Moers.. Herbert Werth ist Dechant in Moers. Im NRZ-Interview spricht er über den Missbrauch in der katholischen Kirche und den Zölibat für Priester.


Der Missbrauch in der katholischen Kirche macht auch dem neuen Dechanten des Dekanats Moers, Herbert Werth, zu schaffen. „Ich glaube schon, dass viele Christen traurig und betroffen sind“, sagt Werth im Gespräch mit Matthias Alfringhaus (NRZ). Werth wundert, dass das Thema in den Gesprächen der Gemeinde St. Josef bisher keine große Rolle spielt.

Seit 2018 gibt es auch Zahlen zum Missbrauch im Bistum Münster. Wie geht die Gemeinde damit um?

Herbert Werth: Es wundert mich schon, dass dieses Thema in den Gesprächen in der Gemeinde bisher keine große Rolle spielt. Ich kann mir vorstellen, dass bei vielen Menschen, nicht nur in der Gemeinde, Trauer und Wut hochkommen. Deshalb würde ich mir mehr Dialog wünschen. Wir thematisieren den Missbrauch in den Gottesdiensten und beten für die Opfer und auch die Täter. Die Opfer liegen uns sehr am Herzen.

Wie gehen Sie selbst und ihre Kollegen mit dem Missbrauch in der katholischen Kirche um?

Natürlich kommt auch bei uns Ärger und Wut hoch. Wir tauschen uns unter den Seelsorgern aus und beteiligen uns regelmäßig an Supervisionssitzungen. Ich bin Priester geworden, um die Botschaft Gottes zu den Menschen zu tragen und für sie dazusein. Das ist jetzt eine Krisensituation, die wir aushalten müssen. Dennoch ist es falsch, die katholische Kirche unter Generalverdacht zu stellen.

Hier stellt sich ja die Frage, ob der Missbrauch über schwere persönliche Verfehlungen hinaus nicht auch systemisch bedingt ist?

Ja, das ist so. Wir müssen uns Gedanken machen über die Ausbildung von Seelsorgern und Priestern, über deren Lebensführung und ihre Seelsorge. Hier muss es neue Impulse geben. Das Bistum Münster achtet schon länger auf verpflichtende Prävention. Alle, die bei ihrer Tätigkeit mit Kindern zu tun haben, müssen an Schulungen teilnehmen.

Gehört der Zölibat auch zu den systembedingten Fehlern?

Das glaube ich nicht. Die Untersuchungen zum Missbrauch haben gezeigt, dass Missbrauch oft erst dann entstanden ist, wenn der Täter schon viele Jahre zölibatär gelebt hat. Wir sollten aber überlegen, ob der Zölibat verpflichtend für alle sein soll. Ich kenne viele gute ehemalige Priester, die aufgehört haben, weil sie diese Lebensform nicht mehr leben konnten. Sie haben den Schritt aus Verantwortung ihrer Partnerin und ihrer Berufung gegenüber gemacht.

Warum werden bisher so wenige Taten durch staatliche Behörden aufgearbeitet?

Alle Informationen, die bei den Untersuchungen im vergangenen Jahr bekannt geworden sind, liegen auch den Ermittlungsbehörden vor. Die katholische Kirche muss hier mit ihnen zusammenarbeiten, wenn nötig muss das Kirchenrecht geändert werden. Ebenso bedarf es eines Konzeptes, wie es über die strafrechtliche Verfolgung hinaus Wege aus der Krise geben kann. Der ungezwungene Umgang miteinander ist abhanden gekommen, man geht vor dem Hintergrund des Missbrauchs viel schneller auf Distanz.

>>> DIE ZAHLEN


Im Bistum Münster hat es nach den Angaben der katholischen Kirche bei 142 Klerikern Hinweise auf Beschuldigungen des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger gegeben. Dazu wurden 1708 Akten geprüft.

Aus den Akten lassen sich 450 Betroffene identifizieren, 317 hiervon sind namentlich bekannt. Von allen Betroffenen waren knapp 80 Prozent männlich und 20 Prozent weiblich. Quelle: Bistum Münster.