Kreis Kleve. Der Kranenburger Philosoph Jean-Pierre Wils setzt sich kritisch mit der Corona-Pandemie und den grundlegenden Gesellschaftsstrukturen auseinander.

Nach gut zwei Jahren Corona-Pandemie hat sich die deutsche Gesellschaft verändert. Der Ton ist rauer geworden, die Ungleichheiten haben zugenommen und es zeigt sich immer mehr, dass unser heutiges Gesellschaftsmodell nur bedingt für die Zukunft taugt. Der in Kranenburg lebende Philosoph Jean-Pierre Wils hat in seinem Buch „Der Große Riss“ eine Bestandsaufnahme vorgenommen und die grundlegenden Probleme unserer Zeit analysiert.

Nach dem Lesen Ihres Buches ist man nicht fröhlicher gestimmt: Sie greifen sehr viele aktuelle Entwicklungen kritisch auf – die Krise unseres Wirtschaftssystems, die ökologische Krise, eine Kommunikationskrise und letztlich die Corona-Pandemie.

Jean-Pierre Wils: Man muss diese Krise in ihrer Gesamtheit verstehen. Die Pandemie ist sicherlich eine Jahrhundertkrise, gewissermaßen eine Schwellenerfahrung. Und wir fragen uns immer noch: Was ist mit uns eigentlich passiert? Letztlich geht es um die Frage: Was sagt diese Krise über unsere Gesellschaft aus?

Der Kranenburger Philosoph Jean-Pierre Wils diskutiert mit der NRZ über die Herausforderungen der Gesellschaft. 
Der Kranenburger Philosoph Jean-Pierre Wils diskutiert mit der NRZ über die Herausforderungen der Gesellschaft.  © NRZ | Andreas Gebbink

Sie schreiben, dass man die Pandemie als Offenbarungseid sehen könne, der uns zeigt, in welche Sackgasse wir uns verlaufen haben.

Unser Alltag war geprägt von einem bequemen Fortschrittsdenken, also von einer enormen Verdrängung der realen Krisen, in denen wir uns längst befinden. Ich spreche an dieser Stelle von der sozialen und ökologischen Krise, aber auch von der politischen Krise, die sich in einer beunruhigenden Demokratie-Müdigkeit äußert. Die Pandemie zeigte unbarmherzig auf die längst aufgestauten Probleme, nicht zuletzt auf den prekären Status unseres Gesundheitswesens. Sie ist also eine Art Sichtbarmachung, weil uns die Normalität, in der wir in rasenden Tempi unterwegs sind, abhandengekommen war. Plötzlich kam da diese ungeheure Unterbrechung, und wir wussten nicht, was mit uns geschah.

Das war die Stopp-Taste fürs Leben.

Das war sie und sie machte deutlich, in welchen Beschleunigungsdynamiken sich unsere Gesellschaft eigentlich befindet und wie schwer wir es ertragen, ausgebremst zu werden. In einer kleinen ersten Phase gab es Menschen, die leicht euphorisch reagierten: Sie genossen eine Weile die radikale Verlangsamung und die räumliche Begrenzung. Aber nicht jeder befand sich in dieser privilegierten Lage. Aber die Ungeduld kam rasch zurück, teils mit einem aggressiven Oberton.

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Es gibt Berufsgruppen, die finden das neue Homeoffice nach wie vor angenehm.

Natürlich. Die Kosten und die Folgen dieser Krise sind ungleich verteilt. Es gibt Menschen, ja ganze Wirtschaftszweige, die von ihr profitiert haben. Ich als Hochschulprofessor bin in einer eher angenehmen Lage. Ich musste nur meine Lehrveranstaltungen digitalisieren. Mein Leben hat sich nicht radikal verändert, abgesehen von den auswärtigen Vorträgen, die abgesagt wurden. Aber das ist bei vielen anderen Menschen nicht der Fall. Je nachdem in welcher Umgebung, in welchen häuslichen Umständen man lebt, zu welcher Altersklasse und zu welchen sozialen Klassen man gehört, sind die Folgen und die Leiden, die diese Pandemie verursacht hat, sehr unterschiedlich.

