Essen. Essens Lichtspielhäuser haben eine große Geschichte. Eine Ausstellung im Ruhr Museum gibt Anlass, über das „Kulturgut Kino“ nachzudenken.

In der Blütezeit des Kinos, Mitte der 1950er Jahre, zählte Essen einmal 72 Lichtspielhäuser, die sage und schreibe 14,7 Millionen Tickets im Jahr verkauften. „Traumhafte Zeiten“, findet Marianne Menze, langjährige Chefin der Essener Lichtburg mit den Essener Filmkunsttheatern rückblickend, „aber in den 1960ern war‘s leider schon fast vorbei.“ Dass Essen trotz aller über die Jahrzehnte hinzugekommenen Konkurrenz durch Fernsehen, Video und Streamingdienste immer noch eine der bedeutenden Kinostädte ist, mit dem schönsten und größten Einzelkino der Republik, der Lichtburg, und einer großen Premieren-Tradition, hat dabei viele Gründe. Im Rahmen einer Podiumsdiskussion zur Kinokultur und Kinogeschichte in Essen wurde jetzt aber nicht nur auf die große Historie der Essener Filmtheater geblickt, sondern auch in die Zukunft.

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Dass Kino heute mehr bieten muss als ein bunt gemischtes Filmprogramm und Popcorn, betont beispielsweise Oliver Flothkötter, der die Geschäftsführung der Essener Filmkunsttheater vor kurzem zusammen mit David Schreiber übernommen hat. Kuratierte Programme, die sich auch an bestimmte Zuschauergruppen richten, von Schulklassen bis zu Senioren, gehörten ebenso dazu wie Filme in Originalsprache, Sondervorstellungen mit Gästen oder besondere Filmreihen, die Kino-Klassiker zurück auf die große Leinwand bringen. Es reiche nicht mehr, einen Film dreimal am Tag zu spielen, sagt Flothkötter, das Programm müsse dem Publikum einen gewissen Mehrwert bieten.

Medienpädagogik als wichtige Aufgabe

Mehrwert bedeute aber auch mehr Aufwand, organisatorisch und finanziell. Nicht nur für Andreas Bomheuer, Vorsitzender des Historischen Vereins für Stadt und Stift Essen e. V., stellt sich deshalb die Frage, ob das „Kulturgut Kino“ in Zukunft auch durch öffentliche Fördermittel gesichert werden müsse. Duisburg beispielsweise leiste sich mit dem Filmforum nach wie vor den Betrieb eines kommunalen Kinos, wie es der legendäre Essener Kinobetreiber Hanns-Peter Hüster schon in den 1960ern begründet hat, ergänzt Marianne Menze. Ein „kleines bisschen Förderung, für das, was wir machen“ würde man sich auch in Essen zur Absicherung des Betriebes wünschen.

Die langjährige Chefin der Essener Lichtburg, Marianne Menze: Ein „kleines bisschen Förderung, für das, was wir machen“ würde man sich auch in Essen zur Absicherung des Betriebes wünschen.
Die langjährige Chefin der Essener Lichtburg, Marianne Menze: Ein „kleines bisschen Förderung, für das, was wir machen“ würde man sich auch in Essen zur Absicherung des Betriebes wünschen. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Finanzielle Unterstützung gibt es bislang zwar durch die Film- und Medienstiftung NRW, die die ausgewählten Film-Programme der Essener Filmkunsttheater regelmäßig auszeichnet. Während Filmkunde in Frankreich auf dem Unterrichtsplan stehe, müssten Lichtspielhäuser wie die Essener Filmkunsttheater ihr medienpädagogisches Angebot aber aus eigenen Bordmitteln stemmen, weiß auch der Essener Cineast und Gründer der „Natural Born Filmfreaks“, Gerd Blanke.

Nicht nur Marianne Menze hält dabei angesichts der weiter wachsenden Medienflut den Einsatz von Filmpädagogen für ausgesprochen sinnvoll, wie es am Theater oder im Museum längst gang und gäbe ist. Essens Kulturdezernent Muchtar Al-Ghusain, ebenfalls Teilnehmer der Gesprächsrunde, will die Förderung einzelner Projekte zumindest nicht kategorisch ausschließen. „Es gibt Filme, die allemal eine Förderung wert sind.“

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Wie erfolgreich kuratierte Film-Programme sein können, registriert auch das Ruhr Museum gerade im Rahmen der Sonderausstellung „Glückauf – Film ab! Kino- und Filmgeschichte des Ruhrgebiets“, die Woche für Woche mehr Zuschauer in die moderierten Matineen und Doku-Abende lockt, freut sich Theo Grütter, Direktor des Ruhr Museums, das noch bis zum 2. März mit mehr als 900 Exponaten vom Filmplakat bis zum Projektor die Entwicklung des westdeutschen Kinos dokumentiert, mit seinen stilbildenden Festivals, seinen Stars und seinen Traditionskinos wie dem 100 Jahre alten Essener Filmstudio.

Gutes Programm, neueste Technik und ein ganz besonderer Charme

Endlich wieder Kino! Auch in der Zeit der Corona-Pandemie haben sich die Essener Filmkunsttheater, im Bild das historische Filmstudio, über Wasser gehalten.
Endlich wieder Kino! Auch in der Zeit der Corona-Pandemie haben sich die Essener Filmkunsttheater, im Bild das historische Filmstudio, über Wasser gehalten. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Dass die Essener Filmkunsttheater mit dem historischen Astra-Kino, dem Eulenspiegel, der schnuckeligen Galerie Cinema, dem Filmstudio, dem Mülheimer Rio und dem Flaggschiff, der Lichtburg, bislang alle Krisen – von der Konkurrenz durch die Multiplex-Kinos bis zu Corona – überstanden haben, sei aber nicht nur den vielfach prämierten Programmen und der auf dem neuesten Stand gehaltenen Kinotechnik geschuldet, glaubt Marianne Menze. Es sei vor allem der Charme der Spielstätten, ihr besonderer Flair. Im Rahmen der Podiumsdiskussion wurde dabei noch einmal an das enorme bürgerschaftliche Engagement erinnert, mit dem der Erhalt der Lichtburg und die Rettung des Filmstudios in den vergangenen Jahrzehnten erst möglich wurde.

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