Kreis Kleve. Das Land verlangt vom Kreis Kleve schnelle Stellungnahme zum Ausbau von erneuerbaren Energien. Sorgen gibt es vor allem um Standorte im Wald.
Was ist ein Nadelwald? Die Antwort hat große Auswirkungen. Denn wie viele Tannen, Fichten, Kiefern auch im Laubwald unterm Blätterdach stehen – davon hängt ab, wo demnächst Windkrafträder errichtet werden dürfen. Auch im Reichswald.
Stellungnahme war nur ohne politische Beratung möglich
Das Land NRW ändert den Landesentwicklungsplan zum Ausbau der Erneuerbaren Energien. „Es ist ein Unding“, da waren sich alle Kreisumweltausschuss-Mitglieder mit Paul Düllings (CDU) einig, dass die Landesregierung dazu innerhalb kürzester Zeit vom Kreis Kleve im Beteiligungsverfahren eine Stellungnahme verlangte. Landrat Christoph Gerwers gab es der NRW-Regierung schriftlich: Es sei eine „unglückliche Fristsetzung unmittelbar zu Beginn der Sommerferien“ in sitzungsfreien Zeiten, drum konnte er die kritische Stellungnahme nur ohne politische Beratung und Beschlüsse abgeben. Musste es aber.
Im Ausschuss nun nach den Ferien stimmte die Politik knirschend seiner Stellungnahme zu. Die sei ihm zwar „ausgewogen“ gelungen, bestätigte Dr. Volkhard Wille, Grüne, doch manches hätten die Parlamentarier gern schärfer formuliert. Die zeitlich knappe „Schein-Beteiligung“ sorge möglicherweise „für Akzeptanzprobleme danach“, so Wille.
Das Land NRW will sieben Jahre schneller sein als der Bund
Das Land drängt zur Eile. Die Flächenvorgabe des Bundes soll in Nordrhein-Westfalen nicht, wie vom Bund vorgeschrieben, in zwei Schritten erst im Jahr 2032, sondern in nur einem Schritt bereits im Jahr 2025 erreicht werden, so meldete das Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie. Das Verfahren solle im Frühjahr 2024 schon abgeschlossen sein. Die Regionalpläne in sieben Planungsregionen – eine davon ist der Kreis Kleve – sollen zeitgleich geändert werden.
Die Kreisverwaltung legte ihren Entwurf einer Antwort den Kommunen vor und einige Städte und Gemeinden – Emmerich, Goch, Kalkar, Kerken, Rees – schafften vor Ablauf der Frist, schnell noch ihre Meinung zu ergänzen.
Erneuerbare Energien liefern im Kreis Kleve bereits 57 Prozent des Stroms
Alle 16 Kommunen im Kreis seien sich der Verantwortung hin zum weiteren Ausbau bewusst, so schrieb Gerwers ans Land. Bereits Ende 2021 erreichte der Kreis Kleve knapp 57 Prozent Anteil erneuerbarer Energien am gesamten Stromverbrauch und liegt landesweit auf „einem guten 8. Platz“, so der Landrat. Der Kreis wünsche jetzt einen möglichst flächensparenden Ausbau der Erneuerbaren, um in allen Bereichen ausreichend Entwicklungsmöglichkeiten zu haben.
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Für die Planungsregion Düsseldorf sollen 4151 Hektar Vorranggebiete als „Rotor-außerhalb-Flächen“ festgelegt werden. Die Obergrenze des Flächenpotenzials je Gemeinde wird auf maximal 15 Prozent der Gemeindefläche festgelegt, um sie nicht übermäßig zu belasten.
Land will für Windkraft 2,65 Prozent der Kreis Klever Fläche vorsehen
Die Planungsregion Kreis Kleve hat 123.299 Hektar (ha), davon seien 3154 ha für Windenergie nutzbar, das wären 2,95 Prozent vom landesweiten Gesamtpotenzial und 2,56 Prozent der Kreis Klever Fläche. Nähme man Teilgebiete in naturschutzrechtlich nicht streng geschützten Bereichen dazu, ginge es um Windenergie auf 3271 Hektar, das wären 2,65 Prozent an der Gesamtfläche des Kreises Kleve. „Es wird deutlich, dass der Kreis Kleve damit den Hauptanteil im Planungsraum Düsseldorf übernehmen müsste“, kritisiert Gerwers.
