Kreis Wesel/Moers. Der ÖPNV im Kreis Wesel soll klimaneutral und die Niag-Busflotte auf Elektroantrieb umgestellt werden. Mögliches Problem: die Bundesförderung.

Das fast zehn Tonnen schwere Gefährt rollt nahezu geräuschlos über die Straße. Ein zweifacher Glockenton kündigt sein Kommen an, um Personen, an denen das Fahrzeug vorbeifährt, nicht zu erschrecken. Es geht um die neuen E-Busse der Niederrheinischen Verkehrsbetriebe AG (Niag), die im Rahmen einer Präsentation unter anderem im Beisein von Umweltminister Oliver Krischer in der Moerser Zentrale des Unternehmens vorgestellt wurden.

Die ersten zwei der neuen Busse wurden vor Kurzem geliefert, bis Ende des Jahres sollen es 43 sein. Auf dem Betriebshof der Niag wird nach und nach die Ladeinfrastruktur dafür installiert. Die ersten zwölf Ladesäulen wurden mithilfe einer Fördersumme von etwas über einer Millionen Euro bereits angeschlossen.

Umstellung auf E-Antrieb im Kreis Wesel: Fördergelder sind eine wichtige Voraussetzung

Bis Ende 2035 sollen in den Kreisen Wesel und Kleve insgesamt 333 E-Busse unterwegs sein. „Dabei ist die Förderung für Ladeinfrastruktur eine wichtige Voraussetzung. Bis Ende 2025 werden 80 Prozent der Mehrkosten des Elektrobusses im Vergleich zum Dieselbus vom Bund gefördert“, erklärt Michael Block, Pressesprecher der Niag.

Das Ziel ist, dass der ÖPNV im Kreis Wesel bis 2030 kontinuierlich CO2-neutral werden soll, im Kreis Kleve bis 2035. Allerdings gibt es jetzt schon Verzögerungen. Eigentlich sollten bis Ende vergangenen Jahres schon zwölf Busse bei der Niag angekommen sein, doch es gab Lieferschwierigkeiten.

Über eine Tonne leichter als Dieselbusse

„Die Hersteller werden von Anfragen überrannt. Oftmals geht es aber nur um kleine Teile, zum Beispiel Platinen, ohne die die Busse nicht ausgeliefert werden können“, erklärt Niag-Vorstandsmitglied Hendrik Vonnegut. Doch er ist zuversichtlich, dass der Zeitplan bis Ende des kommenden Jahres eingehalten werden kann.

„In unserer großen Region - immerhin so groß wie das Saarland - ist das ein ganz erheblicher Schritt. Und es ist ein sichtbares Zeichen für den Willen, Klimaschutz nicht nur in der Energieproduktion umzusetzen, sondern auch im Verkehrssektor. Dieser ist in seiner Gesamtheit schließlich für einen erheblichen Anteil am Ausstoß klimaschädlicher Emissionen verantwortlich“, betont Vonnegut.

Oliver Krischer, Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr NRW, kam zum Empfang.
Oliver Krischer, Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr NRW, kam zum Empfang. © FUNKE Foto Services | Volker Herold

Die verfügbaren E-Busse werden zunächst auf den frequentierteren Linien in und um Moers eingesetzt, zum Beispiel der 911, die zwischen Kamp-Lintfort und Duisburg-Ruhrort unterwegs ist. Die Busse haben eine Reichweite von bis zu 550 Kilometern, eine Batteriestärke von 383 Kilowattstunden und sind mit einem Leergewicht von 9950 Kilogramm über eine Tonne leichter als ein herkömmlicher Dieselbus. Die E-Busse bieten 38 Sitz- und 57 Stehplätze, in den Gelenkbussen finden bis zu 150 Fahrgäste Platz, geht aus der Präsentation hervor.

„Das Fahrverhalten ist ähnlich, nur die Rahmenbedingungen sind anders“

Neben dem neuen Antrieb ist die größte Besonderheit der neuen Busse wohl, dass es keine Außenspiegel mehr gibt. Sowohl im als auch außerhalb des Busses kann der/die Fahrer/in vom Steuer aus über Kameras alles überblicken. Dabei hat eine der Kameras die Form eines Außenspiegels und hängt rechts neben dem Fahrerhäuschen. Außerdem gibt es zwischen den Sitzen USB-Anschlüsse, an denen zum Beispiel Handys geladen werden können.

