Essen. Essens legendäres Kunst-Wohnzimmer, die Galerie KK, steht nach 42 Jahren vor großen Veränderungen. Für Betreiber Klaus Kiefer ist es ein Abschied auf Raten.

„Auf zu neuen Ufern“ steht auf dem Buch, das ihm Freunde, langjährige Sammler und Wegbegleiter geschenkt haben. Ein Abschiedsbuch, so ungewöhnlich und originell, so eigenwillig und hintersinnig, wie das Programm der Galerie KK, die für viele Essener Kunstfreunde über Jahrzehnte eine feste Anlaufstelle war.

Nicht nur der Kunst wegen, die mit hochkarätigen Namen von Johannes Grützke über Roland Topor bis Arnulf Rainer vertreten war. Vor allem der Mann, der für diese besonderen Künstler nicht nur Galerist war, sondern meist auch Freund und Förderer, oft sogar Entdecker, war vielen immer wieder den Besuch wert. Doch nun hat Klaus Kiefer seine Zelte auf der Rü abgebrochen. Die Galerie KK, Essens legendäres Kunst-Wohnzimmer, ist Geschichte. Und doch gilt auch für den mit mittlerweile 87 Jahren wohl dienstältesten Galeristen der Stadt die Devise: Niemals geht man so ganz.

„Die Galerie KK lebt in den Wohnzimmern der Welt weiter“

Ende letzten Jahres hat er die Kisten gepackt, um sie an anderer Stelle doch wieder in Form einer Depotgalerie zu öffnen. An der Brassertstraße 23 wird Kiefer demnächst eine Depotgalerie betreiben. Termine nach Absprache sind geplant, auch die Besuche auf verschiedenen Kunstmessen will Kiefer beibehalten.. Wie soll man sich auch so ganz verabschieden in Anbetracht all der persönlichen Widmungen, der kleinen Gedichte und großen Geschichten, der Bilder, Briefe und „Lobhudeleien“, die ihm die vielen treuen Besucher der Galerie KK ins Abschiedsheft geschrieben haben. „Die Galerie KK lebt in den Wohnzimmern der Welt weiter“, kann man da lesen. Und noch so manch andere, sehr persönliche Erinnerung an die „eigenwilligste Galerie in Essen“ , wie es Kunsthistoriker Kay Heymer in seiner Abschiedsrede formuliert hat.

Zum 25-jährigen Galerie-Jubiläum präsentierte Klaus Kiefer unter anderem Werke von Johannes Grützke.
Zum 25-jährigen Galerie-Jubiläum präsentierte Klaus Kiefer unter anderem Werke von Johannes Grützke. © Oliver Müller NRZ | Oliver Müller

Doch auch eine Kunstadresse mit besonderem Profil hat es mittlerweile schwer. „Das Besucherverhalten hat sich verändert. Die Leute gehen seltener in Galerien“, hat Kiefer festgestellt. Obschon es am Abschiedsabend noch einmal rappelvoll war in diesem schmalen Kunstraum mit seiner mittigen Sitzgruppen, der doch immer mehr privat als repräsentativ gewirkt hat. „Die Geschäfte laufen mittlerweile online, wenn überhaupt“, sagt der gebürtige Berliner, der als Stahl-Manager nach Essen kam und sich doch bald ganz dem Kunsthandel verschrieben hat. Die Entscheidung hat Kiefer nie bereut. Denn anders als in einem großen Konzern, hatte er in seiner kleinen Galerie die Möglichkeit „selber zu entscheiden, was ich zeige und verkaufe, das ist unbezahlbar“.

Klaus Kiefer: Vom Stahlmanager zum Kunsthändler

Als die Galerie KK im Mai 1983 an den Start ging, zunächst am Standort des heutigen Café Kötter, später dann ein paar Hausnummern weiter an der Rüttenscheider Straße 56, zeichnete sich das Profil schnell ab. Kiefer legt den Fokus auf zeitgenössische figurative Malerei und hier insbesondere auf die Richtung des kritischen Realismus. Die ironisch-komischen Tierwelten von Rudi Hurzlmeier waren ebenso zu sehen wie Pavel Feinsteins altmeisterlich gemalte und mit reichlich Symbolik ausgestattete Figurenbildern und Stillleben oder Heike Ruschmeyers künstlerische Auseinandersetzungen mit Themen wie Tod durch Gewalt, Missbrauch und mörderischen Rassismus.

„Ich habe nur das verkauft, was mich auch selber interessiert“, sagt Kiefer. „Man hat mir abgenommen, dass ich nur das anbiete, wofür ich auch selbst bereit bin, Geld auszugeben.“ Was ihn seit jeher anspricht, ist Kunst, die keinen dekorativen Zweck erfüllt, sondern die so lustvoll wie tabulos herausfordert: zum Sehen, Diskutieren und Philosophieren über Gott und die Welt, Leben und Tod, Schönheit und Schmerz. Malerei, die nicht jedem gefällt. Aber „Mainstream interessiert mich nicht“, erklärt Kiefer, dessen Ausstellungsprogramm immer wieder den Übergang vom Alltäglichen zum Monumentalen, vom Lebensfrohen zum Morbiden auf vielgestaltigste Weise ausgelotet hat.  Leben, das seien nun mal drei wesentliche Momente: Geburt, Fortpflanzung, Tod. „Keine dekorativen Momente“, sagt Kiefer und erkennt darin doch die ganz großen Themen für die Kunst. „Schade, dass so viele Angst davor haben.“

„Die Fülle des Lebens“ auf die Leinwand gebracht. Die barock-sinnlichen Körper der Künstlerin Lilli Hill, die lustvoll gegen das gängige Schönheitsideal anmalt, waren 2013 in der Galerie KK zu sehen.
„Die Fülle des Lebens“ auf die Leinwand gebracht. Die barock-sinnlichen Körper der Künstlerin Lilli Hill, die lustvoll gegen das gängige Schönheitsideal anmalt, waren 2013 in der Galerie KK zu sehen. © WAZ FotoPool | Kerstin Kokoska

Schon das „Meistersinger“-Plakat des von Kiefer hoch geschätzten Johannes Grützke, das 1988 für die Eröffnungsproduktion des Aalto-Musiktheater entstand, sorgte denn auch für Debatten. Es wurde zu einem der umstrittensten und zugleich meisterverkauften Plakate der letzten Jahrzehnte in Deutschland Selbst der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker sicherte sich zwei signierte Exemplare.

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Die Malerei und die Musik sind und bleiben die zwei großen Leidenschaften des Galeristen. Ob die Rüttenscheider Straße 56 ein Ort für die Kunst bleibt, wird sich zeigen. Die Räume haben nach einem Wasserschaden gelitten. Auch das hat Kiefer dazu bewogen, dem angestammten Ausstellungsraum nach so vielen Jahren Lebewohl zu sagen. „Es war für mich ein überwältigender, emotionaler Abschied von der Rü, der noch lange nachwirken wird“, so der 87-Jährige.

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