Moers. Nach einem Kraftakt im Vorfeld hat das Moers Festival gezeigt, wie lebendig das Festival nach 50 Jahren ist. Und einen neuen Spielort entdeckt.

„Wir haben eine Umarmung versprochen und die hat stattgefunden.“ Am Sonntagabend, als John Scofield auf der Bühne am Rodelberg sein Solo-Konzert für das Moers Festival live vor Publikum spielte, wusste auch Tim Isfort, dass sich der Kampf für das zweite Moers Festival in Corona-Zeiten gelohnt hatte. „Ich war beseelt“, kommentierte Isfort die so lange herbeigesehnte Begegnung von Künstler und Publikum.

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Wie knapp es ausgerechnet im Jubiläumsjahr war, daraus machte der Künstlerische Leiter des Moers Festivals bei der Pressekonferenz am Sonntag keinen Hehl: „Es waren widrige Umstände, vieles ist noch auf den letzten Metern improvisiert worden. Das war ein Marathon im Sprinttempo.“

Testen, testen, testen: Lisa Wecker, links, und Maike Henkevoß werten die Coronatests in einer der Teststationen vor dem Festivalgelände aus.
Testen, testen, testen: Lisa Wecker, links, und Maike Henkevoß werten die Coronatests in einer der Teststationen vor dem Festivalgelände aus. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Erst drei Tage vor dem Start der Jubiläumsausgabe des Festivals stand endlich fest, dass es überhaupt Live-Konzerte geben könnte. So hatte das Moers-Festival-Team bis zum Start am Freitag einen Organisationsaufwand zu stemmen wie wohl selten zuvor. „In diesem Jahr habe ich schon ein paar Mal gehadert“, bekannte Isfort. Immer wieder gab es Rückschläge, das Programm änderte sich noch bis zum letzten Festivaltag am Montag.

Allein der Aufwand, Künstler, Journalisten, Helfer und Zuschauer zu testen, war enorm. Über 1200 Schnell- und PCR-Tests führten die Helfer der Firma nal von minden und der Lindenapotheke von Freitag bis Sonntag vor Ort durch – „und wir hatten kein einziges positives Ergebnis“, freute sich die Geschäftsführerin der Moers Kultur GmbH, Helena Lischka. Sie wird, wie bereits angekündigt, zum 30. Juni ihren Interims-Posten aufgeben. Ihre Nachfolge übernimmt Jeanne-Marie Varain.

Ausverkauft waren die Konzerte unter Corona-Bedingungen am Rodelberg zwar nicht, aber das Gelände könnte auch in den nächsten Jahren Konzertort bleiben: „Die Stadt Moers und wir wären schön blöd, wenn wir das nicht als zusätzlichen Spielort nutzen würden“, sagte Isfort. Und ganz wie in alten Tagen riskierten viele Spaziergänger hier am Wochenende auch wieder den neugierigen Blick über den Zaun ...

Wer nicht live dabei war, konnte das Moers Festival erneut via Live-Stream verfolgen. Laut Festival-Pressesprecher Thorsten Töpp bewegten sich die Zahlen hier in etwa auf dem Niveau des Vorjahres. Was der geneigte Zuschauer dort geboten bekam, war eine Art Gesamtkunstwerk. Prilblumen rieselten als Sinnbild für die Anfänge des Festivals regelmäßig durchs Bild. Schlosstheater-Schauspieler waren im Zuschauerraum unterwegs.

Dieses Extra an Seherlebnis hat in der Internetgemeinde schon im vergangenen Jahr nicht überall Freunde gefunden. Bildausschnitte aus dem Moersland, der Gamer-Abteilung für Festivalbesucher, erinnerten an alte Zeiten im Freizeitpark. Die Ansagen erledigten Kinder mit erstaunlicher Souveränität, die bei den Konzerten in der Halle im Bild von Prilblumen-Aliens verkörpert wurden. Zwischendurch gab es auch noch Literatur: Textausschnitte aus Fahrenheit 451, einem dystopischen Roman über verbrannte Bücher, unterdrückte Menschen und Auflehnung.