Sie haben versucht, die Pandemie in sieben Stufen zu unterteilen. Ist das sinnvoll? Wir sind ja noch mitten in der Pandemie.

Mittlerweile stolpern wir wieder in eine Art Normalität zurück. Aber ich hatte nicht die Absicht, die finale Phase der Pandemie einzuläuten. Die Stufen helfen eher dabei zu sehen, welche unterschiedliche Dynamiken es in den vergangenen zwei Jahren gegeben hat. Man kann sehr schön sehen, welche Formen der Kooperation es gegeben hat, wie lange gewisse Solidaritätsstrukturen gehalten haben und wie die Aggressionspotenziale mit der Zeit gewachsen sind. Man hat den Eindruck, dass die Verständigung auf Dauer immer schwerer geworden ist.

Es ist interessant zu beobachten, wie unterschiedlich man auf Regeln reagiert. Es gibt Phasen der Akzeptanz und Phasen der Ignoranz. Wir sehen das jetzt wieder an der rasch abnehmenden Impfbereitschaft. Dabei gibt es ja gar keinen Grund anzunehmen, dass jetzt alles vorbei ist. Es gibt da unglaubliche Schwankungen in der Wahrnehmung, und das sagt etwas aus über die Fremdheit einer solchen Krise. Wie gesagt, viele von uns lebten in einer Blase, in einem sanften Uterus, dessen Botschaft lautete: Da draußen mag es ungemütlich aussehen, aber in diesem warmen Kokon braucht uns das nicht zu kümmern. Der Wohlstand wächst ohnehin…

Und jetzt werden wir unschön herausgerissen aus dieser Wohlstandsblase.

Es fällt uns außerordentlich schwer, mit einer solchen Situation umzugehen. Die Zeichen an der Wand, dass diese Bequemlichkeitsgesellschaft schon längst an eine ökologische Grenze gestoßen ist und dass diese sozialen Ungleichheiten stetig gewachsen sind, haben wir weitestgehend ausgeblendet.

Die Menschen sollen künftig stärker in regionalen Kreisläufen wirtschaften. Jean-Pierre Wils ist fest davon überzeugt, dass die Corona-Pandemie nur einen kleinen Vorgeschmack auf die Auswirkungen der Klimakrise gegeben hat.
Die Menschen sollen künftig stärker in regionalen Kreisläufen wirtschaften. Jean-Pierre Wils ist fest davon überzeugt, dass die Corona-Pandemie nur einen kleinen Vorgeschmack auf die Auswirkungen der Klimakrise gegeben hat. © NRZ | Andreas Gebbink

Ist „Der Große Riss“, der Titel Ihres Buches, vor allem auf den sozialen Riss zu beziehen?

Nicht nur. Es ist eine Metapher, also ein Bild für die Konstatierung, dass wir uns in einer politischen und gesellschaftlichen Schwellenzeit befinden. Ich glaube, dass viele Menschen dieses Unbehagen schon länger spüren. Wir wissen, dass es so nicht weitergeht, aber es wird uns leicht gemacht, dies zu ignorieren.

Die Politik traut sich auch nicht, den Bürgern reinen Wein einzuschenken.

Die Politik traut sich in der Tat nicht. Wir müssen endlich Klartext reden. Es wird in Zukunft deutlich mehr Verbote und Verzichte geben.

Sind Verbote und Verzicht in einer liberalen Gesellschaft überhaupt durchsetzbar?

Wir scheinen vergessen zu haben, dass viele unserer Freiheiten auf zahlreichen Verboten beruhen. Die so gepriesene Freiheit des Autofahrers wäre ohne die vielfachen Regeln und Beschränkungen nicht möglich. Stellen Sie sich vor, was passieren würde, wenn aus den Querdenkern Querlenker würden... Es wird uns nicht retten, wenn wir unliebsame Begriffe vermeiden, ganz im Gegenteil. Verzichte werden unumgänglich sein. Wer das bestreitet, lebt in einer Pseudo-Realität. Wir werden fundamentale Korrekturen brauchen: Der Ukraine-Krieg legt neuerlich erneut offen, wie anfällig und prekär die radikal-globalisierte Wirtschaft ist. Einstige Plausibilitäten, etwa die des immer globaleren Wirtschaftens, stoßen an ihre Grenzen. Wie haben erlebt, wie gefährdet die basale Gesundheitsversorgung ist, etwa die Versorgung mit Medikamenten. Wir wissen schon seit Jahren, dass es ständig Knappheiten bei den wichtigsten 200 bis 300 Standardmedikamenten gibt. Vieles wurde ausgelagert: möglichst fern, weil möglichst billig. Das Gesundheitssystem befindet sich in einer ungesunden Verfassung. Das wird seit Jahren, um nicht zu sagen Jahrzehnten, beklagt, mit wenig Resonanz. Die Privatisierungen setzten sich in einem rapiden Tempo durch.

Sehen Sie einen Veränderungswillen in der Politik?

Ich denke, dass der Unterschied zwischen der Pandemie-Krise und der aktuellen Ukraine-Krise darin begründet liegt, dass jetzt vieles in einem Tempo und einer Brutalität geschieht, die man sich vor zwei Jahren noch nicht vorstellen konnte. Wenn jetzt Flächen für den Weizen freigegeben werden, der früher woanders angebaut wurde, dann zeigt dies ganz deutlich, wie elementar diese Risse sind.

Wir müssen lernen, unsere Blickrichtung zu ändern. Woran haben wir uns gewöhnt in den letzten 50 Jahren? Wir wollten immer mehr Räume erobern, wir wollten überall sein. Die Globalisierung hat die ganze Welt erfasst. Das Nahe war langweilig geworden. Die Reisemanie gehört auch dazu. Die räumliche Ferne war ausschlaggebend und die Beschleunigung, die wir brauchen, um dort hinzugelangen und zurückzukehren. Die Zeitachse wurde immer kürzer. Wir müssen jetzt lernen, in größeren Zeitabständen zu denken und unsere Fixierung auf die räumlichen Entfernungen aufzugeben. Das wird uns alles abverlangen, weil es unserem Lebensstil widerspricht.

Sind wir in der Lage, diese Notwendigkeiten zu erkennen? Ich komme mal auf die von Ihnen aufgegriffene Medien-Krise zu sprechen. Die Sozialen Medien kleistern uns zu mit Informationen und lassen ein reflektierendes Denken kaum noch zu.

In der Tat gibt es eine Informationsexplosion, die einhergeht mit einem entsetzlichen Relativismus. Jeder kann zu jeder Zeit alles behaupten, ohne dass er oder sie nachvollziehbare und überprüfbare Gründe nennt. Es ist schwer geworden, einen Konsens zu erreichen. Die digitalen Medienwirklichkeiten bieten den Menschen darüber hinaus unglaublich viele Möglichkeiten an, der Wirklichkeit zu entkommen. Der Eskapismus feiert wilde Feste.

Es sind ja nicht wenige Menschen, die sich in einer scheinbaren Parallelwelt befinden. Wir haben die vielen Menschen gesehen, die vor dem Reichstag demonstrieren und Verschwörungstheorien anhängen. Ist die Suche nach Wahrheit überhaupt noch gewünscht?

Gewünscht ist sie schon noch. Der Philosoph Julian Nida-Rümelin hat mal geschrieben: „Die Demokratie ist die kooperative Suche nach richtigen Lösungen.“ In den professionellen politischen Milieus wird so eine Haltung selten sichtbar. Ich warte noch auf den Moment, wo ein Politiker in einer Debatte einmal innehält und sagt: Ich bin mir nicht sicher. Ich muss über Ihr Argument noch mal nachdenken. Vielleicht haben Sie recht. Das würde der politischen Kultur unglaublich guttun. Dies wäre eine Sternstunde der Demokratie.

