Kamp-Lintfort. Conny Gerritz ist schon seit sechs Jahren Brudermeisterin. In einer von Männern dominierten Welt zu bestehen, war anfangs nicht ganz einfach.
Bevor Conny Gerritz vor sechs Jahren einstimmig zu Deutschlands erster Brudermeisterin gewählt wurde, hatte sie den Mitgliedern der St. Bernhardus-Bruderschaft Rossenray eine Bedingung gestellt: „Ich habe gesagt, dass ich es nur mache, wenn ich bei den großen Veranstaltungen den Dreispitz nicht tragen muss“, sagt die 51-Jährige und lacht: „Da bin ich vielleicht ein bisschen eitel.“
Es gibt Nachholbedarf in Sachen Gleichberechtigung
Der Deal klappte problemlos und schon lange ist Conny Gerritz auch nicht mehr die einzige Frau an der Spitze einer einst als reine Männergesellschaft gegründeten Vereinigung. Trotzdem glaubt die Brudermeisterin, dass es in punkto Gleichberechtigung Nachholbedarf in der einstigen Männerbastion gibt.
Bruderschaften haben eine jahrhundertelange christlich geprägte Tradition. Ursprünglich als Bürgerwehren gegründet, stehen heute bei den meisten Bruderschaften das Schützenwesen und karitatives Engagement im Vordergrund.
Kleiner Verein, hohes Durchschnittsalter
Dass Conny Gerritz zur Brudermeisterin gekürt wurde, hatte damals auch etwas mit der problematischen Vereinsstruktur zu tun: „Wir sind mit etwa 150 Mitgliedern ein kleiner Verein, damals lag der Altersdurchschnitt der Mitglieder bei ungefähr 65 Jahren. Ich war schon länger aktiv in die Vorstandsarbeit eingebunden. Auf diesen Wechsel haben wir hingearbeitet. Aber bei großen Bruderschaften, da, wo man’s nicht unbedingt nötig hat, kann man eben noch auf alten Strukturen beharren“, lautet ihre persönliche Einschätzung.
Die Rossenrayer Bruderschaft öffnete sich übrigens früher als viele andere: „Schon in den 1970er Jahren haben hier die Frauen durchgesetzt, dass sie ordentliche Mitglieder werden können.“ Bis eine Frau um die Königswürde mitschießen durfte, dauerte es dann allerdings doch noch bis 1999.
Lieber ein Glas Sekt statt ein Bier am Stehtisch
Schießen? „Das ist gar nicht so mein Ding“, gesteht Conny Gerritz. Genauso wie zu viele Etikette oder das Bier am Stehtisch. „Da trinke ich lieber einen Sekt“, sagt die Brudermeisterin und lacht. Anfangs habe es bei den überörtlichen Brudermeistertagungen komische Blicke gegeben. „Ich hatte das Gefühl, die nehmen mich nicht in allen Belangen ernst.“ Das ist lange vorbei. „Heute fragt keiner mehr. Ich glaube aber trotzdem, dass in einigen Vereinen ein Umdenken passieren muss.“
Dass in Rossenray trotz der schweren Zeit für Vereine vieles gut läuft, können Bruderschaften von außerhalb im nächsten Jahr hoffentlich aus nächster Nähe betrachten. Dann wird die Bruderschaft 750 Jahre alt. Wenn kein Corona die Pläne durchkreuzt, wird im August gefeiert. Die größte Herausforderung? „Alle zusammenzukriegen, um es gemeinsam anzupacken.“ Dass ihre Familie sie dabei unterstützt, dafür ist Conny Gerritz besonders dankbar: „Ohne die geht es nicht.“