Kleve. Die Pläne des Vereins „Beth HaMifgash“ gefallen nicht allen Klevern. Der evangelische Pfarrer Georg Freuling fordert eine öffentliche Diskussion.
Bürgermeister Wolfgang Gebing bezeichnet diesen Platz als eine „klaffende Wunde in der Geschichte der Stadt Kleve“. Die Auslöschung der jüdischen Gemeinde, die Zerstörung der Synagoge an der Reitbahn stellen bis heute eine tiefe Schuld dar. Und daher müsse man äußerst sensibel über eine wie auch immer geartete Nutzung dieses Platzes umgehen. Gebing reagiert damit auf einen kritischen Brief des Klever Pfarrers Georg Freuling, der ein Leichtbauvorhaben des Vereins „Beth HaMifgash“ ablehnt und für den Erhalt des Platzes in seiner jetzigen Form plädiert.
Freuling äußerte seine Kritik im jüngsten evangelischen Gemeindebrief. Darin schreibt er unter anderem, dass der Synagogenplatz eine Gedenkstätte ist und keine beliebige Freifläche. Das Engagement des Vereins „Haus der Begegnung – Beth HaMifgash“ für Integration, Bildung und Erinnerung sieht er sehr positiv. Allerdings sei der Synagogenplatz nicht der richtige Ort für die baulichen Ambitionen des Vereins, so Freuling.
Freihalten für eine neue Synagoge
Im Gespräch mit der NRZ ergänzt er: „Das Gelände gehört der Stadt. Aber wem gehört es moralisch? Derzeit niemanden in Kleve. Die Stadt hat die Pflicht, diesen Platz zu erhalten für das Gedenken und Erinnern. Die Geschehnisse, die wir mit der Zerstörung der Synagoge im Jahr 1938 verbinden, sind so einzigartig, dass etwas anderes als Erinnern oder Gedenken gar nicht möglich ist. Das Gedenken aber ist die Aufgabe der ganzen Gesellschaft und nicht die eines einzelnen Vereins“, so Freuling.
Mitinitiator Ron Manheim vom Verein „Beth HaMifgash“ erläutert, dass man den Platz überdachen wolle und das ganze Jahr für Veranstaltungen nutzen möchte. Der Platz soll weiterhin eine Gedenkstätte sein. Alles geschehe im Zeichen der Geschichte. Die Kosten des Bauprojekts beziffert der Vereinsvorsitzende Thomas Ruffmann auf rund zwei Millionen Euro. „Wenn es in 50 Jahren wieder eine jüdische Gemeinde in Kleve geben sollte, dann kann sie natürlich hier eine Synagoge errichten“, so Manheim.
Öffentlicher Diskurs wird vermisst
Pfarrer Freuling vermisst bislang einen breiten, öffentlichen Diskurs über die Vorhaben auf dem Synagogenplatz. Und in der Tat hat noch kein politisches Gremium über die Pläne des Vereins diskutiert. „Bislang haben wir noch nicht darüber gesprochen“, sagt Bürgermeister Wolfgang Gebing. Die Verwaltung habe den Verein darum gebeten, zu erläutern, was man genau vorhabe, wie es um die Finanzierung stehe und welches Konzept zum Tragen käme. Wenn die Politik eine Bebauung zulassen würde, dann müsste man einen Bebauungsplan aufstellen: „Dies wäre dann das Entree für eine öffentliche Diskussion“, so Gebing. Persönlich ist der Bürgermeister ähnlicher Meinung wie der evangelische Pfarrer: „Der Platz ist jetzt ein würdiger Gedenkplatz.“
Ron Manheim erwidert, dass man bereits seit fast zehn Jahren über dieses Vorhaben öffentlich spreche und man in einem intensiven Austausch mit den Fraktionen stehe: „Die Politik weiß, was wir wollen.“ Er hofft darauf, dass die Stadt das Gelände für die Ideen von „Beth HaMifgash“ zur Verfügung stellt. „Denn ohne ein Signal der Stadt kommen wir auch nicht weiter in der Frage der Finanzierung“, so Manheim. Mögliche Finanziers wollen wissen, was möglich ist.
Jüdische Gemeinde ist mit den Vorhaben von Beth HaMifgash einverstanden
Manheim betont, dass der Verein die volle Unterstützung der jüdischen Gemeinde in Krefeld erhalten habe. „Und diese Gemeinde ist für den unteren Niederrhein zuständig. Wir haben diese Unterstützung schriftlich vom Vorstand“, so Manheim.
Freuling wünscht sich dennoch einen Diskurs in Kleve. Dies sieht auch Pfarrerkollege Martin Schell so, der sich für den interreligiösen Dialog in der Kreisstadt stark macht. Persönlich habe er, so Schell, noch keine Meinung: „Aber ich denke, dass noch viel Reden notwendig ist. Wir brauchen diesen Diskurs.“
Kunstaktion kritisch hinterfragt
Und da müsse man auch die jüngste Kunstaktion kritisch hinterfragen. Eine „Grundsteinlegung“ spiegele etwas vor, was noch nicht ist, so Freuling. Es seien viele Schüler zum Mitmachen aufgefordert worden, die sich zur Frage „Wie wollen wir leben?“ verhalten sollten. „Das ist eigentlich eine gute Frage“, sagt er. Aber aus seiner Sicht werde diese Frage im Rahmen der Kunstaktion für das Bauvorhaben instrumentalisiert. Wer auf die Frage geantwortet habe, der habe auch zugleich für eine Bebauung des Platzes votiert, ohne sich zwingend der gesamten Tragweite bewusst zu sein. Aber was sei mit denen, die dies gar nicht wollen?
Hedwig Meyer-Wilmes (Grüne), Vorsitzende des Klever Ausschusses für Kultur und Stadtgestaltung, hält eine Diskussion über das Für und Wider einer Neugestaltung des Synagogenplatzes jetzt für zwingend notwendig. Sie möchte dieses Thema auf eine der nächsten Tagesordnungen setzen und auch zu einem politischen Beschluss kommen, was man an dieser Stelle nun möchte. Der Verein „Beth HaMifgash“ leiste gute Arbeit, aber aus ihrer Sicht ist er mit der Finanzierung eines so großen Vorhabens auch überfordert.
Der Kulturausschuss soll diskutieren
Die Grünen seien nicht grundsätzlich gegen eine Neugestaltung des Synagogenplatzes. „Aber das Wie’ ist die große Frage“, sagt Meyer-Wilmes.
Um 16 Uhr soll heute das Projekt von Künstlerin Nicole Peters ab 16 Uhr ins Finale gehen. Am Dr.-Heinz-Will-Platz erhalten alle Mitwirkenden in einem festlichen Akt zunächst ihre inzwischen gebrannten Ziegel zurück. In einem symbolischen Akt lesen die Autoren ihren jeweiligen Text vor und legen ihren Ziegel anschließend in einen großen Betonstein. Dieser, so hoffen die Vereinsmitglieder, wird in Zukunft der Grundstein für Haus Mifgash. „Hier soll ein Ort für jeden Menschen entstehen“, wünscht sich die Künstlerin. CG