Wir werden die Menschen mehr in demokratische Entscheidungsverfahren einbinden müssen. Das ist sehr schwer. Ich bin hier in Kranenburg Mitglied einer Initiative, die heißt „Von Bürgern, für Bürger“. Aber es ist sehr schwer, Menschen für kommunale Angelegenheiten zu begeistern. Dennoch brauchen wir eine Art von demokratischer Mobilisierung und das ist ganz praktisch zu verstehen: Es ist wichtig, etwas selbst zu tun. Es gibt eine Politik vor der Haustür, eine Mikropolitik bürgerlichen Engagements. Man kann Menschen mit Informationen zuschütten und mit Theorien überfrachten, aber das wird sie nicht zum Handeln bringen.

Was sollte man ändern?

Ich plädiere dafür, dass wir die Regionen neu entdecken und schrittweise zu ihnen zurückkehren. Die Maxime lautet: Je elementarer die Dinge sind, die wir benötigen, wie beispielsweise Wasser, Nahrung, Energie oder das Gesundheitswesen, umso mehr müssen sie in die Nähe rücken. Das ist kein utopisches Modell, sondern eine bittere Notwendigkeit. Wir müssen regionale Systeme entwickeln, die diese elementaren Dinge gewährleisten können, also resiliente und zum Teil autarkiefähige Regionen. Dabei können diese Regionen unterschiedlich groß sein. Wenn wir uns über die Versorgung mit Medikamenten unterhalten, dann wird die Region vermutlich Europa heißen.

Wir diskutieren gerade darüber, ob wir de-globalisieren und ob wir unser Verhältnis zu China gänzlich überdenken müssen. Wollen Sie, dass wir die Globalisierung ein Stück weit zurücknehmen?

Ja, natürlich. Es gibt auch namhafte Ökonomen, die dafür plädieren. Dani Rodrik, der berühmte Harvard-Ökonom sagt, dass wir nicht zugleich die Globalisierung, die liberale Demokratie und den Nationalstaat aufrechterhalten können. Aber bereits vor 30 Jahren hatte Ralf Dahrendorf vor dieser Quadratur des Zirkels gewarnt. An einer Stelle muss man Abstriche machen. Und die Abstriche sind zu machen im Bereich der Globalisierung. Die Globalisierung ist nicht zuletzt aus ökologischen Gründen absolut problematisch. Darüber hinaus ist sie ungeheuer störungsanfällig. Sie funktioniert nur auf der Grundlage einer Hyperdigitalisierung, also auf der Abschaffung analoger Systeme. Wir wissen mittlerweile, wie schnell diese Systeme auszuhebeln sind. Wir müssen unsere Versorgungssysteme ein Stück weit regionalisieren.

Das wird uns schwerfallen. Denn wir haben jetzt genascht von den Vorzügen der Globalisierung, von den günstigen Preisen, von dem schnellen und grenzenlosen Konsum.

Es mag sein, dass das Bild für manche Menschen bedrohlich erscheint. Ich gehe aber davon aus, dass die Resultate dieser Verlangsamung uns nicht unglücklicher machen werden. Ganz im Gegenteil. Ich weiß nicht, ob man sagen kann, dass das Leben von Menschen, die zwei Jahre schuften, um sich eine Kreuzfahrt leisten zu können, per saldo besser geworden ist, als wenn sie dies unterlassen hätten. Es gibt sinnvollere Freizeitbeschäftigungen…

Das Konzept der Regionalisierung ist ein Angriff auf unsere jetzige Wirtschafts- und Lebensweise. Wenn ich jetzt nur mal den Aspekt Landwirtschaft herausnehme, dann ist es der Anspruch der hiesigen Bauernverbände, die Weltbevölkerung zu ernähren. Sollte man sich auch daraus zurückziehen und ausschließlich für regionale Kreisläufe produzieren?

Kreisläufe müssen so regenerativ wie möglich wirtschaften. Das hat nichts mit Grenzziehungen nach außen zu tun. Wohl aber mit einer Verlagerung der primären, ökonomischen Aktivitäten. Ich halte auch die Propaganda, dass wir die Weltbevölkerung ernähren müssen, für eine Ideologie. Es spricht alles dafür, dass man vor Ort sehr viel billiger und sehr viel sozialverträglicher produzieren kann.

