Kamp-Lintfort. Weil sie etwas gegen das Coronavirus unternehmen wollten, stürzten sich Stephan und Regine Thiel in ein neues berufliches Abenteuer – mit Erfolg.
Der ehemalige Bergmann Stephan Thiel könnte in Kamp-Lintfort zum Unternehmer eines ganz besonderen Jahres werden: Seit zwei Wochen produziert der Kamp-Lintforter im Gewerbegebiet an der Kruppstraße zertifizierte Schutzmasken made in Kamp-Lintfort: 43.000 FFP2- und FFP3-Masken werden hier täglich gefertigt und schon in der nächsten Woche soll die Produktion verdoppelt werden. Warum jemand, der eigentlich sein Geld mit einer Waschstraße und dem Verleih von Maschinen verdient, sich Hals über Kopf in ein neues berufliches Abenteuer stürzt? „Wir wollten etwas gegen Corona unternehmen“, sagen Stephan Thiel und seine Frau Regine.
Als im März zu Beginn der Pandemie klar wurde, dass der Mangel an Schutzmasken auch in Deutschland zum Problem werden könnte, reaktivierte Thiel alte geschäftliche Kontakte nach China – auch, weil er sich persönlich vom Ausmaß der Krise betroffen fühlte: „Wir haben Asthma und COPD, eine chronische Lungenerkrankung, in der Familie“, erzählt der 54-Jährige. Die erste Lieferung von Schutzmasken aus China war noch in Ordnung, aber schon bei der dritten Lieferung musste die Ware vernichtet werden.
Knifflig: Die Zertifizierung
Dann sieht er eines Abends mit seiner Frau im Fernsehen, wie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn dafür wirbt, die Produktion von Schutzmasken wieder in Deutschland anzusiedeln, um Abhängigkeiten zu vermeiden. Das, so Thiel, sei für ihn der Startschuss gewesen, selbst tätig zu werden. Aber: „Hätte ich geahnt, welche Hindernisse wir auf diesem Weg erleben – ich hätte es nicht gemacht“, sagt der Unternehmer.
Heute kann er wieder lachen und ist stolz auf das, was er gemeinsam mit seiner Familie aufgebaut hat. 1,5 Millionen Euro hat er investiert, um die Bestandsgebäude an der Kruppstraße zu einer Fertigungs- und Lagerhalle umzubauen, Maschinen zu kaufen und gemeinsam mit seiner Tochter – eine studierte Maschinenbauingenieurin – vor Ort zu optimieren. Als die bei weitem kniffligste Aufgabe stellte sich aber heraus, die Masken zertifizieren zu lassen. Allein das dauerte insgesamt sechs Monate.
Das richtige Material finden
Los ging es damit, das richtige Material zu finden. Und Partner, „die mit einem so kleinen Player wie mir zusammenarbeiten“, so Thiel. Gleich mehrere Prototypen wurden hergestellt und getestet. Als endlich das richtige Modell zur Zertifizierung anstand, kam die erste Enttäuschung. Das würde etwa 7 bis 8 Monate dauern – weil aktuell so viele in die Produktion einsteigen wollten, sagte man ihm bei der Dekra. Letztlich wurden die Kamp-Lintforter Masken in der Türkei zertifiziert – und hier vor Ort für gut befunden.
Was seine Masken so besonders macht? Viele Stunden hätten er und seine Frau in Testlaboren verbracht und mit Textil-, Spinnvlies- und Meltblownherstellern nach der richtigen Rezeptur gesucht. Die verrät Thiel nicht: „Das ist ein bisschen wie bei Coca-Cola“, sagt Thiel und lacht. Immerhin: „Wir sind in Deutschland die ersten, die ein FFP3-Zertifikat haben.“
Nicht nur das St. Bernhard-Krankenhaus – auch andere Krankenhäuser oder Arztpraxen aus der Region beziehen bereits Masken aus Kamp-Lintfort. Anfragen hat der Unternehmer aus ganz Europa, aber: „Ich will, dass unsere Masken in der Region bleiben.“
Kaufen im Online-Shop
Zwölf neue Vollzeitarbeitsplätze hat er bereits geschaffen – und es werden noch mehr: Mit einer zweiten Maschine, die in der nächsten Woche eintreffen soll, kann die Produktionskapazität verdoppelt werden. Erst wollte Thiel die Masken nur an Großabnehmer verkaufen. „Aber jetzt haben wir doch einen Online-Shop
(www.german-medical.nrw)
eingerichtet.“ Auch vor Ort beim Maschinen-Miet-Service Thiel an der Kruppstraße 7 können FFP2-Masken für zwei Euro pro Stück gekauft werden.
Am Donnerstag war Kamp-Lintforts Bürgermeister Christoph Landscheidt zu Gast. Ihm gab Thiel 1000 Masken für caritative Zwecke in Kamp-Lintfort mit.