Kreis Kleve. Die AOK Rheinland-Hamburg hat am Mittwoch ihren Gesundheitsreport 2024 vorgestellt. Viele vermeidbare Notfälle und zu wenig Ärzte im Kreis Kleve.
Keine Termine beim Hausarzt, wenige Kinderärzte und viele vermeidbare Notfälle in Krankenhäusern. So lässt sich der aktuelle Gesundheitsstand im Kreis Kleve beschreiben. Die AOK Rheinland / Hamburg hat am Mittwoch, 7. August, den neuen Gesundheitsreport vorgestellt. Der zeigt, vor welchen Herausforderungen das Gesundheitssystem im Kreis Kleve steht. „Die Ergebnisse sind eine fundierte und wertvolle Grundlage für Diskussionen rund um die Versorgung in den Regionen“, so Manrico Preissel, AOK-Regionaldirektor für die Kreise Kleve und Wesel.
+++ Abonnieren Sie den Kanal NRZ Emmerich auf WhatsApp +++
Laut dem neuen Gesundheitsreport der AOK Rheinland kamen im Kreis Kleve während der Öffnungszeiten der sogenannten Portalpraxen durchschnittlich 15 Notfälle auf 100 Versicherte. Mehr als 56 Prozent wurden in den Notfallambulanzen der Krankenhäuser behandelt.
Nach Angaben der Krankenkasse, die in der Region 90.000 Versicherte hat, wurden mehr als 15 Prozent der Notfälle stationär in Krankenhäusern behandelt. Demnach wären 44,7 Fälle pro 1000 Versicherte vermeidbar gewesen, wenn die Betroffenen vorher vom Haus- oder Facharzt behandelt worden wären. „Hätten wir bessere hausärztliche sowie fachärztliche Versorgung, hätten wir diese Fälle auch nicht“, sagt Preissel.
+++ Abonnieren Sie den Kanal NRZ Kleve auf WhatsApp +++
Wenige Menschen im Kreis nehmen den kostenlosen Check-up wahr
Erstaunlich ist, dass im Kreis Kleve weniger Versicherte den kostenlosen „Check-up“ in Anspruch nehmen, bei dem AOK-Versicherte ab 35 Jahren alle drei Jahre untersucht werden. Ziel dieser allgemeinen Gesundheitsuntersuchung ist es, Risiken und Belastungen frühzeitig zu erkennen. Außerdem dient dieser allgemeine Gesundheitscheck der Früherkennung von Volkskrankheiten, insbesondere von Herz-Kreislauf- und Nierenerkrankungen sowie Diabetes. Allerdings nehmen nur 35,3 Prozent der Frauen und 32,2 Prozent der Männer im Kreisgebiet dieses Angebot wahr. Damit liegt der Kreis Kleve auf dem vorletzten Platz im Vergleich zu anderen Gebieten der Gesundheitskasse AOK Rheinland.
Die Wartezeiten auf einen Arzttermin sind für die Menschen im Kreis Kleve ein Hindernis, so Manrico Preissel. Deshalb nehmen viele diese Untersuchungen nicht in Anspruch. Dabei würden solche Untersuchungen helfen, Krankheiten möglichst früh zu erkennen und gegebenenfalls entsprechend zu behandeln.
81,8 Prozent der Schlaganfallpatienten werden behandelt
Mittlerweile leiden laut Gesundheitsbericht 9,5 Prozent der Kreisbevölkerung ab 30 Jahren an einer koronaren Herzkrankheit (KHK). Immerhin nehmen rund 41 Prozent der Betroffenen an einem strukturierten Behandlungsprogramm teil und werden von Kardiologen mitbetreut. Auch „57 Prozent erhalten ausreichend empfohlene Medikamente“, heißt es in dem Bericht.
Aus den Zahlen der AOK Rheinland lässt sich entnehmen, dass 63 Prozent der Versicherten mit Vorhofflimmern im Kreis Kleve im Jahr 2022 eine medikamentöse Therapie zur Schlaganfallvermeidung bekommen haben. Damit bildet der Kreis Kleve das Schlusslicht. Auch wurden nur 81,8 Prozent der Schlaganfallpatienten in einer spezialisierten Stroke-Unit behandelt.
