Moers. Oksana Baranovska und ihr 13-jähriger Sohn Vlad sind vor dem Krieg in der Ukraine geflohen. Wie es für die beiden in Moers nun weitergeht.

Als Oksana Baranovska am Montagmorgen am Fahnenmast vor der Moerser Stadtbücherei die blau-gelben Nationalfarben der Ukraine entdeckt, kommen ihr fast die Tränen. Die Flagge wühlt die Frau, deren Flucht sechs Tage zuvor begonnen hat, nicht nur wegen der Erinnerung an den Krieg in ihrer Heimat auf.

Oksana ist gerührt von dem Zeichen der Solidarität mit ihrem Land, sie schickt gleich ein Handyfoto davon zu ihren Eltern daheim. Die 40-Jährige und ihr 13-jähriger Sohn Vlad leben nun bei Menschen in Moers, die sie bis Sonntagabend nicht kannten: Angelika und Peter Küpperbusch waren spontan bereit, die beiden aufzunehmen.

Flucht aus Odessa

Oksana und Vlad stammen aus Odessa am Schwarzen Meer. Immer wieder habe sie mit Freunden darüber gesprochen, ob sie bleiben oder gehen sollte, erzählt Oksana. In der Hafenstadt war es bislang vergleichsweise ruhig, bedrohlich ist die Lage aber auch dort.

Die nicht einmal 200 Kilometer entfernte Metropole Cherson hat das russische Militär bereits eingenommen und auch in Odessa gibt es täglich Fliegeralarm, so dass sich Oksana und Vlad mehrfach in einem Luftschutzbunker in Sicherheit bringen mussten.

Mit einem Koffer und einem Rucksack nach Deutschland

Als ihre beste Freundin ihr zwei Plätze im Auto Richtung Deutschland anbot, griff Oksana zu: „Wir haben schnell ein paar Sachen zum Anziehen eingepackt“, berichtet sie. Eine Stunde später, am Mittwoch voriger Woche, stiegen die beiden mit einem Koffer und einem Rucksack in den Wagen. Über Moldawien, Rumänien, Ungarn und Österreich ging es in die Grafenstadt – zweieinhalbtausend Kilometer in fünf Tagen.

Dass Oksana und Vlad am Ende dieser Fahrt in Moers landeten, ist in gewisser Weise Zufall: Oksanas Freundin kam bei Bekannten in Duisburg-Baerl unter, die ihrerseits mit den Küpperbuschs bekannt sind.

Moerser waren sofort bereit Flüchtlinge aufzunehmen

Auf die Anfrage, ob sie zwei Menschen aus der Ukraine für eine Weile Schutz gewähren könnten, sagten die Moerser sofort zu: „In solch einer akuten Not muss man helfen“, erklärt Angelika Küpperbusch. „Und wir haben auch die Möglichkeit dazu.“

Mit ihren Gastgebern hätten sie und ihr Sohn „großes Glück“, sagt Oksana dankbar lächelnd. Mit ihr und Vlad waren Angelika und Peter am Montag im Rathaus, um sie dort anzumelden und Sozialhilfe zu beantragen, dann bei der Telekom, wo Mutter und Sohn für jeweils zehn Euro SIM-Karten für ihre Handys erhielten, mit denen sie fortan kostenlos die Lieben in der Ukraine anrufen können.

Vlad will in Moers zur Schule gehen

Wie es weitergeht? Vlad hat in Odessa die siebte Klasse besucht, er will so schnell wie möglich in Moers zur Schule gehen. Er ist gut in Naturwissenschaften, „am liebsten ist mir Physik“, erklärt er. Zudem kann sich der 13-Jährige passabel auf Englisch verständigen, spricht – wie seine Mutter – auch Russisch.

Oksana, die in Odessa zunächst als Rechtsanwältin bei einer Bank und zuletzt als Maklerin tätig war, würde gerne arbeiten und sich auch sonst nützlich machen. Man merkt ihr an, dass es ihr schwerfällt, Hilfe anzunehmen, ohne etwas zurückgeben zu können. Beide wollen mit Angelika Küpperbusch, die sich früher schon intensiv um Flüchtlingsfamilien aus Syrien und Eritrea gekümmert hat, Deutsch lernen.

Was nicht bedeutet, dass sie sich auf Dauer bei ihren Gastgebern und in Deutschland einrichten möchten: „Unsere Soldaten verteidigen unser Land gut. Ich glaube, dass wir den Krieg gewinnen“, versichert Oksana. Ihr Wunsch: „Wir wollen schnell zurück, die Ukraine wieder aufbauen. Und irgendwann einmal als Besucher nach Moers kommen.“