Moers/Kleve.. Bei einem Streit um die gemeinsamen Kinder soll ein Moerser seine Ehefrau mit 71 Messerstichen ermordet haben. Jetzt steht der 48-Jährige vor Gericht.

Am 21. Mai vergangenen Jahres geht um kurz vor 15 Uhr ein Notruf bei der Leitstelle in Wesel ein. Am Telefon ist ein Junge. „Papa schlägt Mama. Papa hat Messer.“ Der Anruf kommt aus einer Wohnung an der Keplerstraße im Moerser Stadtteil Vinn. Eine Streifenwagenbesatzung fährt mit Blaulicht zu der Adresse. Die Beamten kommen zu spät. Nach dem Einsatz sind die beiden jungen Polizisten für mehre Tage krank geschrieben und müssen psychologisch betreut werden.

Schwurgerichtssaal im Landgericht Kleve, Donnerstagmorgen. Justizbeamte führen Mehmet K. in den Gerichtssaal. Unscheinbar passt. Klein, graues Gesicht, schütteres Haar. Er ist 48 Jahre alt, von Beruf Schweißer. Mehmet K. soll seine von ihm getrennt lebende 31-jährige Ehefrau Lele K. ermordet haben. Mit 71 Messerstichen. Nach einem Streit um die beiden gemeinsamen Kinder, glaubt die Staatsanwaltschaft. Die Jungs sind heute drei und sechs.

Bluttat ereignet sich nur wenige Tage vor dem Scheidungstermin

Die Schwester von Mehmet K. erzählt, dass es schon in den Monaten vor der Bluttat heftig in der Beziehung gekriselt haben soll. Lele K. zog offenbar nach Hamburg. Am 1. Juni vergangenen Jahres sei der Scheidungstermin angesetzt gewesen. Wenige Tage vorher besuchte Lele K. mit einer Freundin, die sie in einem Hamburger Frauenhaus kennengelernt haben soll, ihren Ehemann.

Laut Anklageschrift soll sie ihm bei diesem Besuch eröffnet haben, dass sie die beiden Kinder mit nach Hamburg nehmen wolle. Daraufhin, so die Staatsanwaltschaft, habe sich Mehmet K. in der Küche ein Messer geholt, es in seinem Ärmel versteckt, und dann damit unvermittelt auf seine Frau eingestochen. Direkt in das Gesicht. Dann immer wieder auf ihren Körper. Heimtückischer Mord ist das für die Anklage.

Mehmet K. hat sich bislang noch nicht zu den Vorwürfen geäußert. Er werde sich dazu im Verlauf des auf vier Verhandlungstage angesetzten Prozesses einlassen, teilte sein Verteidiger gestern mit.

Polizisten mussten nach Einsatz von Seelsorger betreut werden

Nahezu regungslos verfolgt K. die Aussagen der drei Polizisten, die am 21. Mai am Tatort waren. Die des Dienststellenleiters, die der beiden Streifenpolizisten. Genauso regungslos, wie er gewesen sein soll, als sie ihn damals festnahmen. Als sie das Mehrfamilienhaus am Keplerweg erreichten, sei die Situation dort hektisch und chaotisch gewesen, schildern die beiden Streifenpolizisten. Eine aufgelöste Frau, die Freundin der Ehefrau, habe die Tür geöffnet, geschrien: „Er bringt sie um, er bringt sie um“, erinnert sich einer der beiden. Aufgeregte Nachbarn im Flur. Tumulte. Drei Männer, einer deutet auf den in der Mitte: „Der war’s.“ Mehmet K. soll Blut an den Händen gehabt haben, sagt einer der Polizisten aus. „Er hatte Blut an der Kleidung“, berichtet der andere.

Lele K. finden sie in der Küche. Viel Blut. So viel Blut, dass einer der beiden jungen Polizisten Handtücher für die Rettungsassistenten holen muss, damit sie nicht ausrutschen, „damit die vernünftig arbeiten konnten“. Auch der junge Beamte muss bei den Reanimationsversuchen helfen. Zehn Minuten lang. Vergeblich. In der Nähe des Körpers finden die Sanitäter zwei Steakmesser. Eines verbogen. Das andere offenbar auch benutzt.

Im Stockwerk über der Wohnung entdecken die Beamten die beiden Jungs. Sie spielen mit Nachbarskindern. Besonders der Große sei sichtbar geschockt gewesen, apathisch. Die Freundin der Ehefrau soll gesagt haben, sie habe sich mit den beiden in ein Zimmer eingeschlossen, aus Angst, Mehmet K. würde auch ihr etwas antun, bevor sie die Kinder zu den Nachbarn brachte.

Kinder leben jetzt in einer Pflegefamilie

K. ließ sich ohne Widerstand festnehmen. „Er ist ganz still gewesen, hatte den Kopf gesenkt“, erinnert sich einer der Beamten. Erst als die Polizisten ihn zum Streifenwagen führten, habe er gewimmert.

„Meine Kinder, meine Kinder.“ Die beiden Jungs sind heute in einer Pflegefamilie in Moers untergebracht. Wie es ihm heute gehe, fragt der Staatsanwalt den jüngeren der beiden Streifenpolizisten. „Geht“, sagt der. Kurze Zeit vor dem Einsatz habe er schon einmal einen „schweren Einsatz“ gehabt. „Da habe ich einen Seelsorger in Anspruch genommen. Nach diesem Einsatz ging es damit weiter.“

Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt.