Kreis Wesel. House, Schlager, Mottopartys. Schützenvereine spielen modernere Musik auf ihren Festen. Was dabei wichtig ist - und was besonders beliebt ist.
„Schlager meets House“ heißt es Ende Juni beim Schützenfest des BSV Bruckhausen auf dem Danziger Platz im Hünxer Ortsteil. Damit geht der Schützenverein einen originellen Weg, um auch ein jüngeres Publikum anzulocken. Bei der ersten Auflage im vergangenen Jahr war das Zelt mit 1500 Besuchern „rammelvoll“. Auch in diesem Jahr seien die Karten fast schon ausverkauft, berichtet Jens Geßmann, erster Vorsitzender des Vereins.
Mit Olaf Henning hat der BSV einen bekannten Schlagersänger als Zugpferd gewinnen können, dazu kommen mit Marc Koch und Maik Baker zwei weitere Schlagersänger. Für den House-Part wird Marcel Krause sorgen, der selber in Bruckhausen lebt und auch schon beim World Club Dome in Frankfurt auflegen durfte.
Die „Altvorderen“ sind eher skeptisch
„Als Schützenverein haben wir auch einen kulturellen Auftrag in der Gemeinde, mit neuen Aktivitäten die Leute zu bewegen. Das fällt bei den jungen Leuten immer schwerer, aber wir versuchen, dem Ganzen mehr Attraktivität zu verleihen“, erklärt Geßmann.
Auf der einen Seite würden auch die jüngeren Vereinsmitglieder Wert auf die Zusammenarbeit, zum Beispiel mit dem Tambourkorps, legen. Auf der anderen Seite, wenn es um die Party gehe, „müssen wir uns aber auch dem aktuellen Trend stellen. Wenn man mit den ,Altvorderen‘ spricht, sind sie mitunter verwundert, dass wir diesen Weg gehen müssen, aber der Erfolg gibt uns recht“, führt der Vereinsvorsitzende aus.
„Phänomenale Atmosphäre und unglaubliche Energie“
Es gebe sicherlich Songs, die auf Schützenfesten immer gingen. „Meistens sind das Sachen aus den Charts oder Mallorca-Hits“, sagt der Vereinsvorsitzende. Interessant sei: „Wenn man die Jugend nach Schlager fragt, sagen viele im ersten Moment, das sei nicht so ihr Ding. Nachher sind sie aber alle auf der Tanzfläche.“
DJ Marcel Krause, der bei der Premiere im vergangenen Jahr auch schon dabei war, gerät ins Schwärmen: „Die Atmosphäre ist phänomenal und die Leute haben eine unglaubliche Energie. Das ist wie bei einem Festival, dass die Leute bei allem, was auf der Bühne passiert, zur Bühne gerichtet sind und einfach nur Spaß haben.“
Musik hat sich gewandelt
Er hat das Gefühl, dass immer mehr Schützenfeste mit Mottopartys ausgerichtet werden, sagt Krause. In Emmelsum habe es eine 80er-bis-2000er-Party gegeben, die Jungschützen in Hünxe hatten im Rahmen einer Mallorca-Party unter anderem Ballermann-Star Mickie Krause zu Gast.
Bekannte Klassiker in neuer Version
Für das weitere Musikprogramm zeichnet die Band „Soundtrack“ aus Hünxe verantwortlich, die bereits seit über 30 Jahren, allerdings in wechselnder Besetzung, auf vielen Schützenfesten in der Region unterwegs ist. Timo Völksen, der sich vor rund 15 Jahren der Band angeschlossen hat, findet, dass man gerade einen Wandel bei Schützenfesten feststellen kann. Viele Vereine würden mittlerweile auf einen „Disco-Tag“ setzen, um damit ein jüngeres Publikum anzulocken, sagt der Musiker.
