Neukirchen-Vluyn. Natürlich falle es schwer, Geschäfte und Spielplätze schließen zu müssen, sagt die Erste Beigeordnete Margit Ciesielski im Interview.
Ein außergewöhnliches Jahr geht zu Ende. NRZ-Redakteurin Sonja Volkmann hat die Erste Beigeordnete der Stadt, Margit Ciesielski, gefragt, wie die Schulen mit Blick auf die Digitalisierung aufgestellt sind, wie es um den Haushalt bestellt ist, was 2020 gut gelaufen ist, was weniger gut und welche Lichtblicke es in den vergangenen Monaten gab.
Ein ziemlich spezielles und anstrengendes Jahr geht zu Ende. Was bleibt für Sie der prägendste Moment der vergangenen Monate?
Kommunalwahljahre als solche stellen Kommunen bereits vor eine besondere Herausforderung. Dies eingebettet in eine Pandemie, das waren Rahmenbedingungen, die es so bislang nicht gegeben hat. Mich persönlich hat es enorm beeindruckt, wie zügig es gelungen ist, sich diesen neuen und komplexen Herausforderungen zu stellen. Ob es die Umsetzung der ordnungsbehördlichen Maßnahmen im Zuge des Lockdowns, die Durchführung der Kommunalwahl, aber auch die Betreuung in den Kindertageseinrichtungen oder Schulen war, ich habe in allen Bereichen ein großes Engagement bis hin zu hoher Kreativität zur Lösung und Bewältigung der Herausforderungen wahrgenommen. Sicherlich war nicht alles perfekt, aber unter diesen besonderen Umständen wurde auch sehr viel gut und sehr viel Gutes umgesetzt.
Die Pandemie hat sehr durchgreifende Regeln notwendig gemacht. Welche der Maßnahmen ist Ihnen am schwersten gefallen?
Die Verwaltung hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem Dienstleistungsunternehmen für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt entwickelt. Die Pandemie hat nunmehr wieder die Eingriffsverwaltung gefordert. Natürlich fällt es schwer, Geschäfte, aber auch Spielplätze zu schließen und Kindern und Jugendlichen Kontakte zu untersagen, auch wenn die Regelungen notwendig und nachvollziehbar waren.
Welche Lichtblicke gab es?
Ein großer Lichtblick war stets die Besonnenheit und Disziplin der Bürgerinnen und Bürger hier in Neukirchen-Vluyn, aber auch die Kooperationsbereitschaft der ortsansässigen Geschäfte und Gewerbetreibenden. Dies hat unsere Arbeit sehr erleichtert und uns das Gefühl vermittelt, mit gemeinsamer Anstrengung auch diese besondere Situation zu meistern. Hier hat sich auch wieder einmal gezeigt, dass man gerade in derartigen Notsituationen auf das ehrenamtliche Engagement vieler Bürgerinnen und Bürger bauen kann. Die sofort ins Leben gerufene Nachbarschaftshilfe war stets ein verlässlicher und wertvoller Partner zur Bewältigung diverser Problemstellungen im Rahmen der Pandemie.
Das Corona-Geschehen wird uns ja noch eine Zeit begleiten. Heißt für die Schulen: Die Möglichkeit zum digitalen Unterricht ist wichtiger denn je. Wie sind die Schulen da langfristig aufgestellt?
Im Schulzentrum wurde bereits im Zuge der Sanierung des Gymnasiums sowie des Einlaufens der Gesamtschule sukzessive die digitale Infrastruktur geschaffen. Im Zuge der Pandemie hat sich dieser begonnene Prozess noch einmal extrem beschleunigt. Zwischenzeitlich wurden auch alle Grundschulen mit Servern ausgestattet und verfügen über einen leistungsfähigeren Internetanschluss. Für das Schulzentrum ist eine Erhöhung der Bandbreite beantragt, die voraussichtlich ab Januar zur Verfügung steht. Darüber hinaus bin ich optimistisch, dass es gelingt, in allen Schulen bis Ende 2021 die Schaffung der digitalen Infrastruktur abzuschließen.
Wie gut ist die Ausstattung mit digitalen Endgeräten?
Für den Bereich der weiterführenden Schulen konnte zwischenzeitlich sichergestellt werden, dass alle Schülerinnen und Schüler für den Distanzunterricht über digitale Endgeräte verfügen. Sofern erforderlich, konnten diese zwischenzeitlich über die Schule leihweise bereitgestellt werden. Insgesamt ist hier der Beschaffungsprozess für den schulischen Bedarf aber noch nicht vollständig abgeschlossen. Die hohe Nachfrage hat letztendlich auch in diesem Bereich zu Lieferengpässen geführt.
Welche Hilfe kann womöglich auch die Stadt leisten, dass benachteiligte Kinder mit Blick auf den digitalen Unterricht den Anschluss nicht verlieren?
Alle zur Verfügung gestellten Förderprogramme zur Unterstützung des Digitalisierungsprozesses in Schulen wurden ausgeschöpft. In diesem Zuge wurden auch Endgeräte eben gerade für benachteiligte Kinder beschafft. Daneben hat der Rat im Rahmen der Pandemie einen Hilfsfonds für Bedürftige eingerichtet. Die Stadt kann hier jedoch nur zu einer Verbesserung der Rahmenbedingungen beitragen, die große Herausforderung liegt gerade in der aktuellen Situation bei der Schule, hier innovativ Lösungen zu finden, damit eben benachteiligte Kinder den Anschluss nicht verlieren.
