Kreis Kleve. Die EU beklagt den schlechten Naturschutz in Deutschland. Im Kreis Kleve sollen wertvolle Habitate mit Hilfe von EU-Geldern gerettet werden.
Beim Naturschutz ist Deutschland gewiss nicht immer Vorreiter. Wegen der hohen Nitratwerte im Grundwasser hatte die EU-Kommission bereits ein Strafverfahren eingeleitet, die Vernachlässigung der Flussauen und die träge Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie wird in Brüssel ebenfalls scharf kritisiert und auch zur mangelhaften Einhaltung der Richtlinie Flora-Fauna-Habitat (FFH) beschloss die Kommission am 18. Februar eine Klage gegen Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof. Gibt es noch mehr Ärger-Baustellen? Oh ja: Jetzt wollten die Grünen im Klever Kreistag wissen, welche Auswirkungen für den Kreis in Sachen EU-Vertragsverletzungsverfahren bei der Umsetzung der Natura-2000-Richtlinie drohen.
Wie kann man Lebensräume effektiver schützen?
Volkhard Wille ist in Sachen Naturschutzrecht immer bestens im Bilde. Der langjährige Vorsitzende der Nabu-Naturschutzstation in Kranenburg wirkt jetzt als sachkundiger Bürger der Grünen im Ausschuss für Umwelt und Naturschutz des Kreises. Und er weiß mit gezielten Fragen, die Finger in die Wunden zu legen. So wollte er nicht nur wissen, was das Vertragsverletzungsverfahren für den Kreis bedeutet, sondern konnte auch aus Erfahrung sagen, dass sich die eigentlich zu schützenden Lebensräume in den vergangenen Jahren drastisch verschlechtert haben.
So sei das Habitat für Wiesenvögel in der niederrheinischen Hetter von einst 100 Hektar auf zehn Hektar geschrumpft und im Vogelschutzgebiet Unterer Niederrhein seien die Kernarten der Wiesenvögel um 70 Prozent zurückgegangen. Wille wollte wissen, wie der Kreis Kleve diese Situation verbessern kann: „Denn es kann ja nicht sein, dass Schutzgebiete von europäischem Rang einfach vernichtet werden.“
Kellener Altrhein ist noch nicht vollständig Naturschutzgebiet
Die Klever Kreisverwaltung hat zu diesem Punkt eine ausführliche Stellungnahme geschrieben. Darin berichtet Fachbereichsleiter Thomas Bäumen, dass zurzeit mehrere Vertragsverletzungsverfahren laufen. Die FFH-Gebiete im Kreis Kleve seien rechtlich abgesichert worden und auch mit Maßnahmenkonzepten hinterlegt. Einzig das FFH-Gebiet „Kellener Altrhein“ sei zurzeit nur zu 50 Prozent als Naturschutzgebiet ausgewiesen, der Rest als Landschaftsschutzgebiet. Durch einen neuen Landschaftsplan Emmerich-Kleve solle auch der Kellener Altrhein vollständig als FFH-Gebiet ausgewiesen werden.
Thomas Bäumen berichtete, dass für die Schutzgebiete nun Maßnahmenkonzepte vorliegen, die zum Teil schon umgesetzt werden und zum Teil auch noch anlaufen. So stehen sieben von der EU geförderte „Life+ Projekte“ auf dem Programm, für die er insgesamt 41,5 Millionen Euro aufführte. Unter anderem zählen dazu der Wiesenvogelschutz in der Düffel, das Uferschnepfenprojekt in der Hetter, die Auenoptimierung in Emmerich, die Erstellung von Röhrichten in Rees, ein weiteres Wiesenvogelprojekt und ein Förderprojekt zur Optimierung von Sandmagerrasen in den Wisseler Dünen.
Schutzgebiete müssen künstlich bewässert werden
Hinzu kommen weitere, mit EU-Geldern geförderte Maßnahmen zur Anlage von Blänken und Senken, zum Schnitt von Kopfbäumen und zur Röhrichtentwicklung. Durch die stete Vertiefung der Rheinsohle (im 20. Jahrhundert um drei bis fünf Meter) müssen die Schutzgebiete mit Pumpen künstlich mit Wasser versorgt werden.
Trotz all dieser Maßnahmen bleibt die Situation für mehrere Wiesenvogelarten kritisch. Es zeige sich ein unterschiedliches Bild, so Bäumen: Erfolgreich sei die Bestandsentwicklung für den Weißstorch und die Trauerseeschwalbe, die in NRW nur noch im Kreis Kleve vorkommt. Im Jahr 2020 habe es wieder 50 Brutpaare der Trauerseeschwalbe im Bienener Altrhein gegeben. Positiv sei auch die Entwicklung des Großen Brachvogels und die der Schwarz- und Blaukehlchen.
Bestände der Uferschnepfe sind weiterhin schlecht
Die Entwicklung der Uferschnepfe hingegen sei weiterhin negativ, sowohl in der Düffel als auch in der Hetter. Rohrdommel oder Tüpfelsumpfhuhn seien verschwunden.
Ulrich Francken (CDU) sagte im Umweltausschuss, dass „onmöndig viel Geld“ in die Hand genommen worden sei, um den Naturschutz zu fördern. Er machte darauf aufmerksam, dass man auch unnötige Vorschriften zum Grünlandumbruch dringend ändern müsse. Damit Landwirte für ihre Flächen den Ackerstatus nicht verlieren, müssten sie ihre Ländereien alle fünf Jahre umbrechen – obwohl sie dies zum Teil gar nicht wollten. Auch Andreas Bäumen nannte diese Regel „völlig unsinnig“. Die Frage müsste allerdings auf Regierungsebene geregelt werden.