Kleve. Im Internet kursieren zur Nationalpark-Debatte viele Un- und Halbwahrheiten. Minister Oliver Krischer stellt sie richtig – zum x-ten Mal.

Der Bürgerentscheid für einen Nationalpark Reichswald geht in die heiße Phase. Bis Ende nächster Woche, 22. November, sollen alle Bürger des Kreises Kleve ihre Wahlunterlagen erhalten haben und können abstimmen. 265.530 Briefe werden verschickt. Im Vorfeld gibt es bereits einen engagierten Wahlkampf zwischen Befürwortern und Ablehnern einer Nationalparkidee. Dabei kursieren auch viele Un- und Halbwahrheiten. Die NRZ bat Umweltminister Oliver Krischer, einige Aussagen richtig zu stellen.

NRZ: Herr Krischer, in der Debatte um einen möglichen Nationalpark Reichswald werden derzeit im Internet viele Un- und Halbwahrheiten verbreitet. Nehmen Sie diese Fake News zur Kenntnis?

Umweltminister Oliver Krischer: Ich bekomme natürlich mit, dass es Behauptungen und Unterstellungen gibt, die frei erfunden sind. Ich frage mich auch, wo das herkommt und wer so etwas in die Welt setzt. Zum Beispiel das Betretungsverbot für den Reichswald oder überhaupt für einen Nationalpark. Da lese ich oft, dass man da nicht spazieren gehen darf. Das ist natürlich absurd. Jeder, der schon einmal in einem Nationalpark war, sieht, dass große Teile des Waldes begehbar sind, dass es Freizeitangebote gibt, dass es alle Möglichkeiten gibt, einen Nationalpark zu erleben. Das wird natürlich auch im Reichswald so sein. Mein Ministerium hat auf unserer Homepage einen Faktencheck veröffentlicht, für alle, die sich um eine sachliche Diskussion bemühen.

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Auftakt zur Thementour2024: Minister Oliver Krischer -Maßnahmen zum Hochwasserschutz, Deichrückverlegung und ökologischen Aufwertung an der Emscher
NRW-Umweltminister Oliver Krischer © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

NRZ: Ärgert Sie so etwas?

Krischer: Es ist schade, dass viele Debatten nicht mehr faktenbasiert geführt werden. Man kann unterschiedlicher Meinung sein und ich kann gut damit leben, wenn jemand gegen einen Nationalpark ist, aber wenn Dinge behauptet werden, die völlig aus der Luft gegriffen sind, nur um Stimmung zu machen, dann ist das ärgerlich.

„Das ist frei erfunden. Mir ist nichts dergleichen vorgestellt worden und es gibt auch keine Überlegungen, den Nationalpark über die bekannte Flächenkulisse hinaus zu erweitern.“

Oliver Krischer über die Behauptung, dass das Ministerium bereits Pläne für Erweitungsflächen außerhalb des Reichswaldes für einen Nationalpark habe.

NRZ: Sie haben das Verfahren zum Nationalpark angestoßen, weil Sie die Menschen vor Ort mitnehmen wollen. Aber ist das überhaupt noch möglich, wenn die „Bullshit-Methode“ von Donald Trump jetzt auch auf lokaler Ebene im Kreis Kleve angewendet wird? Kann man die Bürgerinnen und Bürger noch mitnehmen, wenn das Internet mit so viel Desinformation überschwemmt wird?

Krischer: Die Frage ist: Was ist die Alternative? Die einzige Möglichkeit ist, die Dinge klar und richtig darzustellen und beide Seiten mit allen Informationen zu versorgen. Wir haben uns als Ministerium bewusst dafür entschieden, keine Kampagnen zu machen. Wir stehen zur Verfügung, um sachlich zu informieren.

Nationalpark Reichswald
Ziel eines Nationalparks ist die Erhöhung der Artenvielfalt in der Region.  © NRZ | Andreas Gebbink

NRZ: Sprechen wir über drei konkrete Aussagen. Annette Hans, Vorstandsmitglied der Gruppe Unser Reichswald, behauptet in einem Youtube-Video mit Bauer Willi, dass im Hintergrund eine Erweiterung des Nationalparks geplant sei, die auch zu Lasten landwirtschaftlicher Flächen gehe. Ihnen persönlich seien „Kompensationserweiterungsflächen“ vorgestellt worden, um auszuloten, inwieweit eine Erweiterung der Nationalparkfläche möglich sei. Was ist da dran?

