Kreis Kleve. Mehr Klimaschutz, Komfort und Kapazität: Auf der RE-10-Strecke fahren künftig batterie-elektrische Fahrzeuge. Das freut die Kreis Klever Politik.
Nach dem Start der 70 Millionen Euro teuren Modernisierung der Stellwerks- und Signaltechnik war dies die zweite gute Nachricht für die leidgeplagten Pendler auf der störanfälligen, linksrheinischen RE-10-Bahnstrecke: Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) und der Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL) haben mehr als 60 neue batterie-elektrische Fahrzeuge für das Niederrhein-Münsterland-Netz beim spanischen Hersteller CAF bestellt (die NRZ berichtete). Für die Linie RE 10 sind davon 21 Fahrzeuge vorgesehen, wie der VRR auf Nachfrage mitteilt. Hinzu kommen Reservefahrzeuge für die Instandhaltung, die CAF für gut 30 Jahre übernimmt.
Bundes- und Landespolitiker aus dem Kreis Kleve freuen sich im Gespräch mit der NRZ über die Investitionen in die Infrastruktur und die Fahrzeugtechnik nach jahrelangem Stillstand. „Endlich wird die Strecke ins 21. Jahrhundert katapultiert“, sagt der CDU-Landtagsabgeordnete Günther Bergmann. Das scheidende SPD-Bundestagsmitglied Barbara Hendricks bezeichnet den Fortschritt als „sehr großen politischen Erfolg“, der partei- und kreisübergreifend in den zahlreichen Verhandlungsrunden mit der Deutschen Bahn, dem VRR, der Nordwestbahn und weiteren Beteiligten erreicht worden sei.
Mehr Kapazität und Komfort
Von den neuen elektrischen Fahrzeugen, die zusätzlich mit Batterien ausgestattet sind, verspricht sich der VRR mehr Klimaschutz, Komfort und Kapazitäten. Die Zugteile vom Typ „Civity Bemu“ bieten 120 bzw. 160 Sitzplätze und werden künftig in Doppel- oder Dreifachtraktion eingesetzt. Bis zu 440 Fahrgäste können in Spitzenzeiten sitzen. Mehr und breitere Einstiegsbereiche, deutlich weitere Sitzabstände, großzügigere Mehrzweckflächen, Steckdosen und kostenloses Wlan sollen zudem die Fahrt spürbar angenehmer machen.
Anders als die bislang eingesetzten Dieselfahrzeuge des Typs Lint 41 emittieren die batterie-elektrischen Modelle keinen Feinstaub und keine Stickstoffoxide. „Dieser Schritt zu mehr Umweltfreundlichkeit ist richtig“, stellt der CDU-Bundestagabgeordnete Stefan Rouenhoff fest.
Ladestation am Klever Bahnhof wird geplant
Der Umstieg auf die neue Antriebstechnologie sorgt gleichwohl dafür, dass die neuen Fahrzeuge erst in einigen Jahren auf den linksrheinischen Schienen unterwegs sein werden. Denn zur Wahrheit gehört: Anders als die Baumaßnahmen bei der Stellwerks- und Signaltechnik, die im Rahmen des sogenannten Schnellläuferprogramms bereits begonnen haben, sind die batterie-elektrischen Fahrzeuge ein langfristiges Projekt. Der VRR plant für die Linie RE 10 mit einer Betriebsaufnahme bis Dezember 2028.
Dies hängt vor allem mit dem Bau der notwendigen Ladestation am Klever Bahnhof zusammen, denn für den nicht elektrifizierten Streckenteil zwischen Kleve und Krefeld müssen die Batterien aufgeladen werden. Erst 2027, so ist zu hören, soll die Station fertig sein – was durchaus Unverständnis in der Politik hervorruft. „Ich kann nicht begreifen, warum die Planung derart lange dauert“, sagt der FDP-Landtagsabgeordnete und technische Betriebswirt Stephan Haupt, der regelmäßig den Niers-Express nutzt. Auf Nachfrage nach dem genauen Standort und dem Bauzeitplan für die Ladestation hält sich die Klever Verwaltung bedeckt. „Derzeit befindet sich die Stadt Kleve in konstruktiven Gesprächen, jedoch ist das Verfahren der endgültigen Standortsuche noch nicht abgeschlossen“, teilt sie lediglich mit.
Stephan Haupt: VRR hat aus Fehlern gelernt
Stephan Haupt analysiert, dass der VRR „aus der Vergangenheit viel gelernt“ hat. Die letzte Ausschreibung sei unglücklich gewesen: „Die Kapazitäten wurden unterschätzt und ein falscher Zugtyp gewählt. Zudem hat die Nordwestbahn mit dem Standort ihrer Werkstatt einen strategischen Fehler begangen“, so Haupt. Nun entschied sich der Verkehrsverbund für ein neues Fahrzeugfinanzierungsmodell: Künftig ist nicht mehr das Eisenbahnverkehrsunternehmen für Betrieb, Beschaffung und Wartung der Fahrzeuge verantwortlich, sondern der VRR stellt die Logistik und hat den Hersteller CAF mit der Instandhaltung beauftragt.
Offiziell noch bis 2025 läuft der Verkehrsvertrag mit der Nordwestbahn. Angesichts der erst danach erwarteten Lieferung der neuen Fahrzeuge ist eine zumindest kurzzeitige Verlängerung wahrscheinlich. „Ab Ende 2025 ist noch ein Übergangsvertrag notwendig. Ein entsprechendes Vergabeverfahren wird im Laufe des kommenden Jahres durchgeführt“, teilt der VRR auf Anfrage mit. Für die anschließende neue Ausschreibung wiederum hat auch die DB Regio offenbar ihr Interesse hinterlegt, den Betrieb auf der stark frequentierten Linie RE 10 wieder zu übernehmen.
Neue Linie RB 41 und reaktivierte Niederrheinbahn
Ab 2027 soll eine neue Linie RB 41 montags bis freitags stündlich zwischen Geldern, Krefeld und Neuss verkehren und auf dem Südabschnitt den RE 10 entlasten. Diese Direktverbindung aus dem Südkreis Kleve nach Neuss (mit Anschluss nach Köln) bietet dann mit der bereits bestehenden Linie RE 7 einen angenäherten 30-Minuten-Takt zwischen Krefeld und Neuss.
„Die verkehrlichen Planungen sind abgeschlossen. Um die Linie einrichten zu können, ist in Geldern eine zusätzliche Bahnsteigkante bzw. ein neues Abstellgleis notwendig, um den Verkehr auf dem RE 10 nicht zu behindern“, so der VRR. „Die Planungen dazu sind angelaufen.“ Fünf neue batterie-elektrische Fahrzeuge sollen die Linie RB 41 bedienen.
Ebenfalls relevant für Pendler aus dem Kreis Kleve ist die Reaktivierung der Niederrheinbahn nach Kamp-Lintfort, die auch den dortigen Standort der Hochschule Rhein-Waal anbindet. Zur Landesgartenschau 2020 lief bereits erfolgreich ein Vorlaufbetrieb. Nach dem Bau eines neuen Gleisbogens im Bahnhof Rheinkamp soll die Strecke voraussichtlich Ende 2026 in Betrieb genommen werden, kündigt der VRR an.