Moers. Moers als Vorreiter? Zwischen Troisdorf und Kinshasa klicken sich Zuschauer in den Live-Stream des Moers Festivals. Es wurde auch politisch.
Dieses Mal war nicht die Welt zu Gast in Moers, sondern Moers zu Gast in aller Welt: Mehrere zehntausend Menschen verfolgten über Pfingsten auf verschiedenen Kanälen das Moers Festival 2020 im Livestream. „Wir haben die richtige Entscheidung getroffen, das Moers Festival so stattfinden zu lassen. Das Konzept hat super funktioniert“, sagte Moers Kultur GmbH-Chef Claus Arndt auf der Pressekonferenz am Montag.
Über alle Tage habe es Rückmeldungen aus der ganzen Welt gegeben: „Die Menschen haben viel Fantasie entwickelt, damit umzugehen, wir haben ein Feuerwerk an Interaktion erlebt.“ „New ways to fly“ lautete das Festivalmotto lange bevor die Corona-Pandemie die ursprünglichen Planungen durchkreuzt hatte. „Das hatten wir so nicht angedacht, aber wir haben tatsächlich neue Wege aufgezeigt“, sagte Tim Isfort, künstlerischer Leiter des Festivals. Für viele der über 200 in Moers aufspielenden Musiker sei es das erste Konzert seit zehn Wochen gewesen und wohl auch das zunächst letzte für viele folgende Wochen, so Isfort. „Vielleicht haben wir damit ein Zeichen für andere Veranstalter gesetzt.“ Isfort ist sicher, dass der Digitalaspekt weiterhin eine Rolle spielen werde, „das wollen wir mitdenken.“
Noch einmal galt der Dank von Claus Arndt den Förderern des Moers Festivals: „Die Sorge unmittelbar vor der Corona-Krise, dass wir in eine wirtschaftliche Krise rutschen könnten, wurde uns von Anfang an genommen. Alle unsere Partner sind bei uns geblieben und haben unseren Weg unterstützt.“
Nicht nur, dass das Moers Festival es am Freitag erstmals in die ARD-Tagesschau schaffte: „Wir haben über Pfingsten auch die besten Musiker aus ganz Deutschland hier gehabt“, so Isfort. Und: „So politisch wie in diesem Jahr, waren wir schon lange nicht mehr.“ Nicht nur die verschiedenen Diskussionsbeiträge, auch der Auftritt von Patricia Martin, Kai Schumacher, Benedikt ter Braak und Mirela Zhulali mit ihrem Konzertprojekt „Evil Nigger“ rückte auf aufrührende Weise die aktuellen Geschehnisse rund um den Tod von George Floyd in Minneapolis in den Fokus.
Musikalisch spannte das Festival einen weiten Bogen. Klassische Streicher-Töne gab es vom Auner Quartett und dem Landesjugendorchester. Sakral wurde es mit dem Leipziger A-Capella-Chor Sjaella (live in der Stadtkirche wären da Tränen geflossen vor Begeisterung). Am anderen Ende des Spektrums setzte es „Gewalt“: Das Berliner Trio ist die moderne Antwort auf Punk. Mit dem Grammy-Preisträger Chilli Gonzales unterzog man sich gerne einer Lektion in Sachen Jazz und Taktgefühl. Und trotz aller Widrigkeiten schafften es die Macher, sich in Sachen Straßenarbeit treu zu bleiben. Die Überraschungskonzerte im Park fanden zahlreiche spontane, Abstand haltende Zuhörer.