Mit Blick auf den Austausch mit Bund und Land: Was ist gut gelaufen, was muss besser werden?
Die Umsetzung der pandemiebedingten Maßnahmen hat alle Beteiligten an Grenzen gebracht. Im Ergebnis ist es Bund und Land aus meiner Sicht bisher weitestgehend gelungen, ein ausgewogenes Maß zwischen Einschränkungen und wirtschaftlicher Kompensation auf den Weg zu bringen. Das hätte man sich im Hinblick auf die Einschränkungen sicherlich oftmals mit einem anderen zeitlichen Vorlauf gewünscht. Gerade im schulischen Bereich mussten sehr häufig Regelungen von Freitag auf Montag umgesetzt werden. Hier hätte ich mir zudem gewünscht, dass man Schulen und Schulträgern ermöglicht, den Rahmenbedingungen vor Ort entsprechend eigene Lösungen auf den Weg zu bringen.
Die Stadt war ja auf einem guten Weg in Richtung Haushaltsausgleich im Jahr 2024. Nun hat Corona alles durcheinander gewirbelt. Wie schlimm sieht es finanziell konkret aus und welchen Anteil haben die Auswirkungen der Pandemie daran?
Aktuell war es uns im Oktober nicht möglich, einen Haushalt für das Jahr 2021 mit genehmigungsfähigem Haushaltssicherungskonzept einzubringen. Das heißt, es kann kein Haushaltsausgleich bis zum Jahr 2024 dargestellt werden. Dies ist allein auf die coronabedingte Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Lage zurückzuführen. Die hierdurch prognostizierten Ertragsminderungen können nicht mit eigener Wirtschaftskraft kompensiert werden. Wie schlimm sich das im Ergebnis konkret darstellt, das kann sicherlich belastbar erst zu einem späteren Zeitpunkt beurteilt werden. Derzeit kann man nur auf Basis der jetzt vorliegenden Prognosen Annahmen treffen.
Heißt? Wie funktioniert das mit der Isolation der coronabedingten negativen Auswirkungen auf den Haushalt?
Die gesetzliche Regelung sieht vor, dass coronabedingte Aufwendungen und Mindererträge nicht in den normalen Jahresabschluss einfließen. Vielmehr kann man diese als Nebenrechnung zum Haushalt erfassen und ab dem Jahr 2025 über bis zu 50 Jahre abschreiben. Grundsätzlich stellt das somit eine Erleichterung für die Jahre 2020 und 2021 dar. Man darf aber nicht vergessen, dass diese geschaffene Bilanzierungshilfe eben auch nur eine solche ist. Im Ergebnis vermindert sich dennoch unser Eigenkapital, das heißt, bezahlen werden wir diese Auswirkungen am Ende selbst.
Nun hat die SPD kürzlich die Sorge geäußert, dass Projekte geschoben werden müssen und sich dabei unter anderem auf das Freizeitbad und die Kultur bezogen. Immerhin hat der Rat im März diesen Jahres den Grundsatzbeschluss zum Neubau des Bades beschlossen. Kippt das?
Es liegt mir völlig fern, den Entscheidungen des Rates vorzugreifen. Im Ergebnis wird es aber eine große Herausforderung sein, für die nächsten Jahre Prioritäten festzulegen im Hinblick darauf, was finanziell möglich und leistbar ist. Dazu gehört sicherlich auch, den bisherigen Beschluss zum Freizeitbad noch einmal auf den Prüfstand zu stellen. Man darf ja nicht vergessen, dass es noch weitere Projekte – wie zum Beispiel die Sanierung der Gesamtschule und nicht zuletzt die Umsetzung des Zielkonzeptes aus dem Prozess „Global Nachhaltige Kommune“ - gibt, die bislang noch nicht vollumfänglich eingepreist sind.
Was ist mit Steuererhöhungen?
Zum jetzigen Zeitpunkt ist eine Prognose über das Jahr 2021 mit großen Unsicherheiten verbunden. Die im Zuge der Pandemie getroffenen Kompensationsmaßnahmen durch Bund und Land zielen bislang lediglich auf die Jahre 2020 und 2021. Wer kann jetzt schon abschließend beurteilen, wie sich die aktuellen Maßnahmen auf die nächsten Jahre auswirken? Letztendlich hängt die Frage nach der Erforderlichkeit von Steuerhöhungen an der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.
Was bedeutet es eigentlich organisatorisch, dass die Politik den Haushalt erst im März 2021 verabschieden möchte?
Wir werden im Jahr 2021 frühestens im Juni einen genehmigten Haushalt haben. Bis dahin gilt die sogenannte „vorläufige Haushaltsführung“. Das heißt, nur bereits begonnene Maßnahmen dürfen Anfang 2021 weitergeführt werden. Neue Maßnahmen können erst mit Genehmigung des Haushaltes auf den Weg gebracht werden, es sei denn die Stadt ist rechtlich verpflichtet oder die Maßnahmen sind unaufschiebbar. Dies gilt auch für die Auszahlung von freiwilligen Leistungen wie zum Beispiel Zuschüssen an Vereine und Verbände.
Was wünschen Sie sich aus Sicht der Stadt für das kommende Jahr?
Im Moment wünsche ich mir in erster Linie, dass ein Ende der Pandemie in Sichtweite kommt. Erst dann wird es wieder möglich sein, sich mit voller Kraft allen weiteren Herausforderungen zu stellen. Dafür wäre es zielführend, dass es gelingt, die anstehenden Aufgaben mit dem erforderlichen Augenmaß im Hinblick auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen anzugehen.