Essen. Weil Thomas Osterholt seinen Beruf als Tramfahrer nicht mehr ausüben kann, stellte die Ruhrbahn ihn frei. Nun traf man sich vor Gericht.
Noch bevor sich im Arbeitsgericht die Tür zu Saal N322 öffnet, ist Thomas Osterholt positiv gestimmt. „Ich habe gut geschlafen“, sagt der 61-Jährige. Mit seinem Arbeitgeber, der Ruhrbahn, ist er zu einem Gütetermin verabredet. Denn die hat ihn freigestellt nach fast 40 Jahren im Betrieb, wie Richterin Nicola Lieftucht ausführen wird. Freigestellt ohne Bezüge! Osterholt nennt das einen Skandal.
- Die Lokalredaktion Essen ist auch bei WhatsApp! Abonnieren Sie hier unseren kostenlosen Kanal: direkt zum Channel!
Vor dem Arbeitsgericht will Osterholt erzwingen, dass die Ruhrbahn ihn wieder beschäftigt und bezahlt. Es geht um 14.500 Euro Gehalt. Im September vergangenen Jahres hatte sich Osterholt nach längerer Krankheit zurückgemeldet. Doch die Ruhrbahn winkte ab: Es sei keine geeignete Stelle frei. Man werde sich wieder melden, sobald sich das geändert hat.
Seinen Beruf als Straßenbahnfahrer bei der Ruhrbahn kann Thomas Osterholt nicht mehr ausüben
Seine ursprüngliche Tätigkeit als Straßenbahnfahrer kann Thomas Osterholt aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben, seit Jahren schon. Die Ruhrbahn hat für solche Fälle einen Mitarbeiter-Pool eingerichtet mit 23 Plätzen eingerichtet. Wer einen Platz bekommt, übt andere Tätigkeiten aus, arbeitet als Lagerist, Bote oder an der Brötchenausgabestelle. Die Nachfrage nach freien Plätzen sei groß, berichtet der Vertreter der Ruhrbahn vor Gericht.
Thomas Osterholt hat mehrere Jahre als Lagerist gearbeitet. Nun ist im Mitarbeiter-Pool für ihn kein Platz frei. Denn im vergangenen Jahr war er mehr als 90 Tage krank. Wer so lange ausfällt, muss ein Jahr aussetzen. Erst danach darf er sich um einen Poolplatz bewerben. Deshalb hat die Ruhrbahn ihn freigestellt.
Osterholts Anwalt, Christian Hundertmark, hält die Freistellung für fragwürdig: „Es kann nicht sein, dass man einen Arbeitnehmer auf diese Weise kaltstellt“, klagt der Jurist. Tatsächlich dürfte es der Ruhrbahn schwerfallen, Osterholt auf dem Weg einer Kündigung loszuwerden, sollte dies die Absicht sein. Nach fast 40 Berufsjahren im öffentlichen Dienst sind die Hürden hoch. Freigestellt bleibt er auf dem Papier Mitarbeiter der Ruhrbahn, kostet das Unternehmen aber nichts. Da ihm nicht gekündigt wurde, kann Osterholt sich aber auch nicht arbeitslos melden. Selbst hinschmeißen will er nicht. Warum auch?
Der Mitarbeiter-Pool der Ruhrbahn dürfte im weiteren Verfahren noch eine Rolle spielen
Der Mitarbeiter-Pool und die „90-Tage-Regelung“ dürften im weiteren Verlauf des Rechtsstreits noch eine Rolle spielen. Beim Gütetermin konnten sich die Streitparteien nicht gütlich einigen. Welche Seite am Ende Recht bekommt, bleibt offen. Richterin Nicola Lieftucht ließ aber durchblicken, dass es Osterholt möglicherweise gar nicht weiterhelfen würde, sollte das Pool-Verfahren der Ruhrbahn hinfällig sein. Denn angestellt sei er ja als Straßenbahnfahrer. Und diesen Beruf kann er nicht mehr ausüben. Im Grundsatz gilt aber: keine Arbeit, kein Lohn.
Nach der Verhandlung zeigte sich Osterholt ernüchtert: „Ich bin enttäuscht“, sagte der ehemalige SPD-Ratsherr. Aufgeben werde er nicht. In vier Wochen steht vor dem Arbeitsgericht der nächste Termin an.
[Essen-Newsletter hier gratis abonnieren | Folgen Sie uns auch auf Facebook, Instagram & WhatsApp | Auf einen Blick: Polizei- und Feuerwehr-Artikel + Innenstadt-Schwerpunkt + Rot-Weiss Essen + Lokalsport | Nachrichten aus: Süd + Rüttenscheid + Nord + Ost + Kettwig und Werden + Borbeck und West | Alle Artikel aus Essen]