Kleve. Ein Spielsüchtiger hat mit 1,95 Millionen Euro online gezockt und eine halbe Million verloren. Warum er das Geld jetzt zurückbekommt.
Gegen seine Spielsucht wird dieses Urteil vermutlich nichts ausrichten können. Es dürfte aber dazu beitragen, seinem Leben vielleicht eine neue Wendung zu geben. Das Landgericht Kleve hat einem Kläger aus dem Kreis Kleve im Januar die Erstattung seiner Spielverluste in Höhe von rund 546.000 Euro zugesprochen. Das sind die Hintergründe.
In dem Verfahren am Landgericht Kleve ging es um die Klage eines Mannes, der zwischen Juli 2012 und Oktober 2020 insgesamt 1.849.507 Euro als Spieleinsätze auf einer Website eines maltesischen Glücksspiel-Unternehmens einzahlte und Ausschüttungen von 1.303.501 Euro zurückerhielt. Das restliche Geld, immerhin 546.006 Euro, hat er auf der Website verzockt. So weit sein Pech im Spiel. Jetzt aber forderte er den Differenzbetrag zurück.
Online-Glücksspiel wurde liberalisiert
Mit Erfolg. Begründung: Das Glücksspiel-Unternehmen verfügt nicht über eine deutsche Lizenz für Online-Glücksspiel, sondern nur über eine Konzession der maltesischen Glücksspielaufsichtsbehörde. Darauf weist Claus Goldenstein hin, der Anwalt des Klägers, mit einer auf solche Fälle spezialisierten Kanzlei mit Hauptsitz in Berlin-Schönefeld.
Generell, so heißt es aus der Berliner Kanzlei, sei es erst im Juli 2021 zu einer bundesweiten Liberalisierung des Online-Glücksspielmarktes gekommen, als der neue Glücksspielstaatsvertrag in Kraft trat. Zuvor gab es lediglich in Schleswig-Holstein eine Ausnahmeregelung, wobei sich dort lizenzierte Unternehmen auch nur an Bewohner des nördlichsten Bundeslandes der Nation richten durften. Dennoch hätten zahlreiche Online-Glücksspielanbieter bereits Jahre vor dem Inkrafttreten des neuen Glücksspielstaatsvertrages im gesamten Bundesgebiet um deutsche Kunden geworben – so auch das Unternehmen aus Malta.
Die Gefahr wächst
„Ohne eine deutsche Glücksspiellizenz hätte das Unternehmen allerdings nie Geld von deutschen Verbrauchern annehmen dürfen“, erklärt Claus Goldenstein. Deshalb könnten betroffene Glücksspieler ihre erlittenen Spielverluste von Unternehmen ohne deutsche Konzession bis zu zehn Jahre rückwirkend zurückfordern, so der Anwalt. Das sah das Landgericht Kleve offenbar auch so und sprach dem Mandanten der Kanzlei nun die vollständige Erstattung seiner Verluste zu.
„Mit der Ausdehnung des Glücksspiels in die virtuelle Welt wächst die Gefahr, ein problematisches Glücksspielverhalten zu entwickeln oder sogar spielsüchtig zu werden.“
„Mit der Ausdehnung des Glücksspiels in die virtuelle Welt wächst die Gefahr, ein problematisches Glücksspielverhalten zu entwickeln oder sogar spielsüchtig zu werden“, schreibt die Landesfachstelle Glücksspielsucht der Suchtkooperation NRW dazu auf ihrer Internetseite. So könnten heutzutage von überall und zu jeder Zeit Spiele in Online-Casinos gespielt oder Sportwetten abgegeben werden. Das Suchtpotenzial erhöhe sich vor allem durch die Anonymität und eine Vielzahl an Zahlungsmöglichkeiten. Betroffene können sich zum Beispiel dorthin wenden, die Landesfachstelle bietet online, kostenfrei und anonym am Hilfetelefon Beratung an.
Der deutsche Markt für Online-Glücksspiel wurde erst im Sommer 2021 liberalisiert. Doch schon vorher warben zahlreiche namhafte Glücksspielanbieter mit ihren deutschsprachigen Websites gezielt um deutsche Kunden. Da die deutschen Behörden kaum bis gar nicht gegen diese illegalen Aktivitäten vorgingen, so Goldenstein, konnten die verantwortlichen Online-Glücksspielanbieter bereits Jahre vor dem Inkrafttreten des neuen Glücksspielstaatsvertrages mit ihren Websites ohne wirksamen Spielerschutz Milliardensummen in Deutschland verdienen.
Viel Geld wird verzockt
Viele betroffene Spieler verzockten teilweise Zehn- oder sogar Hunderttausende Euro, weiß der Anwalt, sie verschuldeten sich und stünden nun vor einem Scherbenhaufen. „In die Rückforderung ihrer Spielverluste setzen betroffene Verbraucher daher oft die Hoffnung auf einen Neuanfang”, erklärt Rechtsanwalt Claus Goldenstein.
Goldenstein ergänzt: „Für die verantwortlichen Glücksspielanbieter wird die eigene Profitgier durch die Rückforderungen ihrer deutschen Kunden zum Bumerang. Immer mehr betroffene Verbraucher erfahren nämlich von der Illegalität der jeweiligen Angebote und fordern ihre Verluste zurück. Dieser Rückforderungsanspruch besteht, weil die Verträge zwischen den illegalen Glücksspielanbietern und ihren deutschen Kunden nichtig sind. Es ist nämlich gar nicht möglich, rechtskräftige Verträge für ein illegales Angebot abzuschließen.“ Folglich hätten die verantwortlichen Glücksspiel-Unternehmen eigentlich nie Geld von deutschen Verbrauchern annehmen dürfen.
Wichtig sind die nationalen Glücksspielgesetze
Die Online-Glücksspielanbieter argumentieren zwar in der Regel, sagt Goldenstein, dass sie mit Lizenzen aus EU-Ländern mit besonders liberalen Glücksspiel- und Steuergesetzen, wie zum Beispiel Malta oder Zypern, auch in Deutschland legal seien. Doch der Europäische Gerichtshof, das Bundesverwaltungsgericht und der Bundesgerichtshof hätten bereits bestätigt, dass nationale Glücksspielgesetze zum Jugend- und Verbraucherschutz höher zu gewichten seien als die unternehmerische Freiheit.
Das Hilfetelefon der Landesfachstelle Glücksspielsucht ist montags bis freitags von 10 bis 16 Uhr unter 0800/0776611 erreichbar.