Kalkar. Erfolgsstory im Verborgenen: In Kalkar sitzt mit der Oxygenesis GmbH das weltweit führende Unternehmen für die Kultivierung von Wasserlinsen.

Die einen lieben sie, die anderen verfluchen sie: Wasserlinsen. Vielen besser bekannt als Wasserpest oder auch Entengrütze. Ihre Pest-artige, rasante Verbreitung macht sie bei Teichbesitzern unbeliebt. Denn in kürzester Zeit erobern sie sich ganze Gewässer, wenn sie einmal dort Fuß gefasst haben. Leben unter der dicken Wasserlinsen-Schicht hat dann wenig Chancen, um zu gedeihen.

Das Regalsystem im Photobioreaktor.
Das Regalsystem im Photobioreaktor. © Unbekannt | Oxygenesis

Drei Kalkarer allerdings lieben die Wasserlinse, gerade weil sie so wüchsig und voller wertvoller Inhaltsstoffe ist: Maria Rogmans (74), Hermann-Josef Wilhelm (70) und Karl-Michael Schmidt (59) sind das kreative Entwickler- und Gründerteam des Unternehmens Oxygenesis GmbH mit Sitz am Spierhof in Kalkar. Seit dem Start 2007 sind sie weltweit führend in der Kultivierung der Wasserlinse. Eine Erfolgsstory im Verborgenen, geschrieben von den drei kreativen und auffällig bescheidenen Köpfen. Denn mittlerweile kommt aus den Kalkarer Gewächshäusern der perfektionierte (und patentierte) Weg, wie man aus den winzigen Linsen mit dem extrem hohen Proteingehalt gesundes Superfood macht. Die NRZ durfte sich in dem Spezial-Gewächshaus – ein sogenannter Photobioreaktor – mit den hoch entwickelten Aquakulturen umsehen.

Patentiertes Indoor-Kulturverfahren

„Wir haben für die Züchtung der Wasserlinse der Gattung Lemna ein Indoor-Kulturverfahren in einer Regalanordnung entwickelt“, verrät Karl-Michael Schmidt, Physiker und Patentanwalt im Oxygenesis-Team. „Aus einem Hektar Anbaufläche machen wir mit dem Regalsystem fünf Hektar.“ Ein immenser Fortschritt unter dem Aspekt, dass die Menschheit stetig wächst, der Flächenverbrauch aber auch. Da sind Ideen, wie man proteinhaltige Lebensmittel für Mensch und Tier herstellen kann, nicht nur „in“, sondern geradezu überlebenswichtig für zukünftige Generationen.

Auf den Indoor-Regalflächen ziehen die Kalkarer Entwickler die Wasserlinsen in speziellen Wasserbecken hoch. Die winzigen Pflanzen fühlen sich offensichtlich wohl in ihren perfekt temperierten Becken mit entsprechendem Nährstoffgehalt im vollständig geschlossenen Wassersystem. Letzteres ist von enormer Wichtigkeit, um aus den Wasserlinsen sauberes Protein zu bekommen. Denn Lemna hat eine unangenehme Eigenschaft in der freien Natur: Die Linsen lagern sozusagen in Zwischenzellen „gerne“ Schwermetalle ab. „Deswegen sollte man von Wasserlinsen, die in den Gewässern überall zu finden sind, die Finger lassen. Die Verimpfungen mit Schadstoffen sind da draußen immer ein Problem“, so Schmidt. Eines, das im geschlossenen Regalsystem von Oxygenesis nicht vorkommt.

Aber die Schadstoffanreicherung in den Linsen außerhalb des geschlossenen Regalsystems ist auch eine Eigenschaft, die die Kalkarer bereits in Sachen „Klärfunktion“ getestet haben. Das Ergebnis: Die „grüne Pest“ kann helfen, Wasser zu klären, aber ihre wahre Kraft liegt in ihrem Nährstoffgehalt, den das Oxygenesis-Team zu nutzen weiß. „Wir haben schon Futtermischungen für Nutztiere, Haustiere, Fishfarming daraus entwickelt“, schildert das Entwicklertrio. In Kalkar werden Wasserlinsen genutzt, die fast 50 Prozent ihres Fettes als Omega-3-Fettsäure liefern.