Krischer: Das ist frei erfunden. Mir ist nichts dergleichen vorgestellt worden und es gibt auch keine Überlegungen, den Nationalpark über die bekannte Flächenkulisse hinaus zu erweitern, die sich ausschließlich auf den Staatswald, also auf die Eigentumsflächen des Landes Nordrhein-Westfalen bezieht. Alle anderen Behauptungen, dass es Überlegungen, Planungen oder irgendetwas gibt, was eine Erweiterung beinhaltet, die dann auf Flächen Dritter zugreift, sind freie Erfindungen. Das kann ich in aller Deutlichkeit sagen.

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NRZ: Im Klever Kino läuft ein Werbespot der Gruppe Unser Reichswald, in dem unter anderem ein abgebrannter Wald zu sehen ist. Auf der Internetseite der Gruppe wird behauptet, dass der Zugang zur Brandbekämpfung in einem Nationalpark behindert wird. 

Krischer: Auch das haben wir schon klargestellt und ich sage es gerne noch einmal: Das ist falsch. Natürlich kann und wird in einem Nationalpark ein Waldbrand gelöscht, der muss auch gelöscht werden. Dazu gibt es im Nationalpark Eifel eine Abstimmung mit den Feuerwehren der Region. Auch in einer Nationalparkverordnung Reichswald lässt sich ein klares Vorgehen verankern, das klarstellt, dass natürlich bei Bränden wie in jedem anderen Wald gelöscht wird.

„Niemand verliert seinen Arbeitsplatz, im Gegenteil. “

Oliver Krischer über die Behauptung, dass Förster und Waldarbeiter in einem Nationalpark ihren Job verlieren.

NRZ: Dritter Vorwurf: Georg Cluse, ehemaliger Bundestagskandidat der FDP aus Kleve, kolportiert auf Facebook, dass „bestens ausgebildete Fachkräfte (Förster/Waldarbeiter) ihren Job verlieren“. Was ist dran?

Krischer: Niemand verliert seinen Arbeitsplatz, im Gegenteil. Das Beispiel Eifel zeigt, dass durch einen Nationalpark am Ende mehr Menschen Arbeit finden. Die Mitarbeiter der Forstverwaltung können, wenn sie möchten, in die Nationalparkverwaltung wechseln. Alle werden übernommen. Das ist bei allen Wald-Nationalparken in Deutschland so gewesen. Insofern muss niemand um seinen Arbeitsplatz fürchten. Ganz im Gegenteil. Durch die zusätzlichen Angebote wird mehr Personal benötigt, zum Beispiel in der Umweltbildung. Für viele Projekte können auch Fördermittel der Europäischen Union eingeworben werden.

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NRZ: Ich mache einen Sprung: Der jüngste Artenschutzgipfel im kolumbianischen Cali ist an den Finanzen gescheitert, ein wirksamer weltweiter Artenschutz ist nicht in Sicht. Auch vor diesem Hintergrund: Muss das Land NRW nicht Nägel mit Köpfen machen und die Natur besser schützen? Die Flächen des Reichswaldes gehören dem Land, warum nicht einfach den Nationalpark ausweisen?

Krischer: In Cali ist es in der Tat nicht gelungen, die Finanzierungsfragen zu lösen, aber ich würde den Gipfel nicht als gescheitert bezeichnen. In vielen anderen Fragen sind wir vorangekommen. Aber richtig ist: Es muss noch viel mehr passieren und Deutschland ist in der Pflicht, etwas zu tun. Wir machen schon sehr viel für den Naturschutz, auch unabhängig vom Nationalpark. Wir werden in Nordrhein-Westfalen weitere Schutzgebiete ausweisen, wir machen Artenschutzprogramme. Das passiert. Der Nationalpark ist ein Baustein. Meine Erfahrung ist: Ein Nationalpark ist am Ende nur erfolgreich, wenn die Menschen vor Ort mitmachen und das akzeptieren. Das ist ein größeres und relevantes Projekt, das auch eine Strahlkraft hat. Deshalb ist ein Nationalpark, der gegen den Willen der Bevölkerung eingerichtet wird, zum Scheitern verurteilt. Wir brauchen auch die konstruktive Mitarbeit der Unteren Naturschutzbehörde. Wenn sich der Landkreis querstellt, werden wir nicht zu guten Lösungen kommen. Damit wäre letztlich auch dem Naturschutz nicht gedient.