sagt der stellvertretende Geschäftsführer des Jobcenters, Günter Holzum.
Nach Angaben von Frank Liebert (SCI) sucht das Grünflächenamt der Stadt nach weiteren „verwilderten“ Flächen, die sich für die Kultivierung eignen.
Für den Fall, dass das Wetter Arbeiten im Garten nicht zulässt, steht der Gruppe ein Bauwagen zur Verfügung und zusätzlich Seminarräume im Diesterwegforum.