Gesundes Protein

Außerdem kommt die Zusammensetzung der von den Linsen synthetisierten Fettsäuren den Fischfettsäuren sehr nahe. Sie sind sogar besser und gesünder als die im Lachs. Die Erklärung ist recht einfach, wie Karl-Michael Schmidt sagt. Der Lachs wird in Fischfarmen auch mit Sojaprotein gefüttert. Diese Landpflanze hat ein schlechtes Verhältnis von Omega 6 zu Omega 3 Fettsäuren – nämlich bis zu 20 zu eins. Es hat sich gezeigt, dass der Lachs aus Zuchtfarmen mittlerweile mehr Omega 6 beinhaltet als das begehrte Omega 3. Auch wird der Raubfisch mit Protein aus den Beifängen der Fischer gefüttert.

„Das wiederum enthält so viel Mikroplastik, dass Lachs auch damit extrem belastet ist“, erklärt Schmidt. Das gesunde Protein aus den Wasserlinsen hingegen bringt den Lachsen ihren gesunden Omega-3-Gehalt auch ohne Mikroplastik-Belastung zurück. Damit haben die Kalkarer Gründer aktuell das Interesse von Fischzüchtern geweckt.

Wasserlinsen-Produkte als Superfood

Die Entwickler (von links)): Karl-Michael Schmidt, Maria Rogmans und Hermann-Josef Wilhelm. 
Die Entwickler (von links)): Karl-Michael Schmidt, Maria Rogmans und Hermann-Josef Wilhelm.  © Unbekannt | Oxygenesis

Viel wichtiger ist den Wasserlinsen-Fachleuten aber die Tatsache, dass ihre Produkte das Zeug zum Superfood haben und eben auch für den menschlichen Verzehr bestens geeignet sind. Maria Rogmans ist sich sicher, dass das „Lemna-Protein schon in den 2030er Jahren extrem wichtig für unsere Ernährung sein wird“. Karl-Michael Schmidt sieht noch weiter in die Zukunft und prophezeit, dass Wasserlinsen als Nahrungsmittel auch im Weltall einmal eine führende Rolle spielen werden – das Interesse der DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V.) spricht dafür.

Übrigens riechen getrocknete Wasserlinsen aromatisch nach Kräutern und Feldsalat. „Brot mit getrockneten Wasserlinsen ist köstlich!“, sagt Schmidt, der es selber backt. Aber die Verwertungspalette ist lang – Entengrützen-Salat oder Smoothies sind nur wenige Beispiele der Verwertung. Die hat übrigens in asiatischen Ländern schon lange Tradition.

Ökologisch interessant

Fakt ist, dass das Lemna-Protein extrem hochwertig und über das Oxygenesis-Kulturverfahren auch in größeren Mengen herstellbar ist. Die Aufzucht der Linsen in den Regalsystemen ist dabei auch ökologisch interessant. Eingesetzte Nährstoffe können sowohl mineralischer Herkunft sein, als auch aus hygienisierten und konditionierten Nährstoffströmen aus der Landwirtschaft oder der Lebensmittelproduktion gebildet werden.

Durch die hohe Packungsdichte von Kulturflächen im Photobioreaktor entsteht ein großer Bedarf an CO2, so dass solche Verfahren und Einrichtungen auch an Standorten mit CO2-Anfall ökologisch sinnvoll errichtet werden können. Insbesondere im Wärmekonzept von Biogasanlagen können Wärme- und CO2-Bedarf so gesichert werden. In Sachen Wärmekonzept/Abwärmenutzung ist jetzt auch ein Kooperationspartner mit ins Oxygenesis-Boot geholt worden: der Energie-Versorger Uniper.

Viele weitere Infos zur Historie, Entwicklung und zu Projekten des Unternehmens und der in Kalkar am Spierhof gemachten Entdeckungen gibt’s ausführlich unter www.oxygenesis.de.