Kreis Wesel. Die niederländische Mafia produziert immer mehr Drogen im Grenzbereich zu Deutschland. CDU-Politikerin aus dem Kreis Wesel fordert eine Reaktion.

Eine Geiselnahme in Bochum, Explosionen in Düsseldorf, Duisburg und Köln, ein Sprengstoff-Anschlag in Solingen: Mehrere aufsehenerregende Straftaten, die in den vergangenen Wochen in Nordrhein-Westfalen verübt worden sind, könnten im Zusammenhang mit der niederländischen Drogenmafia stehen. Davon gehen zumindest Ermittler aus. Und ein neuer Bericht aus dem Nachbarland zeigt, dass sich die organisierte Drogenkriminalität in die niederländisch-deutsche Grenzregion verlagert hat. Aktuell bilden demnach die Provinzen Gelderland und Overijssel das Zentrum der Drogenproduktion.

Der Kreis Wesel ist grenzt zwar nicht direkt an die Niederlande an, vom Hamminkelner Ortsteil Wertherbruch bis nach Dinxperlo sind es mit dem Auto allerdings nur knapp 15 Kilometer, das niederländische Grenzstädtchen liegt in der Drogenproduktions-Hochburg Gelderland. Über die Autobahnen A3, A40 und A57 sind die meisten Kommunen im Kreisgebiet direkt mit dem Nachbarland verbunden, dazu kommt die Bahnstrecke, die über Dinslaken, Voerde, Wesel und Mehrhoog weiter nach Emmerich und Arnheim führt. Kurzum: Wer aus den Niederlanden mit Drogen im Gepäck anreist, hat es nicht weit bis in den Kreis Wesel.

Welchen Einfluss hat die Drogenmafia hier vor Ort? Diese Frage lässt sich nur andeutungsweise klären. In dem gut 100-seitigen Dokument „Synthetische drugs in Oost-Nederland“ geben die niederländischen Sicherheitsbehörden einen Überblick über die Drogenproduktion in der Grenzregion.

Laut der Studie wurden in der Provinz Gelderland in den Jahren 2020 bis 2023 insgesamt 48 Drogenlabore entdeckt, davon 20 im Osten der Provinz. Auffällig ist, dass sich die Lagerstätten für Drogen und Drogenausgangsstoffe immer mehr in die Grenzregion zu Deutschland verlagern. Die Produktion in Gelderland konzentriert sich auf die Großstädte Nimwegen und Arnheim. Aber auch an der Grenze bei Elten und Emmerich im Kreis Kleve wurden Drogenlabore gefunden. Sie befinden sich auf verlassenen Bauernhöfen, in ausgedienten Industriehallen oder in verlassenen Häusern. Die Abfälle werden gerne in Wäldern entsorgt.

Bisher keine Drogenlabore im Kreis Wesel gefunden

Die niederländischen Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass die noch niedrigen Zahlen in Deutschland ein falsches Bild vermitteln: „Möglicherweise ist das Problem größer als bisher bekannt“, heißt es in der Studie. In Deutschland werde dieser Kriminalitätsform noch zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Die Produktionsstätten auf deutschem Gebiet lagen demnach direkt an der Grenze und bis zu 80 Kilometer in NRW. Unter anderem im Raum Duisburg und Krefeld. Aber auch in Kleve und im Südkreis wurden Labore festgestellt. Bei Emmerich wurde ein Lager entdeckt (siehe Grafik).

Für den Kreis Wesel gibt es bisher zwar noch keine dokumentierten Funde, das bestätigte die Kreispolizeibehörde auf Nachfrage der Redaktion. Dass die Drogenmafia hier im größeren Stil aktiv ist, darauf gebe es derzeit keine Hinweise. „Aber völlig ausschließen können wir das auch nicht“, sagt Polizeisprecher Peter Reuters.

Und es bedeutet nicht, dass hier keine organisierten Drogenkriminellen unterwegs sind. „Der Kreis Wesel ist ein Transitraum“, sagt Reuters. Immer wieder fallen auf den Autobahnen oder den Landstraßen hier Dealer auf, die aus den Niederlanden kommen und größere Mengen Drogen dabei haben. So fasste ein grenzüberschreitendes Polizeiteam im Oktober des vergangenen Jahres beispielsweise einen 23 Jahre alten Autofahrer auf dem Autobahnrastplatz Dong bei Neukirchen-Vluyn. Der Mann aus Albanien hatte rund 1,5 Kilogramm Cannabis dabei und floh nach der Einreise in Deutschland mehrere Kilometer auf der A57 vor der Polizei.

Bundestagsabgeordnete fordert bessere Zusammenarbeit

Sorgen macht sich jedenfalls Sabine Weiss, CDU-Bundestagsabgeordnete für den Kreis Wesel, über die Entwicklungen auf beiden Seiten der Grenze. Sie fordert eine bessere Zusammenarbeit der beiden Nachbarländer bei der Kriminalitätsbekämpfung. „Die jüngsten Berichte über Bandenkriminalität, über Folterungen, Entführungen und Sprengungen, unterstreichen die Richtigkeit unserer Forderung“, sagt Weiss.

„Die Beamten jenseits und diesseits der Grenze müssen ihre Schreibtische zusammenschieben, um effizienter und erfolgreicher gegen die organisierte Kriminalität vorzugehen“

Sabine Weiss
CDU-Bundestagsabgeordnete

Sie hat mit 16 weiteren CDU-Bundestagsabgeordneten, deren Wahlkreise nahe der niederländisch-deutschen Grenze liegen, Innenministerin Nancy Faeser dazu aufgefordert, die Verhandlungen mit der niederländischen Regierung über ein gemeinsames Zentrum der Polizei- und Zollzusammenarbeit zu forcieren. „Die Beamten jenseits und diesseits der Grenze müssen ihre Schreibtische zusammenschieben, um effizienter und erfolgreicher gegen die organisierte Kriminalität vorzugehen“, so Weiss.

Was da momentan zu uns aus den Niederlanden über die Grenze schwappt, könne nicht hingenommen werden, findet die Bundestagsabgeordnete, deren Forderung auch vom NRW-Innenminister Herbert Reul und dem Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft Rainer Wendt unterstützt werde. „Wenn die niederländischen und deutschen Kollegen ‚grenzenlos‘ zusammenarbeiten können, ihre Kompetenzen und Erfahrungen bündeln, dann kann die Bekämpfung der organisierten Kriminalität auf ein neues Niveau gehoben werden“, ist Weiss sich sicher.