Kleve/Kamp-Lintfort. Die Hochschule Rhein-Waal hat Routine im Digitalbetrieb gefunden und arbeitet dennoch an einer Öffnungsstrategie für mehr Präsenz auf dem Campus.
Vor ziemlich genau einem Jahr zwang die Ausbreitung des Coronavirus die Hochschule Rhein-Waal (HSRW) dazu, den regulären Präsenzbetrieb zu stoppen. „Fast über Nacht haben wir wesentliche Geschäftsprozesse bis hin zur kompletten Lehre und dem Prüfungswesen in den digitalen Raum verlagert“, sagte Kanzler Michael Strotkemper bei einem Online-Pressegespräch. Was vor Beginn der Corona-Krise nahezu undenkbar schien, ist in Kleve und Kamp-Lintfort mittlerweile gelebte Realität. Die junge Hochschule geht an ihren beiden Standorten in ihr drittes flexibles Online-Semester. Mit Selbstbewusstsein und dem Vorsatz, an einer realistischen Öffnungsperspektive zu arbeiten.
„Wir haben wie alle Hochschulen im Lande gut daran getan, nicht das Nicht-Semester auszurufen und komplett zu schließen, sondern den Vorgaben der Behören zu entsprechen, aber gleichzeitig das Studium zu ermöglichen“, stellte Präsident Dr. Oliver Locker-Grütjen fest. Es habe seit dem weitgehenden Umzug ins Digitale keine einzige ausgefallene Lehrveranstaltung gegeben, hob Kanzler Strotkemper hervor.
Keine ausgefallene Lehrveranstaltung
„Ich bin stolz, dass wir das Lehrangebot aufrecht erhalten haben unter dem Einsatz der Lehrenden und Mitarbeiter, aber auch der flexibel reagierenden Studierenden“, meinte Prof. Jörg Petri, Vizepräsident für Studium, Lehre und wissenschaftliche Weiterbildung. Wie im Wintersemester plant die Hochschule Rhein-Waal auch für das Sommersemester 2021 mit circa 85 Prozent digitaler Lehre. Präsenzveranstaltungen wird es nur dort geben, wo sie notwendig sind – etwa in Laboren.
Rückgang bei internationalen Studierenden
An der Hochschule Rhein-Waal läuft derzeit die Einschreibung für das Sommersemester 2021, die coronabedingt vor allem für ausländische Studierende durch die Corona-Krise teilweise schwierig ist. Analog zu anderen deutschen Hochschulen verzeichnet auch die HSRW bei den außereuropäischen Studierenden einen Rückgang von einem Drittel.„Sie fehlen uns. Aber weil wir mit 7500 Studierenden ohnehin an einer etwas hohen Obergrenze waren, trifft der Rückgang die Hochschule gar nicht so hart“, sagte Präsident Dr. Oliver Locker-Grütjen. „Für das Wintersemester rechnen wir damit, unsere Planzahlen wieder zu erreichen.“ Dies hänge aber von einer Vereinfachung der Einschreiberegeln ab.
„Wir wissen – anders als vor einem Jahr – jetzt ungefähr, wo wir stehen, und können Lehrveranstaltungen ganz anders denken“, sagte Petri. Die Verantwortlichen an der Hochschule machen sich intensiv darüber Gedanken, was sie von dem in der Corona-Krise Erlernten bewahren möchten. Für Vizepräsident Petri steht bereits fest: „Es wird kein Zurück zum Status quo vor Corona geben.“
Testen als wichtiger Baustein der Öffnungsstrategie
Als international ausgerichtete Hochschule mit einem sehr hohen Anteil von circa 50 Prozent Studierender aus dem Ausland steht die HSRW vor besonderen Herausforderungen: Studierende nehmen beispielsweise in verschiedenen Zeitzonen und mit sehr unterschiedlicher Qualität der Internetverbindung an den Vorlesungen und Seminaren teil. Auch dank des außergewöhnlich intensiven Austauschs mit dem AStA habe man dies bislang gut hinbekommen, meinte die für Internationales und Diversität zuständige Vizepräsidentin Prof. Dr. Tatiana Zimenkova, der die Grenzen des Online-Studiums gleichwohl bewusst sind: „Viele Austauschstudierende warten noch auf das Kulturerlebnis im anderen Land. Gitarre spielen mit Kommilitonen am Spoykanal – das können wir digital nicht ersetzen.“
Damit dies in absehbarer Zeit realistisch wird, stimmt sich Präsident Oliver Locker-Grütjen über die Landesrektorenkonferenz mit allen Universitäten und Hochschulen in NRW bei einer vorsichtigen Öffnungsstrategie ab. „Wir wollen den Studierenden eine echte Perspektive bieten und ein kommendes Wintersemester gestalten, in dem mehr Präsenz möglich ist“, sagte Locker-Grütjen. Konkret sorgt die Hochschule aktuell für eine verbesserte technische Ausstattung mit Videokonferenzsystemen in weiteren Räumen sowie für Belegungs- und Lüftungskonzepte. „Zudem wird das massive Ausdehnen des Testens für uns eine Chance sein, die Hochschule wieder zu öffnen. Wir benötigen dafür aber anders als in den Schulen vorher eine Strategie“, stellte der Präsident klar, der für die Tests auch finanzielle Unterstützung vom Land forderte.