Kinderärzte Versorgung ist das Fokusthema im Kreis Kleve
Der Gesundheitsbericht 2024 legt einen besonderen Schwerpunkt auf die kinderärztliche Versorgung im Kreis Kleve. Denn der Mangel an Kinderärzten spiegelt sich im Bericht der AOK Rheinland/Hamburg deutlich in der Fahrzeit zu einer Praxis wider. 19 Prozent der Fahrten zu einer Praxis im Kreis Kleve dauern 20 Minuten. Damit liegt der Kreis hinter dem Kreis Euskirchen (28 Prozent) und dem Oberbergischen Kreis (21 Prozent) an dritter Stelle der Kreise mit den längsten Fahrzeiten zu einer Kinderarztpraxis.
Sowohl im Kreis Kleve als auch im Kreis Wesel ist Emmerich/Rees dabei Spitzenreiter. Dort sind 47,3 Prozent der Wege länger als 20 Minuten. In Kalkar, Bedburg-Hau und Uedem liegt der Anteil bei 30,4 Prozent. Es folgen Goch, Weeze (21,3 Prozent), Kleve (13,4 Prozent), Kevelaer (6,7 Prozent) und Geldern (6,4 Prozent).
„Hätten wir bessere hausärztliche sowie fachärztliche Versorgung, hätten wir diese Notfälle auch nicht“
Kinder und Jugendliche im Kreis Kleve werden beim Hausarzt behandelt
Der AOK-Gesundheitsreport zeigt, dass inzwischen mehr als 29 der Kinder und Jugendlichen im Kreis Kleve in Hausarztpraxen behandelt werden. Damit liegt der Kreis Kleve hinter dem Kreis Düren an zweiter Stelle bei der Zahl der Kinder und Jugendlichen, die vom Hausarzt behandelt werden. Dies habe zur Folge, so Manrico Preissel, dass die Hausärzte weniger Termine für andere Patienten hätten.
Auch für Volquart Stoy, Mitherausgeber des Berichts, ist das Thema im Kreisgebiet eine große Herausforderung. Denn zum Beispiel „könnten wir zehn Kinderärzte mehr gebrauchen“. Das spiegelt sich deutlich in den einzelnen Kommunen wider. So ist Emmerich/Rees mit 54,8 Prozent auch Spitzenreiter bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen in Hausarztpraxen. In Kalkar/Bedburg-Hau und Uedem liegt der Anteil bei 39,8 Prozent. 32,6 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Goch/Weeze werden ebenfalls vom Hausarzt behandelt. In Kleve sind es 29,6 Prozent, in Geldern 10,8 Prozent und in Kevelaer 10 Prozent.
Eine Unterversorgung im Kreis Kleve droht
Der Versorgungsgrad im Kreis Kleve liegt laut dem Gesundheitsreport unter 100 Prozent (Geldern 98,7 Prozent, Goch 95,7 Prozent, Emmerich 91,6 Prozent, Kleve 87,4 Prozent und in Kevelaer 85,1 Prozent). Dies könnte dazu führen, dass im Kreis Kleve in den kommenden Jahren eine Unterversorgung droht. Trotzdem finden 83 Prozent der Fälle kreisweit in einer Praxis statt, die innerhalb von 15 Minuten mit dem Auto erreichbar ist.
6,6 Prozent beträgt der Krankenstand im Kreis Kleve
Laut AOK-Gesundheitsreport ist der Anteil der durch Arbeitsunfähigkeit verlorenen Arbeitszeit bei den Erwerbstätigen gering. Der Krankenstand der AOK-Versicherten liegt bei 6,6 Prozent. Darunter liegt der Anteil der Arbeitsunfähigkeit aufgrund von Atemwegserkrankungen bei 57 Prozent. Der Anteil aufgrund von Muskel-Skelett-Erkrankungen liegt bei 30,5 Prozent.