Essen. Schauspielerin Katja Heinrich widmet ihr neues Programm prominenten Liebespaaren der 1930er Jahre. Auch musikalisch taucht der Abend tief ein in die Zeit.

Was geschieht mit der Liebe, wenn das Leben nur noch im Krisenmodus läuft? Die Frage scheint nicht allzu weit hergeholt in diesen Tagen, die an singulären politischen Katastrophen nicht arm ist und für manchen eine durchaus beunruhigende Nähe zu den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts aufweist. Insofern scheint das neue Programm von Katja Heinrich am Puls der Zeit, auch wenn es uns statt historischer Fakten und politischer Untergangsszenarien vor allem die verhängnisvollen Affären, leidenschaftlichen Liaisons und die musikalischen Perlen von vor 100 Jahren präsentiert. „What is this thing called love“ heißt das Programm, das im Rahmen der Essener Veranstaltungsreihe „Theatino“ jetzt seine gefeierte Premiere im Eulenspiegel-Kino erlebte.

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Nicht zwingend politisch, sondern literarisch-musikalisch taucht Katja Heinrich ein in die Zeit von Weltwirtschaftskrise, Börsencrash und Reichskristallnacht.. Florian Illies 2021 erschienenes Buch „Liebe in Zeiten des Hasses“ ist ihr dabei der kundige literarische Leitfaden durch die amourösen Verbindungen der damaligen „Promi“-Paare von Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir bis Henry Miller und Anaïs Nin. Wie in ihren vorherigen 20er-Jahre-Programmen mischt die Schauspielerin und Sängerin Lesepassagen dabei mit musikalischen Intermezzi, plaudert mal über das Kindermädchen der Dietrich, das mit im Ehebett schlafen darf, oder die Penislänge von Scott Fitzgerald.

Die Schauspielerin und Sängerin Katja Heinrich  präsentiert ihr 30er-Jahre Programm
Die Schauspielerin und Sängerin Katja Heinrich präsentiert ihr 30er-Jahre Programm "What is this thing called love" zusammen mit Pascal Schweren (Klavier) und Robert Beck (Klarinette). © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Verlässlich zur Seite stehen ihr die Musiker Pascal Schweren (Klavier) und Robert Beck (Klarinette und Saxophon), die die Songs von Kurt Weills bis Friedrich Hollaender nicht nur begleiten, sondern mit dem „Jitterbug Waltz“ mal Jazz im ungewöhnlichen Dreivierteltakt oder Walter Melroses „Tin Roof Blues“ immer auch wieder solistische Akzente setzen.

Natürlich darf auch Cole Porters titelgebende Komposition nicht fehlen wie auch das „Vielleicht-Lied“ von Brecht/Eisler oder Gershwins „The man I love“. Insgesamt kommt der Abend ein bisschen tragender und melancholischer daher als die 20er-Jahre-Vorgänger „Erst trink mit mir ein bisschen Alkohol“ und „Solange nicht die Hose am Kronleuchter hängt“.

Nicht die romantische Liebe, sondern die „sachliche Romanze“ hat Ende der 1920er Jahre eben auch bei Erich Kästner Konjunktur, der Affären generell nicht abgeneigt ist. Wobei es für die Frauen im Leben von Bertolt Brecht noch ärger kommt, der seine Geliebte am Bahnhof abholt, nachdem er nur Stunden zuvor geheiratet hat.

Simone de Beauvoir lässt Jean-Paul Sartre beim ersten Date einfach sitzen

Die 1930er Jahre, auch das zeigt der Abend, sind aber auch ein Jahrzehnt der starken Frauen. Marlene Dietrich betört als „blauer Engel“ nicht nur auf der Leinwand, sondern zieht nach getaner Dreharbeit noch liebessuchend durch die Nacht. Und Simone de Beauvoir lässt Sartre bei der ersten Verabredung zum gemeinsamen Tee einfach sitzen. Stattdessen schickt sie die Schwester, die den verknallten Schriftsteller auch sofort erkennt: „Meine Schwester sagt, Sie seien klein, trügen Brille und seien sehr hässlich“.

Die großen Liebesgeschichten, sie beginnen hier nicht nur mit schwitzigen Händen, heißblütigen Liebesschwüren und wie vom Donner gerührt, sondern mit intellektuellen Geistesblitzen, klugen Reden und der Lust am gemeinsamen kreativen Schaffen.

Marilyn Monroe und die Liebe im Krisenmodus

Katja Heinrich wählt die Musik dazu mit Bedacht aus. Statt der omnipräsenten „Seeräuber-Jenny“ präsentiert sie mit dem „September Song“ eine Weill-Komposition aus dem eher mäßig bekannten Singspiel „Knickerbocker Holiday“ oder das samtige „Speak low“ aus dem Broadway-Musical „One Touch of Venus“. Am Ende des Liebesreigens aber steht nicht die Frage, sondern der Wunsch nach Liebe: „I wanna be loved by you“ . Der Titel entstand zwar schon Ende der 1920er, wurde aber erst 30 Jahre später durch Marilyn Monroe so richtig populär. Von der Liebe im Krisenmodus hat auch sie ein Lied zu singen gewusst.

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