Alte Lieder kommen immer noch gut an
„Das entwickelt sich gerade. Man sieht bei vielen Verein, dass viele sehr junge Leute da sind, insgesamt ist das Publikum sehr gemischt. Nach wie vor sind aber auch alte Lieder bei Schützenfesten sehr beliebt“, berichtet Völksen. Von „Über den Wolken“ über „Wir sind alle über 40“ bis hin zu aktuellen Malle-Hits sei musikalisch alles dabei.
„Als Band haben wir uns natürlich auch weiterentwickelt. Mittlerweile haben wir auch eine Sängerin dabei“, sagt Völksen. Ein festes Programm hat die Band nicht, vielmehr spielen sie spontan Tracks je nach Stimmung im Festzelt und lassen sich auch auf Besucherwünsche ein.
Den einen Hit gibt es in diesem Jahr nicht
Den einen festen „Kracher“ wie seinerzeit „Layla“ gebe es in diesem Jahr nicht, allerdings rechnet Völksen damit, dass „Pyrotechnik ist doch kein Verbrechen“, das mittlerweile auch im Liedgut der Fußball-Fans Einzug gehalten hat, sehr gefeiert werden wird.
Insgesamt hat Soundtrack in dieser Saison rund 30 Termine im Kalender. Es seien auch schon mal knapp 50 gewesen, „aber wir wollten nicht mehr so viel machen. Allerdings spielen wir auf einigen Schützenfesten, wie in Bruckhausen oder Hünxe, schon 20 Jahre oder länger und da sind echte Freundschaften entstanden“, betont Völksen.
SV Obrighoven lässt sich überraschen
Auch der Schützenverein Obrighoven in Wesel hat für sein Schützenfest im August das Konzept etwas umgestellt. „Wenn wir die gleiche Musik bestellt hätten wie im letzten Jahr, hätten wir über 10.000 Euro bezahlt“, verrät der erste Vorsitzende Klaus Strößer. In diesem Jahr wird sowohl am Samstag als auch am Montag die gleiche Band für die musikalische Untermalung sorgen. „Ich kenne sie noch nicht, ich lasse mich mal überraschen.“
Bei anderen Vereinen „spionieren“
Zu der Entwicklung in Richtung Mottopartys meint Strößer: „Das ist ein Versuch, etwas Umsatz zu generieren. Tendenziell werden wir im nächsten Jahr auch mal so etwas probieren. Dieses Jahr spioniere ich bei den anderen Vereinen und gucke mal, wie es ist.“
Die Resonanz bei den Besuchern in den vergangenen Jahren sieht der Vorsitzende positiv: „Am Ende haben sie immer vor der Theke gezappelt. Solange die Leute zu der Musik tanzen, bin ich zufrieden.“ Es gebe immer „Standard-Lieder“, bei denen das Publikum begeistert sei, aber er möchte auf jeden Fall „L‘amours toujours“ von Gigi D‘Agostino vermeiden, das durch das Sylt-Video einen unrühmlichen Kontext erhalten hat.
Bewährte Konzepte
Die St.-Bernhardus-Bruderschaft in Kamp-Lintfort bucht seit längerer Zeit die gleiche Band für das Schützenfest und den zwei Wochen darauf stattfindenden Krönungsball, verrät Brudermeisterin Cornelia Gerritz. Bei den Schützenfesten, die sie in diesem Jahr besucht habe, seien bewährte Konzepte gespielt worden, sagt Gerritz.
Sie genieße die Atmosphäre und die Musik bei Feierlichkeiten „immer wieder. Das ist ein Mix aus Verschiedenem, was die Bands mitbringen. Gute Bands sind die, die die Stimmung aufgreifen und das Zelt zum Wackeln bringen können“, sagt die Brudermeisterin und lacht.
Wichtig sei, dass es tanzbar ist und „wir rudern. Wer das auf einem Schützenfest noch nicht gemacht hat, hat etwas verpasst“, findet Gerritz. Mit dem Musikkonzept „sind wir in den vergangenen Jahren gut gefahren und ich sehe da für uns keinen Änderungsbedarf“, betont die Brudermeisterin.