Ob die E-Mobilität in Zukunft vom Bund im aktuellen Maß weiter gefördert wird, ist gerade in der Diskussion.
Ob die E-Mobilität in Zukunft vom Bund im aktuellen Maß weiter gefördert wird, ist gerade in der Diskussion. © FUNKE Foto Services | Volker Herold

Darüber hinaus fällt natürlich die deutlich ruhigere Geräuschkulisse auf und dass der Bus schneller beschleunigt als das Diesel-Pendant. Jürgen Klein, Verwaltungsangestellter und Busfahrer bei der Niag und schon seit 32 Jahren im Unternehmen, sagt: „Man hört gar nicht mehr, ob der Motor an ist, dafür gibt es eine Kontrollleuchte. Das Fahrverhalten ist ähnlich, nur die Rahmenbedingungen sind anders. Es ist sehr angenehm, damit zu fahren.“ Aber ohnehin mache das, was neu ist, immer mehr Spaß, meint der Busfahrer und lacht.

CO2-neutraler ÖPNV: Kreis Wesel sieht Ziele gefährdet

Der Kreis Wesel sieht sein Klimaziel schwinden, den ÖPNV im Kreisgebiet bis 2030 auf CO2-Neutralität umzustellen. Der Grund: Die Bundesregierung möchte ihre Förderung von Elektrobussen wegen der eigenen Haushaltskonsolidierung einstellen. Dadurch fehlen aber dringende Mittel, um die Flotte der Niag komplett klimafreundlich umzuwandeln. Auf Antrag der Grünen-Fraktion hat der Kreistag nun mit großer Mehrheit eine Resolution auf den Weg gebracht, um die Bundesregierung dazu zu bringen, „die Einstellung des Förderprogramms für alternative Antriebe von Bussen im öffentlichen Personenverkehr zu überdenken“ und sich für eine Fortsetzung der Förderung von Elektrobussen einzusetzen.

„Mit großer Verwunderung und Entsetzen haben wir zu Beginn des Jahres zur Kenntnis nehmen müssen, dass das Förderprogramm für alternative Antriebe von Bussen im öffentlichen Personenverkehr durch den Bund eingestellt werden soll“, heißt es unter anderem in der Resolution, in der sie auch Bundesverkehrsminister Volker Wissing zitieren, der im Juni vergangenen Jahres noch die Notwendigkeit der Förderung und das Ziel eines CO2-freien Nahverkehrs ausgerufen habe. Auf diese Aussagen habe man sich verlassen, schreiben Kreis und Politik. Nun aber sehe man durch den geplanten Wegfall der Förderung die Gefahr, dass die gesetzten Ziele nicht erreicht werden können. „Auch unser Ziel, die komplette Umstellung der Busflotte auf Elektroantrieb bis 2030 zu erreichen, sehen wir als gefährdet an.“ Daher fordere man die Bundesregierung nachdrücklich auf, „im Interesse der Verkehrswende vor Ort zu handeln und eine weitere Förderung der Konversion der Busflotten sicherzustellen“.

„E-Mobilität passt in den Trend der Zeit und es ist erforderlich, dass wir auf erneuerbare Energie umstellen“, betont Klein. Block führt aus: „Das ist finanziell gesehen in 115 Jahren Unternehmensgeschichte das mit Abstand größte Projekt, das die Niag zu stemmen hatte. Auch personell ist es eine Herausforderung.“ Die Niag hat laut dem Pressesprecher rund 800 Mitarbeitende, davon rund 500 Fahrerinnen und Fahrer. Alle wurden für die neuen Busse geschult.

Niag-Vorstandsmitglied Christian Kleinenhammann betonte bei der Präsentation der E-Busse : „In den kommenden Jahren möchten wir weiterhin Pionierarbeit leisten und unsere Flotte kontinuierlich modernisieren, um umweltfreundlichere und effizientere Mobilitätslösungen zu bieten, nicht nur mit Bussen, sondern auch im Bike- und Carsharing, mit On-Demand-Angeboten und vielem mehr. Wir wollen kräftig mithelfen, die CO2-Emissionen zu senken und die Lebensqualität in den Städten und Gemeinden zu verbessern.“