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Rechnerisch blieben nur knapp 1400 ha für alle anderen konkurrierenden Nutzungen in der dicht besiedelten Region um Düsseldorf übrig. Das bedeute für jede Entwicklungsplanung zeitintensive Verfahren und eben keine schnelle Umsetzung, ahnt er.
Nachwachsende Waldflächen wurden falsch eingestuft
Besonders die Windenergienutzung im Wald macht Sorge – bei mehr als 50 Prozent Nadelbaumarten gilt er als Nadelwald, also auch Flächen mit 49 Prozent ausgewachsenen Laubbäumen. Und ökologisch wertvolle Kiefernwälder im Kreis Kleve, die seit 2007 beziehungsweise seit 2018 mit jungem Laubbaum-Unterwuchs zur Naturverjüngung oder Wiederaufforstung bepflanzt wurden, würden erst bis zum Jahr 2027 bzw. 2032 in den planerischen Schutz der Laubwälder und Mischwälder hineinwachsen. Bis dahin gelten sie als geschädigte Kalamitätsflächen: Platz für Windräder. Dabei hätten die Waldbesitzer ihre Pflanz-Anstrengungen für einen angepassten zukunftsgerechten Waldbestand sogar finanziell vom Land gefördert bekommen, erinnert Gerwers. Ute Sickelmann, Grüne, ergänzte die Bedeutung des Reichswaldes als Trinkwasserschutzzone.
Windenergienutzung in waldarmen Gemeinden solle man ganz vermeiden, meldet der Kreis Kleve der Landesregierung. „Im Kreis Kleve ist nur Kranenburg nicht waldarm. Es bestehen daher Bedenken“, so der Landrat. So „dürfte die ohnehin ambitionierte regionalplanerische Umsetzung der Flächenziele im Kreis Kleve noch schwerer zu erreichen sein“, zweifelt er.
„Erholungs-Sichtbeeinträchtigung“ im Landschaftsbild vermeiden
Für Windenergienutzung in Naturschutzbereichen nennt das Land die Einschränkung, „wenn die ökologischen Funktionen des betroffenen Bereichs, insbesondere im landesweiten Biotopverbund, nicht erheblich beeinträchtigt wird“. Da wünscht der Kreis genauere Angaben. Und regt an, Freiflächen-Photovoltaik (FFPV) nicht generell als Alternative auszuschließen. Die dürfe aber keinesfalls auf hochwertigen Ackerböden (knapp 54 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Acker- und Grünlandflächen) stehen. Paul Düllings verwies auf Modelle, bei denen Solarmodule unter Windrädern auf bisher ungenutzten Kranaufstellflächen Energie für die Windanlage selbst liefern könnten.
Die Gedanken zur Nutzung von Solarmodulen entlang von Verkehrswegen wurde grundsätzlich nachvollzogen. „Entlang sämtlicher anderer öffentlicher Straßen“ sollte man aber eine „Überfrachtung des gesamten Landschaftsbilds“ vermeiden, die eine „Erholungs-Sicht beeinträchtige“, wünscht der Kreis Kleve. Auch Siedlungserweiterungen müssten weiter möglich bleiben. Dabei schlägt der Kreis Kleve dem Land die Formulierung vor: „Bauleitplanung soll Anlagen zur Solarenergienutzung im Siedlungsraum an, auf oder über Gebäuden und baulichen Anlagen ermöglichen und damit ihren Beitrag zum flächen- und ressourcenschonenden Ausbau der erneuerbaren Energien leisten.“ Auch hier hätte sich Paul Düllings für die Kreis-Stellungnahme „mehr Deutlichkeit gewünscht“. In Gewerbegebieten seien noch zu viele riesige Dächer ohne Photovoltaik.