Ist die Idee, dass wir mit Handel und Globalisierung die Demokratie in die Welt tragen, gescheitert?

Diese Idee ist in der Tat gescheitert. Wir sehen schon längere Zeit, dass diese Kopplung von Demokratie und Wohlfahrt nicht länger stimmt. China ist das beste Beispiel. Wir sehen ein autoritäres bis totalitäres System, das in der Lage ist, große Teile der Bevölkerung weit über die Armutsgrenze hinaus mit Konsumgütern auszustatten. Die Frage ist, wie lang dieses System hält. Ich bin mir nicht sicher, ob Chinas Modell nicht auch auf tönernen Füßen steht.

Man sieht hier die ersten Risse in der Bauwirtschaft und drohende Pleiten von Mega-Baubetrieben.

Beispielsweise. In China sehen wir eine völlige Überhitzung des Systems. Mit Sicherheit kann China für uns kein Beispiel sein. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir die Demokratie vor Ort stärken. Wir müssen den Mut aufbringen zu sagen, dass wir werden die nächsten Jahrzehnte nicht bewältigen können, wenn wir nicht eine Änderung unseres Lebensstils vornehmen. Wir müssen uns ernsthaft die Frage stellen, ob unsere Lebensstile überhaupt verallgemeinerbar und ob sie zukunftsfähig sind. Ich glaube die Antwort lautet eindeutig „Nein“, das sind sie keineswegs.

Sie schreiben, dass die Pandemie nur ein kleiner Vorgeschmack dessen ist, was wir mit der Klima-Krise noch erleben werden. Auch da heißt es, Verzicht üben bei vielen Dingen.

Wir werden Begriffe wie Verbote und Verzichte künftig häufiger benutzen müssen. Menschen können vergleichsweise gut mit klaren Botschaften umgehen. Nichts frustriert mehr als eine undeutliche, euphemistische Sprache. Je länger man mit unklaren Regelungen operiert, desto frustrierter wird die Bevölkerung – und aggressiver. Es braucht eine andere, mutigere politische Sprache, die den Bürger damit konfrontiert, was in den nächsten Jahren auf ihn zukommt.

Das ist in der Demokratie schwierig. Mit unschönen Botschaften gewinnt man keine Wahlen.

Das ist natürlich ein Problem. Aber es gibt auch hoffnungsvolle Zeichen. Wir diskutieren zumindest zeitweilig, ob ein Tempolimit auf Autobahnen nicht doch sinnvoll ist. Mit 100 Stundenkilometern auf den Autobahnen würden wir zwei Milliarden Liter Öl einsparen. Das ist immerhin drei Prozent des Gesamtverbrauchs. Dabei wäre die Geschwindigkeitsreduzierung auch aus einem anderen Grund sehr wichtig, weil fast alle Bürger in Deutschland am eigenen Leib erfahren würden, was es heißt, dass sich etwas ändern muss. Und wir würden nach drei, vier Wochen wahrscheinlich feststellen: Die Geschwindigkeitsbegrenzung hat die Bürger nicht in Depressionen gestürzt, die Zahl der Verzweifelten auf den Raststätten hält sich in Grenzen.

Viele setzen auf die Hilfe der Technik, um die Klima-Krise zu bewältigen.

Ich bin überhaupt kein Technikfeind, aber glauben Sie wirklich, dass die Elektroautos die Lösung der Probleme sind? Das ist doch absurd. Eine Mobilitätswende heißt nicht, von Verbrennungsmotoren auf Elektromotoren umzusteigen, sondern weniger Mobilität. Wenn wir das nicht in eigener Regie bewerkstelligen, werden uns die Klimakatastrophen diese Arbeit bereitwillig abnehmen.

Jean-Pierre Wils, Der Große Riss - Wie die Gesellschaft auseinanderdriftet und was wir dagegen tun können, 270 Seiten. Hirzel-Verlag, 24 Euro.

Lesen Sie das ganze Interview im Internet unter: www.nrz.de/kleve