Kreis Kleve. Nach Hunderten Anrufen und Tausenden Klicks gab es beim Termin-Lotto den Zugang ins Impfzentrum in Kalkar. Das Team vor Ort behält die Nerven.
Es ist wie beim Fußball: Alle können mitreden. So sehr Corona Beziehungen trennt, so verbindet die Pandemie doch auch verbal. Im Wartebereich des Impfzentrums in Kalkar sitzen lauter Fachleute, alle sind Durchschnittsbürger. Aber gelesen, gehört, hat jeder schon etwas über Covid-19. „Welchen Impfstoff bekommen Sie denn?“, geht die Frage durch die Sitzbereiche. Und dann wird verglichen: „Wie sind Sie denn an einen Termin gekommen?“
In diesen Wartebereich kommen aber alle erst, wenn der Pieks vorbei ist. Hier muss man abwarten, ob der Kreislauf Schwierigkeiten macht. „Wie lange denn?“ „Nur ein Viertelstündchen“, antwortet Karlheinz Oymann wohl Hunderte Male an diesem Tag. Er gehört zum Impfzentrum-Team und bleibt wie seine Kollegen auffallend fröhlich. Auf die Frage eines Geimpften: „Haben Sie ‘nen Kaffee?“ kontert er lachend: „Jau und ‘nen Stück Kuchen. Ich könnte hier richtig Geschäfte machen.“ Aber nein, hier nimmt niemand den Mund-Nase-Schutz ab.
Hinterher 15 Minuten abwarten
Oymann wedelt mit ausgestreckten Armen zu den Impfkabinen: „Kommen Sie hier herüber!“ Sitzreihe für Sitzreihe füllt sich und darf sich nach 15 Minuten wieder leeren. „Geht es Ihnen gut? Dann dürfen Sie gehen“, richtet er die Frage an jeden Einzelnen.
Auch an mich. Ich bin über 60. Astrazeneca zu mir! Der NRZ hatte ich Ende März die Information entnommen, dass 450.000 Dosen des englischen Vakzins über die Ostertage an Über-60-Jährige vergeben würden, die sich telefonisch oder online einloggen. Für sie soll die Gefahr ernsthafter Nebenwirkungen geringer sein. Doch für jüngere Arzthelfer, Lehrerinnen, Erzieher mit bestehendem Impfterminen war wegen der bundesweit 31 Fälle von Hirnvenenthrombosen im Zusammenhang mit Astrazeneca kurzfristig der Impfstoff geändert worden. Sie bekamen dann den deutsch-amerikanischen Impfstoff von Biontech/Pfizer.
Ich halte die Gefahr einer Infektion für höher als die von Astrazeneca-Nebenwirkungen
Ich halte die Gefahr einer Infektion für höher als die von Astrazeneca-Nebenwirkungen. Geimpft wurde ich bisher gegen Tetanus, Masern, vor einem Österreich-Urlaub gegen Zeckenbisse. Aber Grippeimpfungen – deren Wirkstoff ganz sicher kaum einer mit Namen kennt – habe ich nie machen lassen. Aber gemeinsam gegen die Pandemie anzugehen halte ich für richtig.
So verbrachte ich mehrere Stunden des Ostersamstag auf der Couch, die eine Hand am Telefon, die andere auf der Tastatur des Laptop. 260 Anrufe habe ich getätigt und die Klicks am Computer nicht gezählt, bevor ich für den Samstag erst mal aufgab. „Versuchen Sie es zu einem späteren Zeitpunkt erneut“, riet die nette männliche Telefonstimme – sofern man überhaupt bis zu ihr durchdrang. Laut Kassenärztlicher Vereinigung Nordrhein versuchten es an dem Tag knapp vier Millionen „Bewerber“ ebenso wie ich. Am Ostersonntag neues Termin-Lotto. Vormittags wieder hoffnungslos. Mittags dann versprach das Callcenter 16 Minuten lang, dass ich angeblich „der Nächste“ in der Telefonschleife sei. Und es wurde eine neue Internetkennung genannt: 117116.de. Schwupp im Kalender, schwupp gebucht!
So mancher hat die Formulare nicht ausgefüllt
Erneut Geduld war jetzt am Tag der Impfung gegen SARS-CoV-2 angesagt. Das Nadelöhr im Impfzentrum Kalkar ist die Eingangstür: „Nur Terminzeit und Namen nennen“, steht auf mehreren Schildern, aber die Besucher haben trotzdem Tausend Fragen schon hier. An den sieben besetzten Anmeldeschaltern wird schnell klar, dass viele Bürger eben nicht zu Hause die Formulare ausgefüllt haben, wie es erbeten war. Und dass so manche nur ein Exemplar und nicht zwei mitgebracht haben, und dass jemand vergessen hat, wann eigentlich sein Termin ist: „Ich glaube, heute.“ Alles wird am Check-in erledigt. So verlängern sich die Warteschlangen draußen in den zick-zack-abgesperrten Reihen im Wartezelt und am Shuttlebus. Eine Schar Freiwilliger Helfer ordnet den Ansturm – ein langweiliger Job, mit großer Freundlichkeit ausgefüllt.
Ist man einmal durch die Anmeldung durch, geht es blitzfix. „Bitte gehen Sie zu Kabine B2.“ Da wartet schon der Arzt Harm-Cornelis Overbeek und ein Medizinischer Helfer. „Keine Allergien? Keine Blutverdünner?“, hinterfragt der Arzt sicherheitshalber noch mal das ausgefüllte Anamneseblatt. Der 60 Jahre alte Impfpass, den ich mitgebracht habe, sei ein „altes Schätzchen“, das gegen einen neuen gelben ausgetauscht werden sollte, rät er. Arm frei machen. Ein Pieks, den ich gar nicht merke. Auf Wiedersehen. Dankeschön.
Mitwirken, die Pandemie einzudämmen
Um die Ecke tut sich der große Wartebereich auf. Die Nachrichten auf dem Fernsehschirm sind ohne Ton wenig unterhaltsam, aber diese Viertelstunde geht auch vorbei. Am Tag danach melden sich ein bisschen Gliederschmerzen, es schüttelfröstelt mich. Das war’s. In den nächsten vier bis 16 Tagen achte ich nun auf Kurzatmigkeit, geschwollene Arme, anhaltende Kopfschmerzen. Der Thrombosen wegen.
Noch habe ich im Alltag keine persönlichen Vorteile durch diese Schutzimpfung. Aber ich bin gern Teil davon, die Covid-19-Pandemie einzudämmen, die bisher laut Robert Koch-Institut (RKI) in Deutschland über drei Millionen Infizierte und mehr als 79.000 Todesopfer forderte.